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# taz.de -- Fußball-EM 2012: Der Titel muss her
> Joachim Löw hat den Deutschen das schöne Spiel nahegebracht. Der Aufbau
> der Mannschaft ist abgeschlossen. Jetzt ist Schluss mit lustig, am Ende
> zählt nur das Siegerpodest.
Bild: Haben alle Quali-Spiele für die EM 2012 gewonnen: Manuel Neuer und Thoma…
BERLIN taz | Im März wird der Deutsche Fußball-Bund einen neuen Präsidenten
haben. Theo Zwanziger, über dessen Rücktritt sich viele zunächst gewundert
und dann gefreut hatten, wird als ein weicher Verbandschef in die
Geschichte eingehen. Ihm war die soziale Verantwortung des Riesenverbands
oft ein größeres Anliegen als dessen Aushängeschild, die
Nationalmannschaft.
Die ist inzwischen so gut, dass sie beinahe immer genannt wird, wenn nach
den Favoriten für die EM 2012 gefragt wird. Doch einem wie Zwanziger geht
es nicht um den Pott. Kurz vor Jahreswechsel hat er noch einmal
klargestellt: "Erfolg heißt für mich, schönen Fußball zu spielen."
Ein Titel sei zwar schön, aber nicht so wichtig. Für viele ist er damit
schon jetzt, was er ab März zumindest im DFB tatsächlich sein wird, ein
Mann von gestern.Denn natürlich geht es längst um den Titel. Die Zeit des
Aufbauens ist vorbei. Noch vor eineinhalb Jahren durfte die deutsche
Auswahl in Südafrika von sich sagen, sie sei zum Lernen da.
## Schnell und flach nach vorne
Der jungen Sportgruppe, die erstmals seit Langem ohne Michael Ballack
auskommen musste, wurde das zugestanden. Vorbei. Bundestrainer Joachim Löw
durfte seit 2006 - ein Verdienst von Theo Zwanziger übrigens, dass er es
durfte - an einer Idee vom Spiel basteln. Jetzt muss er beweisen, dass sie
funktioniert.
Bälle flach und schnell nach vorne spielen, den präzisen Pässen in
Sprintgeschwindigkeit nachlaufen und sie sicher und wieder schnell
verarbeiten - es ist noch nicht lange her, da konnte sich kaum einer
vorstellen, dass eine deutsche Nationalmannschaft mehr will als irgendwie
gewinnen. Löw hat den Deutschen gezeigt, dass Spielen Spaß machen kann.
Seine Hauptaufmerksamkeit gilt der Entwicklung eines offensiven Spiels. Die
Abwehr, das war immer Löws Meinung, lässt sich in der unmittelbaren
Turniervorbereitung im Trainingsbetrieb stabilisieren. Mit dem Spiel nach
vorne sollen die Deutschen der Welt Vergnügen bereiten. Doch jetzt ist
Schluss mit lustig. Es geht um den Titel.
## "Das Maß aller Dinge"
Die deutsche Auswahl hat alle Qualifikationsspiele für die EM gewonnen, hat
Brasilien in einem Testspiel ebenso an die Wand gespielt wie den
Weltranglisten-Zweiten aus den Niederlanden. Nur gegen eine Auswahl ist den
Deutschen nie gelungen, das umzusetzen, was ihr Trainer predigt - gegen
Spanien, das für Löw "noch immer das Maß aller Dinge ist".
Im WM-Halbfinale war die deutsche Offensive beinahe ebenso wenig präsent
wie im Endspiel der EM 2008. Längst wird erwartet, dass den Deutschen das
bei der EM in Polen und der Ukraine gelingt. Ob der Sieg dann schön
herausgespielt wird, ist da völlig zweitrangig.
Das erfolgreiche Spiel wird in diesen Fußballzeiten, in denen auch an den
Stammtischen über taktische Formationen philosophiert wird, ohnehin
ästhetisiert. Bis zum Halbfinale der WM in Südafrika war Deutschlands
Hurrafußball, wie er gegen England und Argentinien zelebriert wurde, das
Schönste, was das Turnier zu bieten hatte.
## Ballmonopolisierung
Spaniens zermürbende Ballbesitzorgien galten dann gegen Ende der WM als
Inbegriff des schönen Spiels. Wie sich die Europameister gegen Paraguay ins
Halbfinale des Turniers gewürgt hatten, war da längst vergessen. Hymnen auf
die Ballmonopolisierung wurden auch auf Louis van Gaals Bayern gesungen -
allerdings nur, solange sie erfolgreich waren.
Jürgen Klopps Meisterbubis mit ihrem laufintensiven
Präzisions-Kick-and-Rush gelten als überaus ansehnliche Variante des
Fußballspiels. Darüber hat sich indes keiner mehr gefreut, als feststand,
dass es für die Champions League nicht gut genug ist.
Theo Zwanziger wird nicht mehr Präsident des DFB sein, wenn es für die
Auswahl um die Wurst geht. Wenn es schlecht läuft im nächsten Jahr, wird
die deutsche Auswahl bereits nach dem letzten Vorrundenspiel gegen Dänemark
am 17. Juni in Lemberg mit Schimpf und Schande übergossen werden.
Sollte der EM-Favorit in der Gruppe an Portugal oder an den Niederlanden
scheitern, werden sich nur wenige darüber Gedanken machen, ob das Scheitern
schön war.
1 Jan 2012
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
## TAGS
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
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