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# taz.de -- Parlamentswahl in Marokko: Die grüne Welle rollt weiter
> Bei der Abstimmung am Freitag könnten Islamisten siegen, genauso wie in
> Tunesien, und eine Regierung bilden. Das will König Mohammed VI. nicht.
Bild: Frauendemonstration in Rabat für einen Boykott der Wahlen.
MADRID taz | "Uns zu wählen, heißt gegen die Korruption zu wählen",
verkündet Abdelillah Benkirane. Der Generalsekretär der Partei für
Gerechtigkeit und Entwicklung (PJD) möchte Regierungschef von Marokko
werden.
Viele sehen Benkiranes islamistische Partei vorn. Bestätigt sich das am
heutigen Freitag an den Urnen, müsste König Mohammed VI. die PJD als
stärkste Partei mit der Regierungsbildung beauftragen. So sieht es die in
seinem Auftrag reformierte Verfassung vor, die am 1. Juli per
Volksabstimmung angenommen wurde. Bisher war der König völlig frei gewesen,
wem er das Amt des Regierungschefs übertrug.
In den Reihen der PJD befinden sich Lokalpolitiker und Juristen, die den
palasthörigen Regionalfürsten seit Jahren die Stirn bieten. Benkirane, der
redegewandte Ingenieur mit gepflegtem Bart, kritisiert die alte politische
Klasse Marokkos. Er redet viel von Arbeitslosigkeit, Armut und fehlender
Sozialversorgung.
Themen wie das liberalere Familienrecht, das einst gegen die Proteste der
Islamisten durchs Parlament ging, lässt er ebenso aus wie das oft
geforderte Verbot alkoholischer Getränke. Bis auf einige Koranzitate am
Ende seiner Wahlkampfveranstaltungen hält sich Benikrane mit religiösen
Bekenntnissen zurück. Der PJD-Kandidat gibt sich betont moderat. Sein
Vorbild ist die AKP Erdogans in der Türkei.
## Demokratiebewegung "20. Februar"
"Das ist exakt das gleiche Bild wie 2007. Auch damals schrieben alle von
einem bevorstehenden Erdrutschsieg der Islamisten", sagt Marokkos
Wirtschafts- und Finanzminister Salaheddine Mezouar. Bei den Wahlen 2007
gewann die PJD die meisten Stimmen, doch die ungleiche Gewichtung der
Wahlkreise zugunsten der ländlichen Regionen bescherte der zweitstärksten
Partei Istiqlal, die 1956 das Land in die Unabhängigkeit geführt hatte, die
stärkste Fraktion. Benkirane musste sich mit der Oppositionsbank begnügen.
Mezouar hat im Auftrag des Königshauses ein Bündnis aus acht Parteien
geschmiedet, die sogenannten G 8, die zusammen im bisherigen Parlament 48
Prozent der Sitze halten. Dass die Sympathie des Königs Mezouar und nicht
den Islamisten gilt, ist kein Geheimnis.
Die größte Sorge im Palast gilt der Wahlbeteiligung. Die Demokratiebewegung
"20. Februar", benannt nach dem Tag der ersten Massenproteste für eine
echte konstitutionelle Monarchie in Marokko, ruft nämlich zum Boykott auf,
ebenso die nicht legalisierte islamistische Kraft "Gerechtigkeit und
Geistlichkeit" sowie mehrere linke Parteien.
Da nur knapp 14 der 21 Millionen Marokkaner im wahlberechtigten Alter in
den Wählerlisten eingeschrieben sind, lag die Beteiligung 2007 bei nur 37
Prozent. Würde sie erneut niedrig ausfallen, wäre dies ein Schlag für die
Glaubwürdigkeit der neuen Volksvertretung und vor allem für die zaghaften
Reformen, die Mohammed VI. als Reaktion auf den Arabischen Frühling
veranlasst hat. Mehrere hundert Aktivisten, die zum Boykott rufen, wurden
in den letzten Wochen verhaftet und verhört.
25 Nov 2011
## AUTOREN
Reiner Wandler
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