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# taz.de -- Wahl in Marokko: Schlappe für das Königshaus
> Gewinner der Parlamentswahl in Marokko ist die islamistische Partei für
> Gerechtigkeit und Entwicklung. Laut neuer Verfassung muss der
> Regierungschef aus ihren Reihen kommen.
Bild: Umarmung für den Wahlsieger Abdelillah Benkirane.
Abdelillah Benkirane ist in Feierstimmung. "Wir haben ein besseres Ergebnis
erzielt, als wir erwartet haben", erklärte der Generalsekretär der gemäßigt
islamistischen Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (PJD) nach der
Bekanntgabe erster Ergebnisse der marokkanischen Parlamentswahlen vom
vergangenen Freitag. Nach der Auszählung von zwei Dritteln der Wahlbezirke
ist die PJD stärkste Kraft. Sie erreichte 80 der 395 Parlamentssitze.
Benkirane rechnet damit, bei abgeschlossener Auszählung mit mehr als 100
Vertretern in die neue Volksversammlung einziehen zu können.
Bei Redaktionsschluss waren 107 Sitze noch nicht vergeben, darunter die 90
Abgeordneten, die auf gesonderten Frauen- und Jugendlisten gewählt wurden.
Dieses System sichert beiden Gruppen eine Mindestquote in der
Volksvertretung.
Als stärkste Kraft steht den Islamisten das Amt des Regierungschefs zu. So
garantiert es die neue Verfassung, die im Sommer auf Geheiß von König
Mohammed VI. erlassen und per Volksabstimmung abgesegnet wurde. Ob das Amt
an Benkirane oder einen anderen Politiker aus den Reihen der PJD gehen
wird, muss der Monarch entscheiden.
Bisher verfügte die PJD nur über 47 Parlamentssitze. Die Islamisten
gewannen in allen großen Städten des Landes, vielerorts mit absoluter
Stimmenmehrheit. Marokko ist damit nach Tunesien das zweite
nordafrikanische Land, in dem die Islamisten an die Regierung kommen. In
Tunesien gewann die Ennahda die ersten freien Wahlen vor einem Monat.
## Gegen Korruption und Arbeitslosigkeit
Zweitstärkste Kraft in Marokko wurde die historische Unabhängigkeitspartei
Istiqlal des derzeitigen Premierministers Abbas al-Fassi, die bei
Redaktionsschluss 45 Abgeordnete sicher hatte. Der aus acht palastnahen
liberalen Parteien bestehende Demokratische Block, der von Wirtschafts- und
Finanzminister Salaheddine Mezouar ins Leben gerufen wurde, um den Wahlsieg
der Islamisten zu verhindern, schnitt schlechter ab als erwartet. Zusammen
erreichte der sogenannte G8 rund 110 Sitze. Keine Partei alleine ist
stärker als die PJD.
Die PJD, die im Wahlkampf versprach, gegen Korruption und Arbeitslosigkeit
vorzugehen, ohne persönliche Freiheiten und Frauenrechte einzuschränken,
ist jetzt auf Koalitionspartner angewiesen. Benkirane zeigt sich gegenüber
allen Parteien gesprächsbereit, mit Ausnahme der "Partei des Königs", wie
die Marokkaner die Partei für Authentizität und Modernität (PAM) nennen.
Diese wurde von einem engen Freund und Schulkameraden von König Mohammed
VI. kurz vor den Kommunalwahlen 2008 gegründet und wurde damals auf Anhieb
stärkste politische Kraft des Landes. Die PAM, die dem Block G8 angehört,
erreichte nach bisherigem Auszählungsstand nur 33 Abgeordnete.
Die Parteien des Bündnisses Koutla, das einst bei ersten zaghaften
Öffnungen unter dem Vater des heutigen Königs, Hassan II., entstand, ist
erster Ansprechpartner für die PJD. Ihr gehört die Istiqlal des derzeitigen
Premiers al-Fassi, sowie die Sozialdemokraten der USFP und die
Postkommunisten der PPS an. Die beiden Letzteren sind klar weltlich
ausgerichtet. Der Westen müsse seine PJD nicht fürchten, erklärt Benkirane.
"Das Grundlegende in unserem Programm und für die, die mit uns regieren
wollen, sind zwei Themen: die Demokratie und eine gute Regierungsführung."
27 Nov 2011
## AUTOREN
Reiner Wandler
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