# taz.de -- Rechtsterrorismus und Überwachung: Die Fahnder griffen nicht zu | |
> Ein Untersuchungsbericht zeigt, dass die Sicherheitsbehörden den | |
> Terroristen des "Nationalsozialistischen Untergrunds" früh auf den Fersen | |
> waren. | |
Bild: War laut "Spiegel" bis 2001 über Machenschaften und Pläne der NSU infor… | |
HAMBURG taz | Die Sicherheitsbehörden haben bei den Ermittlungen gegen das | |
Neonazi-Trio offenbar stärker versagt als bislang bekannt. Laut Spiegel war | |
der Thüringer Verfassungsschutz (VS) bis 2001 gut über Machenschaften und | |
Pläne von Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe informiert, sorgte | |
aber nicht dafür, dass sie festgenommen wurden. | |
Der Spiegel beruft sich auf einen geheimen Untersuchungsbericht, den das | |
Bundesamt für Verfassungsschutz vor Weihnachten der Bundesregierung, den | |
Mitgliedern des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestags und den | |
Bundesländern geschickt hat. | |
Aus dem Bericht geht demnach hervor, dass die Fahnder im Frühjahr 1999 | |
verlässliche Hinweise gehabt haben, dass die seit 1998 Untergetauchten sich | |
im Raum Chemnitz versteckten und bewaffnete Überfälle planten. Mehrmals | |
seien Verfassungsschützer ihnen auf die Spur gekommen, versäumten es aber | |
offenbar, die Ergreifung in die Wege zu leiten. | |
## "Operation Terzett" | |
Im Frühjahr 2000 führte laut Spiegel die "Operation Terzett" des VS aus | |
Thüringen und Sachsen zu einem Haus in der Chemnitzer Bernhardstraße, in | |
dem zwei mutmaßliche Unterstützer wohnten. Auch an anderen Orten sollen die | |
Untergetauchten um die Jahrtausendwende laut Bericht gesichtet worden sein | |
- ohne dass Ermittler zugriffen. | |
Von den kriminellen Machenschaften des Trios soll der VS auch früh gewusst | |
haben. Mit Geld aus Banküberfällen organisierte es das Leben im Untergrund | |
und plante seine Morde. Im April 2001 soll der Neonazi und V-Mann Tino | |
Brandt dem VS berichtetet haben, dass der NPD-Funktionär Ralf Wohlleben | |
Geldspenden aus der Szene für die drei ablehnte, weil sie "schon so viele | |
Sachen/Aktionen gemacht hätten". Zu der Zeit hatte das Trio mit seiner | |
Mordserie schon begonnen. Insgesamt fielen ihm zehn Menschen zum Opfer. | |
Die Aussage belastet Wohlleben erneut stark. Legt sie doch nahe, dass er | |
von den Überfällen wusste. Seit Ende November 2011 sitzt er in | |
Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft wirft dem ehemaligen | |
stellvertretendenden Vorsitzenden der NPD Thüringen vor, dem Trio eine | |
Waffe und Munition verschafft zu haben. Wohlleben, der zur mutmaßlichen | |
Tatzeit noch Parteifunktionär war, schweigt zu den Vorwürfen. | |
## 2.000 Mark für neue Pässe | |
Im Untersuchungsbericht wird auch ein früherer stellvertretender | |
Landesvorsitzender der NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten", | |
Carsten S., als Kontaktperson des Trios genannt. Er soll ihnen Geld | |
überwiesen haben. Der Verdacht dürfte die NPD-Bundesführung um Holger Apfel | |
beunruhigen. | |
Der Bericht bringt auch den Thüringer VS weiter in Bedrängnis. Erst Mitte | |
Dezember musste er einräumen, dass er versucht hatte, über seinen V-Mann | |
Tino Brandt dem Trio durch einen Mittelsmann zukommen zu lassen. | |
Es zeigt sich jetzt allerdings auch, dass offenbar nicht allein der | |
damalige Thüringer VS-Chef Helmut Roewer die Pannen verantwortet. Gern | |
verweisen die Sicherheitsbehörden auf ihn. 2000 wurde er suspendiert. 2001 | |
hatten die Informationen aber offensichtlich ebenso keine Konsequenz. | |
Nun gibt es erneut Forderungen nach einem Untersuchungsausschuss auch auf | |
Bundesebene. Unmut gibt es auch in Sachsen: "Es gleicht einem Stück aus dem | |
Tollhaus, dass ich als Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission | |
für das Landesamt für Verfassungsschutz Ermittlungsergebnisse aus der | |
Presse erfahre", sagt Kerstin Köditz von der Linkspartei. | |
1 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Andreas Speit | |
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