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# taz.de -- Schweizer Millionärsprobleme: Bauernopfer in den Alpen
> Die Schweiz gerät durch den Rücktritt des Nationalbankpräsidenten
> Hildebrand in politische Turbulenzen. Die rechte SVP wittert Morgenluft.
Bild: Es macht nicht immer Spaß, Millionär zu sein: Philipp Hildebrand nebst …
Das Geheul der Berufsschweizer war sehr laut, als deutsche Behörden
anfingen, CDs zu kaufen, auf denen die Daten von kriminellen
Steuerbetrügern dokumentiert waren. "Hehlerei" und "Kumpanei mit
Kriminellen" waren noch die sanftesten Ausdrücke, mit denen man deutsche
Behörden und Politiker bedachte. Voran ritt Christoph Blocher –
Schlossbesitzer, Milliardär und Vizepräsident der rechtskonservativen
"Schweizerischen Volkspartei" (SVP).
Das Geheul der Eliten wuchs sich zum Volkszorn aus, als der damalige
deutsche Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) im März 2009 ironisch mit
einem Ausritt der Kavallerie zu den "Indianern" im Alpenland "drohte".
Und jetzt das. Ein Angestellter der Schweizer Privatbank "Sarasin" erhielt
Einblick in die Konten von Nationalbankpräsident Philipp Hildebrand und
seiner Frau Kashya, einer amerikanischen Exbankerin und Galeristin.
Der Bankangestellte hegte den Verdacht auf Insidergeschäfte, fotografierte
den Kontoauszug und konsultierte einen Schul- und Parteifreund, den
jetzigen Anwalt und SVP-Abgeordneten Hermann Lei, mit der Bitte um
Rechtsauskunft.
## Häuptling Blocher
An eine mediale Auswertung seines Datenklaus dachte der Bankangestellte
nicht, denn er war sich der strafrechtlichen Konsequenzen bewusst. Sein
Parteifreund, der Anwalt, scherte sich nicht darum und dachte an die
Partei, die eben zwei Wahlniederlagen erlitten hatte. Er übergab die
"Beweise" seinem Häuptling Blocher, der damit zu Bundespräsidentin Eveline
Widmer-Schlumpf lief, um den Nationalbankpräsidenten anzuschwärzen. Blocher
tat genau das, was er den deutschen Behörden immer vorwarf: Verwendung
illegal erworbener Beweise.
Widmer-Schlumpf blieb cool, ließ Blochers Dokumente von Fachleuten prüfen
und kam zum Ergebnis, Beweise für illegale Insidergeschäfte des
Notenbankpräsidenten seien das nicht. Nun sprang die SVP-Prätorianergarde
der Wochenzeitung Weltwoche Blocher bei: Sie nannte den
Nationalbankpräsidenten einen "Gauner und Lügner". Damit löste das Blatt
einen Sturm aus, der Hildebrand unter Erklärungsdruck setzte.
Er schwieg lange, bis er schließlich vor die Presse trat und Mails
veröffentlichte, die belegen sollten, dass seine Frau ohne sein Wissen,
aber über sein Konto 500.000 US-Dollar kaufte und mit 75.000 Franken Gewinn
wieder verkaufte, just als der Gatte den Mindestkurs des Franken auf 1.20
festsetzte, wodurch auch der Dollar stieg und die Kasse bei Hildebrands
klingelte. Hildebrand bekam kalte Füße und spendete das Geld einer
Hilfsorganisation.
Zu seiner Rechtfertigung konnte er nur vorbringen, er lüge nicht. Ein
Verdacht bleibt jedoch, wenn man bedenkt, dass auch Frau Hildebrand vom
Bankfach etwas versteht und anzunehmen ist, dass die beiden beim Frühstück
nicht nur über die Konsistenz der Eier sprechen.
Hildebrand spürte wohl, dass er mit seiner späten Rechtfertigung den
Verdacht nicht wegwischen konnte. Er trat am Montag zurück wegen seines
Verlusts an Glaubwürdigkeit. Diese Einsicht ehrt den Mann.
Ein Verhalten, das sich etwa von dem von Berlusconi unterscheidet, der nach
Finanz- und Sexskandalen restlos unglaubwürdig geworden war, aber nicht
zurücktrat, sondern dazu gezwungen werden musste. Auch der Unterschied
zwischen Hildebrand und Bundespräsident Christian Wulff (CDU) ist subtil,
aber wichtig. Der hat ebenfalls kein Gesetz gebrochen, aber bei der
Erklärung seines Verhaltens so viele Eseleien begangen, dass er mit seiner
Salamitaktik ebenso zur unglaubwürdigen Witzfigur geworden ist.
Und hier liegt die Differenz zur Schweiz: Wulffs größte Eselei war, dass er
sich gemein machte mit den Typen vom schmierigen Boulevard, aber so naiv
war zu glauben, er werde diese wieder los, wenn sie ihn ärgerten. Er
beschimpfte sie, wie man Freunde beschimpft, wenn sie einen ärgern. Und,
einmal in Rage geraten, drohte er ihnen mit "Krieg" – gegen die
Pressefreiheit!
Aber die Bild-Meute handelt mit gierigen Informationen, Wulffs
Kriegsdrohung ist leeres Geschwätz. Er verfing sich in ihr Netz und zappelt
seither. Diekmann & Co. erfreuen sich klammheimlich an der erpressten
Solidarität der Qualitätszeitungen mit ihrem Kampf für Pressefreiheit.
## Hilfreiche Prätorianer
Der Notenbankpräsident Hildebrand dagegen hat – falls er nicht lügt – "nu…
den moralischen Fehler begangen, seine Frau Geschäfte machen zu lassen, die
man ihm nicht durchgehen lassen kann. Mit Hilfe des subalternen
Bankangestellten, der einen Suizidversuch machte und jetzt in der
Psychiatrie liegt, inszenierte Blocher mit seiner SVP-Clique und der
Weltwoche eine Intrige, um den Notenbankpräsidenten zu Fall zu bringen.
Hildebrand ist den SVP-Berufsschweizern ein Gräuel, weil er die Bigotterie
im Namen der helvetischen Trinität von "Bankgeheimnis", "Neutralität" und
"Anti-Europa" als Sackgasse erkannt hat und das Land öffnen wollte – gegen
die Barrikaden-Politik der SVP.
Apropos Blocher: Im Unterschied zu Hildebrand kam der Politiker durch ein
Insidergeschäft zu seinem Vermögen. Er verkaufte 1983 als Geschäftsführer
des Besitzers über einen Investor als Strohmann für 20 Millionen Franken
eine Fabrik an sich selbst, deren Wert Experten auf 80 Millionen beziffern.
Blocher sitzt im Glashaus und wirft wie wild mit Steinen um sich.
12 Jan 2012
## AUTOREN
Rudolf Walther
## TAGS
Schweiß
Literatur
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