# taz.de -- Forscher bohren See unter Antarktiseis an: Wostoks Genealogien | |
> Russsische Wissenschaftler suchen unter dem ewigen Eis nach 15 bis 20 | |
> Millionen Jahren alten Mikroorganismen. Man hofft auf neue Erkenntisse | |
> über das Klima und die Erdentstehung. | |
Bild: Ein russsisches Forscherteam sucht im Wostocksee nach unbekannten Mikroor… | |
STOCKHOLM taz | Vermutlich kein "Ungeheuer von Loch Wostok", aber | |
möglicherweise 15 bis 20 Millionen Jahre alte Mikroorganismen: Das könnte | |
sich in dem fast 4 km unter dem Antarktis-Eis liegenden See verbergen, den | |
russische Wissenschaftler nun angebohrt haben. | |
Seit Millionen Jahren isoliert unter dem Siegel einer dicken Eisschicht und | |
damit vom Rest des Lebens auf der Erde, hofft man hier neue Erkenntnisse | |
über Klima, die biologische Entwicklung oder gar die Erdentstehung zu | |
gewinnen. | |
Wostok, mit 15.000 qkm etwa halb so gross wie der russische Baikalsee, ist | |
der grösste der unter dem Antarktis-Eis liegenden Seen. Mit Radarmessungen | |
auf die Spur gekommen waren russische Forscher ihm schon Anfang der 1960er | |
Jahre. 1996 bestätigte Satellitenradar seine Konturen. Mittlerweile sind | |
mehr als 150 solcher subglazialer Antarktis-Seen entdeckt worden. | |
In den 1980er Jahren begannen die Versuche sich zu Wostok durchzubohren. | |
1998 wurde aufgrund einer internationalen Vereinbarung eine Bohrung in | |
3.600 Meter Tiefe gestoppt, weil die damalige Bohrtechnik - Bohrlöcher | |
wurden mit Frostschutzmittel, Kerosin und Chemikalien offen gehalten - eine | |
Kontaminierung des Sees bedeutet hätte. 2005 wurden die Bohrversuche mit | |
neuer Technik wieder aufgenommen. | |
## Fast 4 Kilometer tiefe Thermal-Bohrung | |
Die obersten 3 Kilometer, die aus festem Eis bestehen, werden als relativ | |
problemlos beschrieben. In den darunter liegenden Eisschichten nähert sich | |
die Temperatur dem Eis-Schmelzpunkt. "Dann beginnen die Schwierigkeiten", | |
erklärte Valery Lukin, Chef der russischen Antarktisexpedition in einem | |
Rundfunkinterview. | |
Offenbar mit Hilfe einer Thermal-Bohrung - "ich will Einzelheiten nicht | |
diskutieren" (Lukin) - konnte das russische Team von Mitte Januar bis | |
Anfang dieser Woche die letzte Etappe bis zur Oberfläche des Wostok-See in | |
3.768 Meter Tiefe "aufschmelzen". Nach dem Durchbruch liess man dann Wasser | |
im Bohrloch aufsteigen und gefrieren. Zu Beginn der nächsten | |
Forschungssaison im Dezember 2012 will man diesen "Pfropfen" hochholen und | |
analysieren. | |
Damit habe man jedes Risiko einer Verunreinigung des Sees vermieden, wehrt | |
sich Lukin gegen Kritik an dem Projekt. Die russischen Forscher planen | |
schon den nächsten Schritt: Ein Tauchroboter soll Sedimentproben vom Grund | |
des Wostok-Sees aufsammeln. | |
9 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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