# taz.de -- Parlamentswahl in Marokko: Unter Ziegen im Schlamm | |
> In den Dörfern am Fuß der Atlasberge ist der Frust der Wähler ähnlich | |
> groß wie die Kluft zwischen Arm und Reich. „Das will ich ändern“, | |
> verspricht ein Kandidat. | |
Bild: Wahlwerbung in Casablanca. | |
Al-HAMREAN taz | Im tiefen Matsch vor ihrem traditionellen Lehmhaus melkt | |
Aisha Toumi ihre Ziege. Ihre Schuhe sind von Schlamm bedeckt. Aishas Haus, | |
in dem sie sieben Söhne und drei Töchter zur Welt brachte, lieg im Dorf | |
al-Hamrean, 20 Kilometer entfernt vom nächsten Bahnhof in Sidi Slimane. | |
Straßen gibt es in al-Hamrean und den Dörfern in der Umgebung keine. Nach | |
Regenfällen wird jeder Gang zum Laden für Aisha zu einer Rutschpartie. | |
Was für ein Kontrast ist dagegen die Straße von al-Hamrean nach Ganzra, wo | |
sich ein großer Staudamm zwischen einer malerischen Hügelkette erstreckt. | |
Links und rechts neben der perfekten Teerstraße besitzt Marokkos König | |
Mohammed VI. weitläufige Ländereien mit Orangenplantagen und Pferdeweiden. | |
Die Gestüte sind mit Stacheldraht umzäunt und bewacht. | |
Auf der einen Seite, wo die Menschen wohnen, die nichtexistierende | |
Infrastruktur – auf der anderen, wo es um das Eigentum des Königs geht, nur | |
das Feinste vom Feinsten: „Das ist es, wogegen ich kämpfe“, erklärt Zakar… | |
Razouki am Rande einer Wahlveranstaltung in einem Café im nahen Huwarta. | |
Razouki ist Mitglied der Arbeiterpartei Hizb-Amali und kandidiert für einen | |
Sitz im Parlament. Mit seinem Bruder klappert er in einem alten Mercedes, | |
durch dessen defektes Schiebedach es leicht hereinregnet, die Dörfer ab. | |
In seinem Vortrag vor ein paar dutzend Männern im Café klagt Razouki die | |
„ausufernde Korruption“ an und versichert, er werde sich im Parlament für | |
Verbesserungen einsetzen. „Ich komme aus Dar Belamri“, erklärt Razouki, �… | |
es nur ein kleines Krankenhaus für die ganze Region gibt, das völlig | |
überbelegt ist und in dem es an allem mangelt. Das will ich ändern.“ | |
Im Krankenhaus von Dar Belamri sind die Mängel offensichtlich. In den engen | |
Gängen drängen sich hunderte Männer und Mütter mit ihren Kindern in den | |
Armen und warten. Nur die Schwerstkranken haben überhaupt einen Stuhl. Eine | |
Ärztin sagt, sie wisse nie, wie das wenige Personal bis zum Abend den | |
Ansturm bewältigen solle. | |
Rashid, einer der jungen Männer im Café in Huwarta, sagt am Ende des | |
Abends, er wisse nicht, ob er überhaupt zur Wahl gehen werde. „Ich bin | |
skeptisch, ob die Wahl wirklich demokratisch verlaufen wird. Vor allem weiß | |
ich nicht, ob die neu gewählten Abgeordneten trotz der Verfassungsreform | |
die Macht haben werden, etwas zu ändern.“ | |
25 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
Martin Lejeune | |
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