# taz.de -- Debatte Italien: Super-Mario macht es | |
> Mario Monti wird nicht müde, seine Regierung als eine des Übergangs zu | |
> präsentieren. Am Ende könnte er sich aber zum Präsidenten küren lassen. | |
Bild: Wären jetzt Wahlen in Italien, könnte Monti der lachende Sieger sein. | |
An Bescheidenheit mangelt es Mario Monti nicht. Der seit knapp einem Monat | |
amtierende italienische Regierungschef wird nicht müde zu betonen, er stehe | |
nur einer Technikerregierung vor. Einem Kabinett, das zum "kurzen, | |
temporären Dienst" berufen sei, "Italien zu retten" – und das keinerlei | |
weiterreichende Ambitionen habe. | |
Auch auf witzige Manier beherrscht der Ökonom und Ex-EU-Kommissar die | |
Ansage, er habe keinen weitergehenden Ehrgeiz. "Nennen Sie mich Professore | |
und nicht Presidente", rief er den Abgeordneten zu, "Präsidenten kommen und | |
gehen, Professoren bleiben." | |
Techniker, die am Notstand werkeln, natürlich völlig neutral gegenüber dem | |
die Regierung stützenden breiten Parteienbündnis von der Berlusconi-Rechten | |
über das mit Berlusconi verkrachte Mitte-rechts-Lager des "Dritten Pols" | |
zum gemäßigt linken Partito Democratico (PD): So präsentiert sich die | |
Monti-Mannschaft auch in der Sache. | |
Super-Mario unterstreicht gern, in seinem 30-Milliarden-Sparprogramm gebe | |
es "Elemente der Kontinuität ebenso wie der Diskontinuität" gegenüber der | |
Berlusconi-Regierung, und nach links versichert er, er habe "besonderes | |
Gewicht auf die Gerechtigkeit" der harten Schnitte gelegt. Nimmt man das | |
für bare Münze, dann scheint es so, als habe Monti der Parteienkonkurrenz | |
einfach eine Auszeit verordnet – und als könnten die Parteien dann bei den | |
Wahlen im April 2013 da weitermachen, wo sie beim Sturz Berlusconis im | |
November 2011 aufgehört hatten. | |
Das wäre eine gute Nachricht vor allem für Pier Luigi Bersani, Chef des | |
Partito Democratico. Der PD lag und liegt nicht nur in allen | |
Meinungsumfragen mit knapp 30 Prozent vor allen anderen Parteien; Bersani | |
war es in den Monaten der Agonie des Berlusconi-Bündnisses auch gelungen, | |
eine linke Wahlallianz zu schmieden. | |
Die stramm linke Partei "Linke, Ökologie, Freiheit" (SEL) unter Nichi | |
Vendola ebenso wie die Partei "Italien der Werte" (IdV) des gern als | |
Volkstribun auftretenden früheren Staatsanwalts Antonio Di Pietro hatte | |
Bersani ins Boot geholt; außerdem hatte er vielversprechende Kontakte zum | |
Dritten Pol um die christdemokratische Zentrumsunion unter Pier Ferdinando | |
Casini geknüpft. | |
Doch ausgerechnet der als bisher fast sicher geltende linke Wahlsieg beim | |
nächsten Urnengang könnte nun von der Regierung Monti durchkreuzt werden. | |
Denn ihr Sparprogramm ist alles andere als "neutral", und es trifft die | |
Parteien höchst unterschiedlich. Die Schnitte setzen – wie schon in den | |
vorher von Berlusconi aufgelegten Sparpaketen – vorrangig bei den unteren | |
und mittleren Einkommensgruppen an, mit Lohnsteuererhöhungen, mit | |
Rentenkürzungen, mit der Anhebung des Renteneintrittsalters, mit einem | |
kräftigen Aufschlag auf die Mineral- und mit der nächstes Jahr anstehenden | |
Mehrwertsteuererhöhung. | |
Dagegen konnte die Berlusconi-Rechte erfolgreich die Erhöhung des | |
Spitzensatzes der Einkommenssteuer ebenso verhindern wie die Einführung | |
einer Vermögenssteuer. | |
## Mitte-links zerstritten | |
Und der PD? Er ballt die Faust in der Tasche. Bersanis Truppe mag sich | |
weiterhin darüber freuen, dass die unpräsentable Rechte Berlusconis | |
gescheitert ist – doch nun muss sie die saubere, manierliche, international | |
respektierte Rechte unter Monti stützen. | |
Die Folgen sind bisweilen paradox. Am Montag streikten die Gewerkschaften | |
drei Stunden im ganzen Land – und zu ihren Kundgebungen kamen auch | |
prominente PD-Vertreter. Seite an Seite mit den Gewerkschaftern | |
protestierten sie gegen jenes "ungerechte, unausgewogene, rezessive" | |
Sparprogramm, das sie dann in den nächsten Tagen im Parlament notgedrungen | |
absegnen werden. | |
Doch der PD muss sich nicht nur Sorgen um die Glaubwürdigkeit beim eigenen | |
Anhang machen. Auch die mühsam geschmiedete Linksallianz zeigt tiefe Risse. | |
Antonio Di Pietros IdV wird im Parlament gegen Montis Sparpaket stimmen, | |
und die SEL – sie ist gegenwärtig nicht im Parlament vertreten – hat | |
ebenfalls ihre Opposition verkündet. | |
Als wäre das nicht genug, hat Bersani auch auf die innere Zerrissenheit | |
seiner eigenen Partei nicht den Hauch einer Antwort. Sein Vorgänger Walter | |
Veltroni ebenso wie diverse wirtschaftsliberale und katholische | |
Partei-Granden nämlich geben sich als glühende Befürworter Montis – und | |
wollen auch dessen schon angekündigte Eingriffe ins Arbeitsrecht, beginnend | |
beim Kündigungsschutz, mittragen. So präsentiert sich der PD wieder mal als | |
Schiff ohne Kurs - und mehr noch: als mögliches Opfer für Freibeuter. | |
## Das Erbe Berlusconis | |
Der im Mitte-rechts-Spektrum angesiedelte Dritte Pol nämlich hat die | |
Regierung Monti als seine große Chance ausgemacht: als Inkarnation jener | |
"sauberen" Rechten, die das Erbe Berlusconis antreten könnte. Entsprechend | |
begeistert sind die Töne des Vorsitzenden der christdemokratischen UDC, | |
Pier Ferdinando Casini, der Tag für Tag bekundet, er stütze Monti "ohne | |
Wenn und Aber". | |
Das Kalkül Casinis liegt auf der Hand. Am Ende, so hofft er, könnte sich im | |
April 2013 ein Bündnis präsentieren, in dem der Dritte Pol Teile des | |
bisherigen Berlusconi-Lagers ebenso wie den rechten Flügel des PD vereint. | |
Die Linke, erneut gespalten und auf einen Rest-PD reduziert, könnte dann | |
gar zur marginalen Größe in der italienischen Parteienlandschaft werden. | |
Und Ministerpräsident Mario Monti hätte die Wahl: Er wäre der ideale | |
Spitzenkandidat bei den Wahlen – oder er könnte dafür optieren, sich | |
stattdessen zum Staatspräsidenten und damit zum Übervater jener Dritten | |
Republik küren zu lassen, die mit ihm anbräche. | |
Einer Dritten Republik, die für sich beanspruchen könnte, dem Populismus | |
der Berlusconi-Rechten ebenso wie der Lega Nord ein Ende bereitet zu haben. | |
Einer Dritten Republik aber auch, die wieder an die bis 1992 existierende | |
Erste Republik anknüpfen würde, mit einem Parteiengefüge, das Regierungen | |
des Landes nur aus einer alles dominierenden rechten Mitte heraus möglich | |
erscheinen lässt. Unrealistisch ist dieses Szenario nicht – nicht zuletzt, | |
weil dem PD bisher schier gar nichts eingefallen ist, wie er diese | |
Entwicklung stoppen könnte. | |
20 Dec 2011 | |
## AUTOREN | |
Michael Braun | |
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