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# taz.de -- Ägyptischer Blogger aus dem Gefängnis: "Versucht, für mich zu fe…
> Der ägyptische Blogger Alaa Adb El-Fattah verbringt seinen 30. Geburtstag
> im Knast. Auch die Geburt seines Sohnes wird er nicht mitkriegen. Ein
> Blog aus dem Gefängnis.
Bild: Demonstrant auf dem Tahrir-Platz.
BERLIN taz | Der ägyptische Blogger Abd El-Fattah war am 30. Oktober wegen
seiner angebliche Rolle bei einer vorwiegend koptischen [1][Demonstration
am 9. Oktober], in deren Verlauf 28 Personen getötet wurden, festgenommen
worden.
Am Sonntag hatte ein Militärtribunal entschieden, seine Haft um 15 Tage zu
verlängern, nachdem er sich geweigert hatte, auf Fragen durch die
Militärstaatsanwaltschaft zu antworten. Es soll einen Zeugen dafür geben,
dass Abd El-Fattah und seine Freunde einen Polizisten brutal
zusammengeschlagen und seine Waffe entwendet hätten. Seine Freunde
bestreiten dies. Eine Anklage wurde bisher nicht erhoben.
In den vergangenen drei Jahren habe ich das Eid (1) im Ausland und ohne
meine Familie verbracht. Es ging vorüber wie jeder andere Tag auch –
morgens zur Arbeit gehen und spät nachts nach hause kommen. Wir hätten es
nicht einmal wahrgenommen, wenn nicht jemand angerufen hätte, um uns alles
Gute zu wünschen.
Dieses Jahr hatte ich vor, das Eid mit meiner Familie zu verbringen, aber
das Militär verweigerte mir das Recht, zu feiern. Ich verbrachte Eid in
einer Zelle, meine Familie den ganzen Tag in einer Schlange von Besuchern.
Als schließlich nur einige von ihnen mich für einige kurze Minuten treffen
konnten, wurden sie von doppelt so vielen Polizisten eskortiert.
Als ich meine Mutter, die einen Hungerstreik für meine Freilassung begonnen
hat, fragte, wie es ihr ginge, und versuchte, meine Anspannung zu
überwinden, weil mir ein Briefwechsel mit Manal (2) verweigert wurde,
verstrichen die Minuten des Besuchs und der erste Tag des Eid war vorbei.
Die Angestellten, Polizisten und Untersuchungsbeamten feierten das Eid, was
bedeutete, dass das Gefängnis nur mit halber Besetzung arbeitete. Die Zelle
war vier Tage lang ohne Unterbrechung geschlossen – keine Besuche, keine
Zeitungen, kein Essen von außerhalb der Einrichtung, gar nichts. Sollen die
Kriminellen das Eid feiern? Gott bewahre!
Wenn ich eure Tweets nicht bekommen hätte, die wie Glückwunschtelegramme
eintrafen, hätte ich nicht gewußt, dass draußen Eid ist. Dank an alle, die
sich gekümmert haben, und denen, die die Idee hatten.
## Wie werde ich damit klar kommen?
Eid ist vorbei und mein Geburtstag rückt näher. In den vergangenen vier
Jahren habe ich meinen Geburtstag fern von meiner Familie gefeiert, aber
dieser sollte ein besonderer sein. Es ist mein dreißigster Geburtstag,
damit verbunden ist die Erkenntnis und die Anerkennung der Tatsache, dass
ich in die Welt der Erwachsenen eingetreten bin und es keinen Weg zurück
gibt. Ich hatte vor, mit meinen revolutionären Kameraden am 18. November
auf dem Tahrir-Platz zu feiern und abends mit meiner Familie, nur ein paar
Tage vor der Geburt meines Sohnes Klaled (3). Aber weil der Tag ein Freitag
ist, kann mich natürlich niemand besuchen und keine Türen werden geöffnet.
Versucht also, für mich auf dem Platz zu feiern, denn wenn ich die
Nachrichten darüber erhalte, wird mich das trösten und froh stimmen,
zumindest für einige Augenblicke. (...)
So ist das Eid vorbei gegangen und so wird auch mein Geburtstag vorbei
gehen. Ich bin daran gewöhnt, diese Anlässe fern von meiner Familie zu
verbringen, aber was ist mit der Geburt meines Sohnes Khaled? Wie sehr
werde ich die Geburt meines ersten Kindes vermissen? Wie will ich damit
klarkommen, in einer solchen Zeit nicht bei Manal zu sein? Wie werde ich
mich in den Griff bekommen, während ich warte, ob sie ok sind oder nicht?
Wie wird es sein, sein Gesicht nicht zu sehen oder das Gesicht seiner
Mutter, wenn sie seins sieht?
Wir nannten ihn Khaled, um die große Schuld gegenüber Khaled Said
zurückzuzahlen. Doch anstelle diejenigen gefangen zu nehmen, die ihn
getötet haben, wandern wir ins Gefängnis.
Übersetzung Beate Seel
(1) Das Eid el-Kebir wird jedes Jahr nach dem Ende der Pilgerfahrt nach
Mekka gefeiert. In diesem Jahr fiel das Fest auf den 6.,7. und 8. November.
Vom Stellenwert her ist es vergleichbar mit Weihnachten.
(2) Manal Hussein ist die Frau von Alaa Abd El Fattah und ebenfalls
Aktivistin und Bloggerin.
(3) Alaa und Manal möchten ihren Sohn nach Khaled Said nennen. Der junge
Mann aus Alexandria wurde von der Polizei zu Tode geprügelt und posthum zu
einem Symbol des Aufstands.
Die [2][englische Version des Blogs] wurde auf Ahram Online veröffentlicht.
18 Nov 2011
## LINKS
[1] /Gewalt-bei-Kopten-Protest-in-Kairo/!79643/
[2] http://english.ahram.org.eg/NewsContent/1/64/26533/Egypt/Politics-/Alaa-Abd…
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