# taz.de -- Schutz des nationalen Hoheitsgebiets: Argentinien erschwert Landraub | |
> Hedgefonds und Ausländer sollen nicht mehr als 15 Prozent des Ackerlandes | |
> kaufen dürfen. Der neue argentinische Gesetzentwurf lässt jedoch | |
> verschiedene Schlupflöcher. | |
Bild: Südamerikanisches Spekulationsobjekt: Ackerland. | |
BUENOS AIRES taz | Die argentinische Regierung will dem Verkauf von Land an | |
ausländische Personen und vor allem an finanzkräftige Multis und | |
Investmentfonds einen Riegel vorschieben. | |
Am späten Mittwoch sollte der Senat eine Gesetzesvorlage von Präsidentin | |
Cristina Kirchner verabschieden, die den "Schutz des nationalen | |
Hoheitsgebiets beim Eigentum, Besitz oder Teilhabe an landwirtschaftlichen | |
Ländereien" vorsieht. Ein Ja des Gremiums galt als sicher, da die Regierung | |
die Mehrheit stellt; das Abgeordnetenhaus hat bereits zugestimmt. | |
Weltweit kaufen immer mehr reiche Staaten, aber auch Hedgefonds und andere | |
Anleger fruchtbares Ackerland in anderen Staaten, um den | |
Nahrungsmittelnachschub für die eigene Bevölkerung zu sichern, Anbauflächen | |
für sogenannte Energiepflanzen zu generieren - oder auch um damit zu | |
spekulieren. | |
In Argentinien befinden sich bereits zehn Prozent des Hoheitsgebiets in | |
ausländischen Händen, berichtet die Ernährungs- und | |
Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, FAO. | |
## Land als nicht erneuerbaren Ressource | |
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass künftig nicht mehr als 15 Prozent der | |
ländlichen Fläche in ausländisches Eigentum übergehen dürfen. Die | |
Obergrenze für einzelne ausländische Käufer soll bei 1.000 Hektar | |
landwirtschaftlicher Fläche liegen. Das Gesetz gilt nicht rückwirkend. | |
Um die von Argentinien unterzeichneten internationalen | |
Investitionsschutzabkommen nicht zu verletzen, wird der Erwerb von Land | |
zukünftig nicht mehr als Investition, sondern als Kauf einer "nicht | |
erneuerbaren Ressource" definiert. | |
Vorgesehen ist die Schaffung einer zentralen, nationalen Katasteramtes. Die | |
vorhandenen Register auf Provinz- und Gemeindeebene sind nicht selten | |
lückenhaft. "Wir wissen nicht, welche die Firmen heute beispielsweise | |
Eigentümer von landwirtschaftlichen Flächen sind, und wenn es sich um | |
Aktiengesellschaften handelt, welche konkreten Personen die Anteile | |
halten", so Justizminister Julio Alak. | |
## Filz aus Politik, Wirtschaft, Großgrundbesitz und Justiz | |
Allerdings gibt es schon jetzt Streit zwischen der Zentralregierung und den | |
Provinzen darüber, was landwirtschaftliche Nutzflächen sind. Unklar ist | |
auch, ob das Gesetz die Verfügung über natürliche Ressourcen berührt. Die | |
gehören in Argentinien verfassungsrechtlich den Provinzen, in denen sie | |
sich befinden. Und dort hat der Filz aus Politik, Wirtschaft, | |
Großgrundbesitz und Justiz kein großes Interesse daran, dass die Regierung | |
in Buenos Aires die Eigentumsverhältnisse überprüft. | |
Und es gibt auch Möglichkeiten, das Gesetz legal zu umgehen. So hatte die | |
Provinz in Patagonien mit der chinesischen Staatsfirma Heilongjiang | |
Beidahuang Nongken Group ein Investitionsabkommen über 1,5 Milliarden | |
Dollar vereinbart. Danach stellt die Provinz dem Agrarkonzern 330.000 | |
Hektar Land zur Verfügung, der dafür ein Bewässerungssystem anlegt, eine | |
Ölraffinerie errichtet und die Hafenanlagen bei San Antonio Oeste ausbaut. | |
Im Gegenzug haben die Chinesen 20 Jahre lang das Vorrecht, alles zu kaufen | |
und nach China zu exportieren, was auf den 330.000 Hektar geerntet wird. | |
Dies wird zu einem Großteil Soja sein. Der Oberste Gerichtshof der Provinz | |
hat das Abkommen im Dezember 2011 zwar vorläufig außer Kraft gesetzt, und | |
derzeit ist offen, ob es umgesetzt wird. Es zeigt jedoch die Richtung an, | |
in die künftige Vereinbarungen mit ausländischen Investoren gehen könnten. | |
21 Dec 2011 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Vogt | |
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