# taz.de -- DEMOKRATIE: Wege zum Kompromiss | |
> Parteien und der Verein Mehr Demokratie verhandeln über Verbesserungen | |
> bei Bürgerbegehren. Die Wohnungswirtschaft fordert, ihre Wirkung zu | |
> beschneiden. | |
Bild: Als Lösung für den Wohnungsmangel erst recht umstritten: Hochhaus in Ha… | |
Das Instrument des Bürgerbegehrens ist in jüngster Zeit vermehrt in die | |
Kritik geraten. Wie kurz berichtet, hat sich der Verband Norddeutscher | |
Wohnungsunternehmen (VNW) jetzt mit dem Vorwurf aus der Deckung gewagt, | |
Bürgerbegehren behinderten den Wohnungsbau. Der Verein Mehr Demokratie, der | |
die Volksgesetzgebung durchgesetzt hat, sieht das anders und unterfüttert | |
das mit Zahlen. | |
Doch auch der Verein räumt ein, dass die Gesetzgebung zum Bürgerbegehren | |
verbessert werden kann. Mit den Parteien in der Bürgerschaft verhandelt er | |
darüber, wie im Verfahren der Weg zu einem Kompromiss geebnet werden kann, | |
so dass es gar nicht erst zu einem Bürgerentscheid kommen muss. | |
Der VNW, der die öffentlichen und genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen | |
vertritt, nennt als Beispiele das Freibad Ohlsdorf und die Wulffsche | |
Siedlung in Langenhorn, wo per Bürgerentscheid der Abriss alter und der Bau | |
neuer Wohnungen verhindert wurde. Im Fall der Wulffschen Siedlung hatten | |
die Stimmen von zehn Prozent der Abstimmungsberechtigten gereicht, um die | |
alten Arbeiterhäuschen zu erhalten und einen Wohnungsneubau zu verhindern. | |
Der VNW fordert deshalb, die Bauleitplanung als Gegenstand von | |
Bürgerbegehren auszuschließen und Mindestbeteiligungs-Quoren einzuführen. | |
Zu beidem wird es nicht kommen. Zwar äußert SPD-Fraktionschef Andreas | |
Dressel Verständnis für die Position des VNW. "Ich mache kein Hehl daraus, | |
dass ich für Quoren bin", sagt er. Allerdings sei ihm sehr daran gelegen, | |
die einschlägigen Änderungen am Paragrafen 32 des | |
Bezirksverwaltungsgesetzes im Konsens vorzunehmen. Die SPD wolle sich | |
darauf konzentrieren, das Verfahren zu verbessern. Gleich bei der Anmeldung | |
solle geprüft werden, ob ein Bürgerbegehren zulässig ist. Und es sollen | |
mehr Möglichkeiten, Kompromisse zu finden, ins Verfahren eingebaut werden. | |
"Eine größere Transparenz hilft allen", findet Dressel. | |
"Ein Bürgerentscheid ist das letzte Mittel", sagt Manfred Brandt von Mehr | |
Demokratie. Es sei die Aufgabe von Parteien und Verwaltung, die Bürger | |
schon in einem frühen Planungsstadium zu überzeugen. Was heute falsch | |
laufe, zeige sich darin, dass sich bei den Bürgerentscheiden stets die | |
Initiativen durchsetzten. "Offensichtlich haben die Bürger mehr Vertrauen | |
in die Initiativen als in die Politik oder die Verwaltung", stellt er fest. | |
"Das ändert man nicht dadurch, dass man das Verfahren erschwert." | |
Den Vorstoß des VNW bewertet Brandt als interessengeleitet. Er gehe am | |
Problem vorbei, wie aus der Antwort des Senats auf eine große Anfrage der | |
Linken von 2010 hervorgehe. Demnach sind seit 1998 nur zehn von 300 | |
Bebauungsplänen durch Bürgerbegehren oder -entscheide verändert oder | |
gestoppt worden. Zu 20 Bauanträgen für Wohnhäuser gab es Bürgerbegehren. 14 | |
hatten Erfolg. Zu vier Bauanträgen gab es Bürgerentscheide, die alle | |
erfolgreich waren. Dem stehen nach Schätzung von Mehr Demokratie 26.000 | |
Baugenehmigungen gegenüber. | |
5 Dec 2011 | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
## TAGS | |
Stadtentwicklung Hamburg | |
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