# taz.de -- Verkäuferinnen sollen BH-Größe zeigen: Blöße durch Größe | |
> Schwedische Dessous-Verkäuferinnen müssen während der Arbeit ihre | |
> BH-Größe auf dem Namensschild preisgeben. Jetzt klagt die Gewerkschaft | |
> wegen Diskriminierung. | |
Bild: 75 C, 80 D - Zahlen bitte, liebe Mitarbeiterinnen! | |
STOCKHOLM taz | Darf ein Arbeitgeber von seinen weiblichen Angestellten | |
verlangen, Schilder zu tragen, auf denen sie Brustumfang und BH-Grösse | |
öffentlich kundtun müssen? Diese Frage beschäftigt nun die schwedische | |
Arbeitsgerichtsbarkeit. Klägerin ist die ehemalige Verkäuferin einer | |
Filiale von "Change of Scandinavia", einer skandinavischen Dessous-Marke | |
mit weltweit über 150 Läden, die auch in Deutschland vertreten ist. | |
Bei ihrer Anstellung im Jahre 2009 erhielt die Frau ein Namensschild, auf | |
dem auch Brustumfang und BH-Grösse vermerkt waren. Solche Angaben seien als | |
Service gedacht, erklärte Change-CEO Susann Haglund. Eine Art | |
"Wiedererkennungseffekt" zur besseren Orientierung sei beabsichtigt: "Aha, | |
das ist also 75C". Die Angestellten empfänden diese Schilder als positiv. | |
Die Anregung hierzu sei sogar aus ihren Reihen selbst gekommen. Ausserdem | |
sei das Tragen der Namensschilder mit diesen Angaben freiwillig. | |
Eine Behauptung, die laut der von der Handelsgewerkschaft rechtlich | |
vertretenen Ex-Angestellten nicht stimmt. Als sie darauf hingewiesen habe, | |
sie empfinde dieses Schild als kränkend und unbehaglich, habe man ihr | |
geantwortet, es müsse immer getragen werden. Es habe auch entsprechende | |
schriftliche Personalvorschriften gegeben. Ausserdem sei ein Bonussystem | |
Teil des Lohns ein Bonussystem gewesen, das auf Angaben von Testkäufern | |
beruht habe. Verkäuferinnen, die KundInnen ohne dieses Schild bedient | |
hätten, seien mit Punktabzug "bestraft" worden. | |
Die "Freiwilligkeit" bestreitet auch die Gewerkschaft. Man habe | |
Verkaufspersonal anderer Dessous-Ketten befragt. Und die hätten solche | |
Schilder mehrheitlich empört abgelehnt. Es sei wohl kaum möglich, dass | |
Change-Verkäuferinnen so ganz anders ticken würden. Vielmehr stecke wohl | |
Angst um den Arbeitsplatz dahinter, wenn das weithin akzeptiert werde. Auch | |
das "Service"-Argument kann man bei der Gewerkschaft nicht nachvollziehen. | |
## Für jede Größe eine Verkäuferin | |
Dann müsse es ja in jedem Laden soviele Verkäuferinnen mit jeweils | |
unterschiedlicher Figur geben, wie es BH-Grössen gebe, meint Anna | |
Filipsson, Chefredakteurin der Gewerkschaftszeitung Handelsnytt: "Bei | |
Change wären das dann 86." – "Nein, das ist nur erniedrigend. Etwas das | |
privat bleiben sollte, wird ausgebeutet", meint Filipsson: "Manche | |
Unternehmen scheinen zu glauben, ihr Personal sei ihr Eigentum." In ihrer | |
jetzigen Klage sieht die Gewerkschaft einen Verstoß gegen den Tarifvertrag | |
und die guten Sitten. | |
Außerdem stelle der Schildchenzwang eine Diskriminierung der Frauen | |
aufgrund ihres Geschlechts dar. Das männliche Verkaufspersonal müsse | |
schliesslich auch nicht mit Unterwäschegrösse oder bestimmten Körpermaßen | |
hausieren gehen. Für die Ex-Verkäuferin wird ein Schadensersatz von | |
umgerechnet rund 28.000 Euro gefordert. Und Gewerkschaftsjuristin Annika | |
Ewerblad erwartet einen "sehr interessanten Grundsatzprozess zu Grenzen im | |
Arbeitgeber-Angestellten-Verhältnis". | |
18 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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