# taz.de -- Kommentar Wulff und Merkel: Unangenehm, aber beherrschbar | |
> Wulff führt konservative Werte ad absurdum und entlarvt damit auch die | |
> kühle Machtpolitik der Kanzlerin. Ein Rücktritt ihres Präsidenten wäre | |
> kein Unglück für Merkel. | |
Christian Wulff ist Merkels Problem. Mit dieser Deutung versuchen SPD und | |
Grüne im Moment, die Kampflinie in der Präsidentenaffäre zu verschieben. Um | |
es gleich zu sagen: Die Opposition hat recht. Natürlich ist Wulff Merkels | |
Präsident, sie hat den parteiinternen Konkurrenten und abgebrühten | |
Politikprofi aus durchschaubaren Motiven ins Amt gehoben – und sich damit | |
verkalkuliert. | |
Die Affäre birgt für sie vor allem eine Gefahr. Wulffs Verhalten zielt aufs | |
Selbstverständnis der Christdemokraten. Der Präsident führt Werte ad | |
absurdum, die der Konservatismus gerne gepflegt sehen will: Anstand, | |
Aufrichtigkeit und Rückgrat. | |
Indem Wulff tagtäglich beweist, wie wenig sie ihm bedeuten, entlarvt er | |
zugleich die kühle Rechnung der Kanzlerin. Merkel mag seine Kapriolen | |
verabscheuen, aber sie stützt Wulff weiter, aus rein machttaktischen | |
Erwägungen heraus. Ebenso verhielt sie sich bei Karl-Theodor zu Guttenberg, | |
dem zweiten Vorzeige-Konservativen, der sich als Hochstapler erwies. | |
Hier liegt ein Problem für die Kanzlerin, die auch den programmatischen | |
Kurs der Partei biegsam den Realitäten anpasst: Teile des CDU-Milieus | |
werden ihren Kurs und ihre Personalpolitik ablehnen und 2013 zu Hause | |
bleiben. | |
Doch wahr ist auch: Eine akute Staatskrise, wie es manche | |
Oppositionspolitiker suggerieren, wäre ein Rücktritt Wulffs keineswegs. Für | |
Merkel wäre er zwar unangenehm, aber beherrschbar. Ein Kandidat oder eine | |
Kandidatin, den oder die SPD mitwählen würde, ließe wohl sich finden – | |
Sigmar Gabriel bietet eine Zusammenarbeit ja bereits an. | |
Auch das Signal, das ein solcher Konsens für einen neuen Präsidenten setzen | |
würde, käme der Kanzlerin gelegen. Schließlich ist eine große Koalition für | |
sie 2013 die wahrscheinlichste Machtoption. | |
8 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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