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# taz.de -- Debatte Syrien: UN-Resolution als taktische Maßnahme?
> Es gibt Anzeichen dafür, dass Russland jetzt auf Distanz zum Mörderregime
> in Damaskus geht. Aber auch der Westen und die arabischen Länder müssen
> helfen.
Russlands überraschende Vorlage eines Resolutionsentwurfs im
UN-Sicherheitsrat wird von einigen als erstes Zeichen einer Distanzierung
vom Assad-Regime interpretiert. Für andere sieht es eher nach einer
taktischen Maßnahme aus, um effektivere Maßnahmen der internationalen
Gemeinschaft zu verhindern. Klar ist, dass Russland handeln musste. Mehr
als zehn Wochen nach seinem Veto und nach weiteren über 2.000 Toten hat es
hoffentlich seine Lektion gelernt: Assad zu schützen führte ausschließlich
zu einer Brutalisierung seines Regimes und hat Syrien unberechenbarer
gemacht.
Die jüngste Entscheidung des Kreml könnte sich für die Bemühungen, die
Gewalt zu beenden und das Assad Regime zu isolieren, als entscheidend
herausstellen. Russlands Engagement für eine Übergangslösung nach dem
Assad-Regime könnte ein klares Zeichen für wichtige Minderheiten sein und
das Land stabilisieren. Es ist daher an der Zeit für einen neuen
internationalen Pakt unter Einschluss Russlands.
Russland ist möglicherweise die beste Wahl, um Assad und seiner Sippe
nahezulegen, Syrien jetzt zu verlassen. Alternativ könnten Russlands starke
militärische Beziehungen von Nutzen sein, um wichtige alawitische Vertreter
der Sicherheitskräfte davon zu überzeugen, Assad abzusetzen und sich dem
Übergang zu einem wirklich demokratischen Syrien zu verpflichten.
Auch die Russisch-Orthodoxe Kirche hat enge historische Verbindungen zu
Syriens christlicher Gemeinschaft, die vorwiegend in den zwei größten und
wichtigsten Städten, Damaskus und Aleppo, lebt. Fast 70 Prozent der
syrischen Christen folgen der russischen Kirche und ihrem Anführer,
Patriarch Kyrill, der im November Damaskus besuchte, um die Gewalt zu
beenden. Die kontinuierlichen Bemühungen der Kirche, dürften der beste Weg
sein, das Vertrauen der syrischen Christen in einen Veränderungsprozess
ihres Landes zu stärken.
## Russlands Skepsis gegenüber UN-Resolutionen
Die Frage aber bleibt: Wie können Russland, Syriens Opposition, wichtige
arabische Staaten, die Türkei, USA und Europa in Hinblick auf Syrien
zusammenarbeiten? Noch wichtiger: Wie kann Russland davon überzeugt werden,
dass seine strategischen Interessen besser bedient wären, wenn es sich auf
die Zeit nach dem Ende des 41-jährigen Baath-Regimes vorbereitet?
In einer Zeit, in der Moskau seine eigene Protestbewegung erlebt und Putin
Washington dafür verantwortlich macht, scheint die diplomatische Stimmung
nicht gerade ideal für Zusammenarbeit im Fall des strategisch wichtigen
Syrien. Dazu kommt Russlands tiefe Skepsis gegenüber UN-Mandaten zum Schutz
von Zivilisten wie in Libyen sowie der Verdacht, dass mit humanitären
Argumenten eine Politik des regime change gegenüber seinen Verbündeten und
sogar in Russland selbst verfolgt wird. All dies lässt einen
internationalen Pakt zu Syrien unter Einschluss Russland unwahrscheinlich
erscheinen.
Trotzdem ist Russlands Vorlage einer eigenen UN-Resolution ein erster
vorsichtiger Schritt in Richtung Zusammenarbeit, vor allem mit der
arabischen Welt. Den Text durch Aufnahme des Friedensplans der Arabischen
Liga zu verbessern, sollte der nächste Schritt sein.
## Opposition gleich Regime?
Der jetzige russische Entwurf verdeutlicht das Andauern von
Fehleinschätzungen. Die Brutalität des Regimes wird immer noch mit dem
überwiegend friedlichen Kampf der Mehrheit der hunderttausenden
Protestierenden gleichgesetzt. Der vor Kurzem erschienene Bericht der
unabhängigen Kommission des UN-Menschenrechtsrat und andere Berichte
internationaler Menschenrechtsorganisationen führen willkürliche Tötungen,
Folter und andere Vergehen, die als Verbrechen gegen die Menschlichkeit
eingestuft werden, in Verbindung mit den syrischen Sicherheitskräften an.
Die Berichte zeigen deutlich, dass es weder eine praktische noch eine
moralische Gleichwertigkeit zwischen dem Handeln des Regimes und dem der
Protestierenden gibt.
Russland muss außerdem seine totale Ablehnung der Sanktionen überdenken,
die die Arabische Liga bei Nichteinhaltung ihrer Forderungen beschlossenen
hat. Das Regime benutzt schon wieder die altbekannte Verzögerungstaktik
beim Rückzug der Streitkräfte aus den großen Städten und Ortschaften, in
denen Menschenrechtsbeobachter und internationale Medien zugelassen werden
sollen.
Dialog und nicht Konfrontation mit Moskau ist der beste Weg nach vorne, was
Syrien betrifft. Bis heute gab es aber keine ernsthaften Bemühungen, sich
mit Russland über die andauernde Krise und seine strategischen
Langzeitinteressen in der sich verändernden Region des Nahen und Mittleren
Ostens zu unterhalten. Insbesondere die arabischen Staaten müssen sich mit
Russland auseinandersetzen, statt darauf zu hoffen, dass Isolation zu einem
Kurswechsel führt. Saudi-Arabien wäre besonders geeignet dafür. Die beiden
Staaten haben langjährige Beziehungen (die Sowjetunion war 1932 der erste
Staat, der Saudi-Arabien anerkannte), und seitdem Wladimir Putin 2007 als
erster russischer Staatschef das Königreich besuchte, haben sie ihre
bilaterale Kooperation und die Handelsbeziehungen ausgebaut.
## Ägypten und die Saudis
Das neue Ägypten könnte seinerseits eine Vertiefung des 2009er Vertrags zu
strategischen Partnerschaften mit Moskau anstreben. Dieser sah verstärkte
bilaterale Zusammenarbeit in Wissenschaft, Bildung und Tourismus vor -
Russen machen den größten Anteil der Touristen in Ägypten aus. Gespräche
über künftige Zusammenarbeit mit anderen arabischen Ländern, sollten Moskau
davon überzeugen, dass es auch nach Assad dauerhafte Beziehungen mit
Schlüsselstaaten in der Region aufbauen kann.
Im neunten Monat der Volksaufstände ist die Situation in Syrien kurz davor
außer Kontrolle zu geraten. Sofortiges Handeln ist erforderlich, um ein
Blutbad in Syrien abzuwenden. Schon bald werden die Diplomaten der UN und
ihre Regierungschefs wenig Einfluss mehr auf das Geschehen innerhalb des
Landes ausüben können. Noch gäbe es die Chance zum Handeln. Moskau muss
diese Chance ergreifen.
23 Dec 2011
## AUTOREN
Salman Shaikh
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