# taz.de -- Neues Ökosystem in der Antarktis entdeckt: Yetis im dunklen Eiswas… | |
> Ein internationales Forscherteam hat in tiefen arktischen Gewässern | |
> bislang unbekannte Yeti-Krabben und einen fahlen Oktopus entdeckt. Alles | |
> schart sich um heiße untermeerische Quellen. | |
Bild: Weiße Krabbler in der lichtlosen Tiefsee: Yeti-Krabben. | |
SAN FRANCISCO dpa | In der Tiefsee vor der Antarktis haben Forscher ein | |
neues, bizarres Ökosystem entdeckt. Unzählige Yeti-Krabben bedecken den | |
Seeboden dort unten lückenlos, auch einen vermutlich neuen Oktopus hat ein | |
ferngelenktes U-Boot fotografiert. | |
Das Leben findet sich rings um einige heiße untermeerische Quellen, aus | |
denen Wasser mit einer Temperatur von rund 380 Grad Celsius strömt - das | |
ist heißer als geschmolzenes Blei. Das große internationale Team um Alex | |
Rogers von der Universität in Oxford stellt seine Entdeckungen im Journal | |
"PLoS Biology" vor. | |
Die Gruppe ließ ihr mit Messgeräten und Kameras bestücktes U-Boot im Gebiet | |
der East Scotia Ridge östlich der Südspitze Südamerikas und nördlich der | |
Antarktis auf bis zu 2600 Meter herab. Die Bilder zeigten unter anderem | |
sogenannte Black Smoker ("Schwarze Raucher"). | |
## Oasen eines höchst spezialisierten Lebens | |
Diese mehrere Meter hohen Schlote wachsen vom Meeresboden empor. Aus ihnen | |
strömt heißes Wasser, das im Untergrund von Magma erhitzt wurde. Darin | |
gelöst sind Mineralien und andere Substanzen, es erscheint daher schwarz. | |
Beim Kontakt mit dem umgebenden Ozean - der hat Temperaturen nahe des | |
Gefrierpunktes - fallen die Mineralien aus und lassen die Schlote wachsen. | |
In der Weite des immer dunklen und kalten Meeresbodens entstehen durch | |
diese hydrothermalen Quellen Oasen eines höchst spezialisierte Lebens. | |
Rogers und seine Kollegen fanden in 2,4 Kilometern Tiefe etwa tausende | |
blasser Krabben, die den Boden als dichter Teppich bedecken. Sie werden zu | |
den Yeti-Krabben gezählt, von denen bislang überhaupt nur eine Art bekannt | |
ist. | |
Die Felsen sind an vielen Stellen mit einer dicken Matte aus | |
Mikroorganismen bewachsen. Sie profitieren von den zahlreichen Substanzen | |
und der Wärme, die mit den Quellen ins Wasser gelangen. In einer Erklärung | |
spricht Rogers von einer "heißen, dunklen und verlorenen Welt" voller | |
unbekannter Arten. | |
## Lebensgemeinschaften | |
"Was wir nicht gefunden haben, ist genauso überraschend wie das, was wir | |
entdeckten", ergänzte der Biologe. Denn viele Tiere, die sich an | |
hydrothermalen Quellen in anderen Ozeanen finden, kommen in dem neu | |
beschriebenen Ökosystem in der Antarktis nicht vor. | |
Dazu zählen Würmer, Muscheln, einige Krabben und Garnelen. Daraus schließen | |
die Forscher, dass die Lebensgemeinschaften rings um die heißen Quellen | |
weit vielfältiger sind als bisher angenommen. | |
Die Kameras erspähten in der Tiefe auch einen bisher nicht beschriebenen | |
räuberischen Seestern mit sieben Armen. Er wanderte über ein Feld mit | |
Seepocken, die an Stielen wachsen - Seepocken gehören zur großen Gruppe der | |
Krebse. Hinzu kamen zahlreiche Napfschnecken und Seeanemonen. | |
## Rückgriff auf chemische Energie | |
Das abgeschiedene Leben in der Tiefsee erscheint mitunter so fremd wie das | |
von einem anderen Planeten. In der lichtlosen Tiefe liefert die Sonne keine | |
Energie. Die Organismen greifen auf chemische Energie zurück, um ihre | |
Kohlenhydrate und andere lebensnotwendige Substanzen aufzubauen. | |
In Anlehnung an die Photosynthese auf der Erdoberfläche sprechen Forscher | |
von der Chemosynthese. Die damit wachsenden Bakterien bilden die Grundlage | |
der weitgehend isolierten Ökosysteme. | |
4 Jan 2012 | |
## TAGS | |
Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung | |
Reiseland Chile | |
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