Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Karawane reist nach Syrien: "Der Opposition etwas schuldig"
> Adel Buni und Friederike Fuchs wollen mit einer "Karawane der Freiheit"
> nach Syrien reisen. Für Samstag rufen sie zu einer Kundgebung vors
> Brandenburger Tor.
Bild: Klare Botschaft an der syrischen Botschaft in Berlin.
taz: Herr Buni, Frau Fuchs, Sie starten am Dienstag zu einer "Karawane der
Freiheit" nach Syrien. Wie hat man sich das vorzustellen?
Friederike Fuchs: Wir werden mit dem Flugzeug von Berlin nach Gaziantep
fliegen, im Süden der Türkei. Von da werden wir mit Bussen in ein
Protestcamp an der Grenze zu Syrien gefahren. Dort wollen wir eine Woche
bleiben.
Adel Buni: Andere werden mit Zügen oder Autos anreisen. Aus den
Nachbarländern, aus Europa, einige sogar aus den USA und Australien.
Woher stammt die Idee zu der Karawane?
Buni: Von Exilsyriern aus Kairo. Über Facebook wurde dann international zur
Teilnahme aufgerufen.
Fuchs: Für uns war schon vor Wochen klar, dass wir mitreisen. Die Karawane
ist eine große Chance, öffentlich auf die dramatische Situation der
Menschen in dem abgeschotteten Land hinzuweisen.
Wie viele Teilnehmer werden voraussichtlich aus Deutschland anreisen?
Fuchs: Schwer zu sagen. Wir wissen noch von einem Berliner.
Buni: Die Frage werden wir wohl erst vor Ort beantworten können. Viele
haben Angst, ihre Teilnahme vorher öffentlich zu machen. 50 Jahre
Unterdrückung hinterlassen doch Spuren.
Was, glauben Sie, kann die Karawane bewirken?
Fuchs: Moralische Unterstützung für die Menschen, die in Syrien
mittlerweile unter extremen Bedingungen für Freiheit und Würde kämpfen. Es
geht um das Zeichen: Wir lassen euch nicht allein.
Buni: Wir bekennen uns klar zur friedlichen Revolution, der wichtigsten
Forderung der Demonstranten. Wobei die Karawane unparteiisch über allen
Ideologien und Konfessionen steht.
Wie die Aktion verläuft, ist unabwägbar. Warum muten Sie sich das zu?
Buni: Für mich geht es auch darum, so nah an das Land zu kommen wie
möglich. Dieses Gefühl, mit anderen Menschen aus der ganzen Welt nah bei
unseren Familien zu sein, anstatt nur machtlos vorm Fernseher oder vor
Facebook zu sitzen, das spielt schon eine Rolle. Und das bin ich der
Opposition auch schuldig.
Schuldig?
Buni: Ich war schon im letzten März in Damaskus, als alles anfing, meine
Familie besuchen. Auf einer Mahnwache wurde ich dann mit 33 anderen
verhaftet. Eine ganz harmlose Aktion, wir hatten nur stumm die Fotos von
Gefangenen hochgehalten. Sprechchöre hatten wir uns gar nicht getraut. Nur
durch die Proteste der Demonstranten bin ich nach zwölf Tagen wieder
freigelassen worden.
Wie haben Sie den Arrest überstanden?
Buni: Es war hart. Aber so komisch es klingt: Es war auch schön. Weil ich
meinen Landsleuten beistehen konnte. Der Geheimdienst war ganz irritiert,
fragte immer: Was hast du als Deutscher hier zu suchen? Je größer und
stärker wir als Gruppe sind, desto mehr zerstört das die Rhetorik des
Assad-Regimes, der Aufstand bestehe nur aus einzelnen, ungebildeten
Radikalen.
Fuchs: Für mich waren die Tage von Adels Gefangenschaft schrecklich, ich
habe keine Nacht geschlafen. Ab da war ich aber auch politisiert für das
Thema.
Werden Sie denn mit der Karawane auch nach Syrien einreisen?
Buni: Das wird sich zeigen - je nachdem, wie viele wir sind und wie man uns
an der Grenze begegnet.
Fuchs: Also ich fände das nicht ohne. Und du darfst ja gar nicht ins Land,
wegen deines offenen Verfahrens vom März.
Buni: Das stimmt. Andererseits werden wir auch Medikamente dabeihaben, die
die verletzten Demonstranten dringend benötigen. Sonst müssten die
Hilfsgüter wieder über Schleichwege ins Land gebracht werden.
Sind Sie auch Teil des Exilprotests in Berlin?
Fuchs: Ja. Wir beteiligen uns regelmäßig an Diskussionen und
Demonstrationen. Wir wollen eine Brücke schlagen zwischen den noch relativ
getrennt auftretenden Verbänden der Exilsyrer und anderen Berliner Gruppen.
Wie groß ist denn die Community in Berlin?
Buni: Insgesamt dürfte es mehrere tausend Syrer in Berlin geben, aber nicht
alle bringen sich auch politisch ein. Zu den Demonstrationen kommen bis zu
500 Leute.
Kürzlich wurde der syrische Oppositionelle Ferhad Ahma in Berlin
überfallen, vermutlich waren die Täter Geheimdienstangehörige. Haben Sie
keine Angst?
Buni: Was ist unsere Angst schon im Vergleich zu dem Leid in Syrien?
Fuchs: Wenn wir nicht Gesicht zeigen, wie sollen es sich die Syrer trauen?
Aber klar, ein bisschen Angst ist schon da.
Wie kann Ihrer Meinung nach das syrische Regime noch gestürzt werden?
Fuchs: Indem Assad endlich international isoliert und handlungsunfähig
wird.
Buni: Warum sind seine Botschafter noch nicht rausgeschmissen, obwohl es
täglich 20 bis 30 Tote gibt? Vor allem Assads letzte Schutzmacht, Russland,
muss von ihm abrücken. Syrien braucht einen friedlichen Aufstand. Einen
Bürgerkrieg wie in Libyen oder im Irak, das wäre grausam.
6 Jan 2012
## AUTOREN
Konrad Litschko
## ARTIKEL ZUM THEMA
Balanceakt zwischen Syrien und Iran: Ankaras Angst vor den Fronten
Nach dem Besuch des US-Vize-Außenministers lehnt die türkische Regierung
Sanktionen gegen Iran ab. Zu groß ist die Angst, es sich mit den Nachbarn
zu verscherzen.
Arabische Liga verstärkt Beobachtereinsatz: Keine Hilfe der UN gewünscht
Die Beobachter fordern mehr Unabhängigkeit und mehr Ressourcen für ihre
Arbeit. Das Regime soll zum Ende der Gewalt "gedrängt" werden. Dann soll
der Friedensprozess ohne die UN beginnen.
Arabische Liga in Syrien: Beobachtung geht weiter, Gewalt auch
Das Blutvergießen hört nicht auf: Präsident Assad lässt seine
Sicherheitskräfte mit Gewalt gegen Regimegegner vorgehen – trotz der
Beobachter im Land. Nun wird eine Zwischenbilanz gezogen.
Interview mit Ferhad Ahma: "Sie sagen, ich rede zu laut"
Der syrische Oppositionelle und Berliner Grüne Farhad Ahma wurde in seiner
Wohnung zusammengeschlagen. Er ist sicher: Es war Assads Geheimdienst.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.