# taz.de -- Telekom bietet Lösung für IPv6: Bleib anonym, wechsle die Nummer | |
> Datenschützer sorgen sich um die Effekte der neuen Internet-Technik IPv6. | |
> Die Telekom gibt Teil-Entwarnung: Auch in Zukunft können Nutzer ihre | |
> Spuren verwischen. | |
Bild: Da nützt keine schwarze Maskierung: Wer sich nicht aktiv kümmert, wird … | |
Das Drohpotenzial für die Privatsphäre war enorm: Eine Kennziffer, für | |
immer und ewig an die eigene Brust geheftet – beim Einkaufen, beim | |
harmlosen Plausch mit Freunden, bei der Steuererklärung. Jeder | |
Internet-Nutzer bekäme eine IP-Adresse zugewiesen, und da wir immer mehr | |
Zeit im Netz verbringen, würde die unscheinbare Nummer an immer mehr | |
Stellen gespeichert. Wegen der lange überfälligen Umstellung des Internets | |
auf die neue Technik IPv6 ändern sich die Spielregeln. | |
"IPv6 sieht aus wie eine kleine technische Veränderung, die aber große | |
Konsequenzen nach sich ziehen wird", mahnte der | |
Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar am Dienstag in Berlin. Bisher | |
werden IP-Adressen bei vielen Anbietern in Deutschland täglich neu | |
vergeben. Sprich: Wer zwei Mal an unterschiedlichen Tagen die selbe | |
Webseite besucht, kann an der IP-Adresse nicht eindeutig identifiziert | |
werden. Auch Strafverfolger haben nur begrenzte Zeit die Chance, | |
IP-Adressen zu einem Internetanschluss zurückzuverfolgen. | |
Grund für den ständigen Nummernwechsel: Die IP-Adressen waren knapp, | |
Privatkunden-Provider bekamen nicht für jeden Kunden eine eigene IP-Adresse | |
zugewiesen. Mit der neuen Version des Intenet-Protokolls entfällt dieser | |
Zwang zum ständigen Austausch der Adressen. Technisch gesehen kann nun | |
jeder Mensch, jedes Gerät eine eigene feste IP-Adresse bekommen, die sich | |
niemals ändert und über Jahre zurückverfolgt werden kann – ganz so als ob | |
man nur mit gezücktem Personalausweis durch das Netz surft. | |
Doch die Deutsche Telekom hat nun auf die Kritik der Datenschützer reagiert | |
und ein eigenes Konzept der Adressierung entwickelt, um dies zu verhindern. | |
"Wir geben unseren Kunden die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, wie weit | |
ihre genutzten Geräte im Netz nachverfolgbar sind oder nicht", sagt | |
Claus-Dieter Ulmer, der Datenschutzbeauftragte der Deutschen Telekom. | |
Konkret sehen die Telekom-Pläne vor, dass die Kunden im Konfigurationsmenü | |
ihres Internetrouters einen "Privacy Button" installiert bekommen, mit dem | |
sie den Wechsel der IP-Adresse veranlassen können. Sie können auch | |
einstellen, dass die IP-Adresse automatisch täglich wechselt – ganz so wie | |
bisher. | |
## Technischer Alleingang | |
"Mit unserer Lösung wollen wir einen neuen Datenschutzstandard bei IPv6 | |
setzen und Vorreiter in der Branche werden", sagt Ulmer. Doch die | |
Telekom-Lösung ist bisher eher ein technischer Alleingang, der weitere | |
Fragen aufwirft: Können auch Kunden ohne Telekom-Router den IP-Wechsel | |
auslösen? Wie sieht es aus bei den Resellern, die unter eigener Regie und | |
mit eigener Technik Telekom-Anschlüsse verkaufen? Dies wird erst die Praxis | |
zeigen. | |
In den nächsten Tagen will die Telekom mit ersten Nutzer-Tests anfangen. | |
Von dem Ziel, IPv6 für die Kunden noch in diesem Jahr anzubieten, hat sich | |
der Konzern verabschiedet, nun soll die Technik erst im kommenden Jahr zum | |
Einsatz kommen. Konkurrent Telefonica verrät nur, dass auch Alice-Kunden in | |
Zukunft dynamische IP-Adressen haben sollen. Ob die täglich oder einmal pro | |
Jahr rotieren, ist hingegen noch unklar. | |
Datenschützer sind weiter alarmiert und stellen weitergehende Forderungen. | |
"Wir sind dafür, dass - und zwar vollständig - dynamische IP-Adressen | |
gesetzlich als Voreinstellung vorgeschrieben werden, da statische | |
IP-Nummern einen ähnlichen Effekt wie eine unbefristete | |
Vorratsdatenspeicherung haben", erklärt Jonas Breyer vom [1][Arbeitskreis | |
Vorratsdatenspeicherung] im Gespräch mit taz.de. "Nur, weil sich | |
Otto-Normal-Surfer mit Netzwerkprotokollen nicht auskennt und keine aktive | |
Entscheidung trifft, wird man ihm seine Passivität schwerlich als | |
Einwilligung in eine unbefristete Vorratsdatenspeicherung auslegen können." | |
Überschätzen sollte man den IP-Wechsel aber nicht. Denn auch wenn die | |
IP-Adresse sich ständig ändert, hinterlässt der Browser immer wieder | |
verfolgbare Spuren im Netz. Auf dem Rechner der Nutzer werden | |
beispielsweise [2][Cookies installiert], die die Nutzer jahrelang | |
identifizierbar machen. Zudem koppeln sich immer mehr Dienste an Anbieter | |
wie Google und Facebook, um ihre Kunden zu identifizieren. Wer künftig im | |
Internet tatsächlich anonym sein will, muss erheblich mehr tun, als nur | |
einen "Privacy-Button" zu drücken. | |
25 Nov 2011 | |
## LINKS | |
[1] http://www.vorratsdatenspeicherung.de | |
[2] /Klage-gegen-Facebook/!79708/ | |
## AUTOREN | |
Torsten Kleinz | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Überwachung | |
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