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# taz.de -- Konflikte innerhalb des iranischen Regimes: Ein System voller Wider…
> Der Konflikt zwischen Ahmadinedschad, Revolutionswächtern und
> Geistlichkeit nimmt zu. Die tiefe Spaltung der Staatsführung spiegelt
> sich im gesamten Staatsapparat wider.
Bild: Die Regierung kümmert sich nicht mehr um Beschlüsse des Parlaments.
BERLIN taz | "Wir haben nie gesagt, dass wir die Straße von Hormus
schließen werden", erklärte Irans Verteidigungsminister Ahmad Wahidi am
Montag. Am 12. Dezember hatte der Parlamentsabgeordnete Parwis Sarwari der
Presse mitgeteilt, die Sperrung der Straße von Hormus sei Teil eines
geplanten Manövers der iranischen Marine. Im Falle eines Angriff Israels
oder der USA werde das Land die ganze Welt unsicher machen und durch die
Schließung die internationale Energieversorgung lahmlegen. "Wenn die Welt
die Region unsicher macht, werden wir die Welt unsicher machen."
Am 14. Dezember wurde diese Aussage von Außenministeriumssprecher Ramin
Mehmanparast dementiert. "Wir haben mehrfach erklärt, dass dies nicht
unsere Absicht ist." Doch zwei Wochen später wurde die Drohung von höchster
Stelle der Regierung wiederholt: Sollten die wegen des Atomstreits gegen
Iran verhängten Sanktionen ausgeweitet werden, werde das Land den
Öltransport im Persischen Golf blockieren, so Vizepräsident Mohammed Resa
Rahimi.
Derartige Widersprüche prägen die Außenpolitik Irans. Während der
Oberkommandierende der "Pasdaran" genannten Revolutionswächter mit
Vergeltung droht und der Revolutionsführer unversöhnliche Standpunkte
gegenüber dem Westen einnimmt, erklärt das Außenministerium die
Bereitschaft zur Wiederaufnahme ohne Vorbedingungen.
Die Annahme, das mal harte, mal versöhnliche Auftreten sei eine Taktik,
würde zutreffen, wenn die herrschende Elite einheitlich wäre. Ist sie aber
nicht. Zwar hat Revolutionsführer Ali Chamenei formal absolute Macht und
scheint tatsächlich der zurzeit mächtigste Mann zu sein. Doch neben ihm
gibt es andere Fraktionen, die sich spätestens seit der umstrittenen
Wiederwahl von Präsident Ahmadinedschad erbittert bekämpfen. Dieser
Konflikt hat sich im Vorfeld der Parlamentswahlen am 2. März erheblich
verschärft.
## Verherrlichung des vorislamischen Iran
Ahmadinedschad, auf den Chamenei alle Karten gesetzt hatte, geht inzwischen
eigene Wege. Im Gegensatz zur herrschenden Geistlichkeit versucht er durch
Verherrlichung des vorislamischen Iran einen Nationalismus zu predigen, mit
dem er vor allem die Mittelschicht für sich zu gewinnen sucht. Sein Ziel
ist die Entmachtung der traditionellen Geistlichkeit, eine islamische
Republik ohne den Klerus - aus der Sicht von Großajatollahs wie gemäßigten
Konservativen eine klare Kampfansage.
Die tiefe Spaltung der Staatsführung spiegelt sich im gesamten
Staatsapparat. Die Regierung kümmert sich längst nicht mehr um Beschlüsse
des Parlaments oder Entscheidungen der Justiz. Auch Militärs mischen sich
mittlerweile in den Konflikt ein.
Die Pasdaran, geschult im achtjährigen iranisch-irakischen Krieg, haben
nicht nur mit ihrer modernen Ausrüstung und besseren Ausbildung längst die
reguläre Armee an Schlagkraft überholt. Inzwischen haben sie auch wichtige
zivile Schlüsselpositionen in der Politik übernommen - und sind zur größten
Wirtschaftsmacht des Landes geworden: Sämtliche staatliche Großaufträge
gehen an die Revolutionswächter oder deren Tarnfirmen. Sie kontrollieren
ganze Grenzabschnitte und Häfen und beherrschen damit auch den
Schwarzmarkt, der in der iranischen Wirtschaft eine wichtige Rolle spielt.
Die Position der Pasdaran ist nicht eindeutig. Bei der ersten Wahl
Ahmadinedschads 2005 standen sie voll hinter ihm - und bekamen Privilegien
in der Politik und Wirtschaft. Doch nach der Wiederwahl des Präsidenten und
dessen Differenzen mit dem Revolutionsführer haben sich die
Revolutionswächter von der Regierung entfernt.
## Machterhalt nur mit Gewalt
Die Rolle der Pasdaran ist für das Schicksal des Regimes entscheidend, weil
die Islamische Republik längst ihre ideologische und religiöse Legitimation
verloren hat. Sie kann ihre Macht über die überwiegend unzufriedenen
Bevölkerung nur noch mit Gewalt aufrechterhalten.
Bemerkenswert ist auch, dass vom dem ursprünglich pluralen islamischen
Lager, das die Basis des Regimes bildete, nur der konservative Teil übrig
geblieben ist. Die Reformer wurden ausgeschlossen. Wie sie nun offiziell
erklärt haben, werden sie nicht einmal mehr an den Parlamentswahlen
teilnehmen, weil diese nicht frei seien.
Die Wahlen halten Beobachter für die wichtigsten in der Geschichte der
Islamischen Republik. Da die Reformer sich nicht beteiligen, reduzieren sie
sich auf den Machtkampf zwischen den Anhängern Ahmadinedschads und den
Konservativen. Wer auch immer den Sieg davontragen wird: Das islamische
Lager wird weiter schrumpfen.
Das wird nicht ohne Wirkung auf Irans Außenpolitik bleiben. Die
Verschärfung der Sanktionen könnte dazu führen, dass radikale Kräfte in der
Hoffnung, die Massen mobilisieren zu können, mit Handlungen reagieren, die
in militärischen Auseinandersetzungen mit verheerenden Folgen enden.
11 Jan 2012
## AUTOREN
Bahman Nirumand
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