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# taz.de -- Gefährliche Schönheitschirurgie mit Silikon: "Zeitbomben in meine…
> Frankreichs Gesundheitsministerium ruft 30.000 Frauen dazu auf,
> gefährliche Brustimplantate der südfranzösischen Firma PIP wieder
> entfernen zu lassen. Sie seien hoch gefährlich.
Bild: Was ist echt? Was ist gefährlich?
PARIS taz | Zum ersten Mal in der Geschichte der Medizin sollen in
Frankreich 30.000 Frauen von den Gesundheitsbehörden aufgerufen werden,
vorsichtshalber ihre Brustimplantate wieder entfernen zu lassen. Der Aufruf
bezieht sich ausschließlich auf die ab 2001 hergestellten, mit Silikongel
gefüllten Kissen der südfranzösischen Firma PIP (Poly Implant Prothèse) in
Marseille.
PIP verwendete unter Umgehung der Vorschriften ein Gel für Industriezwecke,
das nicht für eine medizinische Verwendung bestimmt und zugelassen war. Die
Folgen sind alarmierend: Die PIP-Implantate sind viel weniger
widerstandsfähig und können relativ leicht platzen. Das dabei austretende
Gel hat in mehreren Fällen schwere Entzündungen verursacht.
Seit dem Tod der Patientin Edwige L. wächst außerdem der Verdacht, dass
diese defekten Implantate zu einem erhöhten Krebsrisiko führen können.
Bisher wurden acht Fälle gemeldet, in denen ein solcher Zusammenhang
vermutet wird. Eine direkte Verbindung ist allerdings schwer zu beweisen.
## Auch nach Deutschland exportiert
Das Problem betrifft nicht nur Frankreich. Die potenziell gefährlichen
Produkte wurden in Nachbarländer exportiert, unter anderem auch nach
Deutschland. Seit Anfang 2010 ist ihr Verkauf und ihre Verwendung verboten.
Gegen die Firma PIP, die Konkurs angemeldet hat, läuft ein Strafverfahren
wegen Betrugs und fahrlässiger Körperverletzung mit Todesfolgen.
Mittlerweile haben 2.000 Opfer Klage eingereicht. Mehr als 500 haben sich
nach aufgetretenen Problemen oder aus Angst vor Gesundheitsschäden einer
neuen Operation unterzogen.
Bei einer Krisensitzung einigten sich nun die Gesundheitsdirektion, die
französische Arzneimittelkontrolle mit dem Verband der Schönheitschirurgen,
der Vorsitzenden des Nationalen Krebsinstituts (INCA) und Vertreterinnen
der inzwischen organisierten Betroffenen auf einen umfassenden "Rückruf"
aller verkauften Produkte. Eine solche Maßnahme kannte man bisher nur bei
Motoren von störanfälligen Autos.
## Entfernung der Implantate sei kein Notfall
Die Vorbereitung dieser Präventivkampagne bereitet enorme organisatorische
und finanzielle Probleme. Vor unnötiger Panik möchte Jean-Yves Grall, der
Chef der staatlichen Gesundheitsdirektion, warnen: "Wir wollen nicht Angst
machen oder die (betroffenen) Frauen unnötig zusätzlich beunruhigen. Die
Entfernung dieser Implantate ist kein Notfall." Bis vor Kurzem rieten die
Gesundheitsbehörden nur dann zu einer "Explantation", wenn bei einem
Ultraschall der Verdacht aufkam, dass eines der Kissen undicht geworden
war.
Jetzt aber ergeht der Appell an alle Trägerinnen dieser PIP-Kissen. Viele
von ihnen wissen aber (noch) gar nicht, dass sie auch zu dieser
Risikogruppe gehören. Fest steht bereits, dass nur bei der verschwindenden
Minderheit der Frauen, die nach einer Krebsoperation die Implantate
erhalten haben, auch die Zusatzkosten für die Ersatzprodukte von der
öffentlichen Krankenkasse übernommen werden.
Linda, 37, war bisher eher stolz auf ihre neue Silhouette. Als sie vom
PIP-Skandal erfuhr, berichtete sie der Tageszeitung Libération, schaute sie
sicherheitshalber ihre OP-Unterlagen durch. Seither hat sie Angst, denn
auch sie erhielt die PIP-Fabrikate: "Mein Arzt hat mir gesagt, ich solle
mir keine Sorgen machen. Ich aber habe das Gefühl, zwei Zeitbomben in
meiner Brust herumzutragen."
## Chirurgen sehen sich als Opfer
Nicht weniger aufgebracht ist Sandrine, die dem Onlinemagazin "rue89"
sagte: "Am liebsten würde ich diese Scheißimplantate meinem Arzt ins Maul
stopfen!" Sandrine erfüllte sich mit 25, nachdem sie jahrelang an einer
Hypertrophie ihrer Oberweite gelitten hatte, den Traum von einer normalen
Brust. Im Januar wird sie nun die PIP-Silikonkissen durch andere ersetzen
lassen. Empört ist sie, weil ihr Chirurg dafür nochmals 2.500 Euro kassiert
und das auch noch als "Vorzugstarif" bezeichnet.
Als Opfer des Betrugs durch die Firma PIP betrachten sich aber auch die
Schönheitschirurgen, deren Umsatz mit künstlichen Brüsten seit Jahresbeginn
um mindestens 20 Prozent geschrumpft sein soll. Nach mehreren
Heilmittelskandalen, wie zuletzt beim "Mediator" des französischen
Pharmalabors Servier, stellt sich nun auch hinsichtlich der medizinischen
"Ersatzteile" die Frage der öffentlichen Aufsicht und Qualitätskontrolle.
20 Dec 2011
## AUTOREN
Rudolf Balmer
## TAGS
Schönheitschirurgie
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