# taz.de -- Wulff-Kritik aus den eigenen Reihen: Attacke über Twitter | |
> CDU-Mann Altmaier fordert Wulff im Netz auf, Antworten auf Fragen online | |
> zu stellen. Ein Warnschuss für den Präsidenten: Selbst Unionsleute stößt | |
> sein Taktieren ab. | |
Bild: Nutzt das Netz, um Kritik zu üben: CDU-Mann Peter Altmaier | |
BERLIN taz | Peter Altmaier twittert gerne. 140 Zeichen, schnell ins | |
Smartphone getippt und per Knopfdruck verbreitet - der | |
Fraktionsgeschäftsführer der Union nutzt Twitter bewusst und regelmäßig, um | |
die Netzgemeinde anzusprechen. In der Nacht zum Mittwoch schrieb Altmaier | |
an seine gut 5.800 Follower kurz vor dem Zubettgehen einen brisanten Satz: | |
"Wünsche mir, dass Christian seine Anwälte an die Leine legt und die | |
Fragen/Antworten ins Netz stellt." | |
Altmaier ist eine wichtige Stimme in der Union. Der Parlamentarische | |
Geschäftsführer ist gut vernetzt und wortgewandt, er steht bei der | |
Kanzlerin hoch im Kurs. Der kurze Tweet kommt deshalb nur scheinbar harmlos | |
daher, in Wirklichkeit ist er ein deutlicher Warnschuss für Bundespräsident | |
Christian Wulff. Denn seine Informationsstrategie sorgt in der Union weiter | |
für Irritationen - und das ist noch vorsichtig formuliert. | |
Die Vorlage hatte Wulff wieder einmal selbst geliefert. In dem | |
Fernsehinterview am Mittwoch vor einer Woche, das als Befreiungsschlag | |
geplant war, sagte er, seine Anwälte hätten 400 Fragen von Medien "nach | |
bestem Wissen und Gewissen" beantwortet. Mehr noch, er kündigte eine | |
Transparenzoffensive an: Seine Anwälte würden alle Details ins Netz | |
stellen. Das werde, lobte Wulff sich selbst, die Republik positiv in puncto | |
Transparenz verändern. | |
Daraus wurde nichts. Wulffs Anwälte veröffentlichten am Tag darauf eine | |
sechsseitige Erklärung, in denen sie Komplexe zusammenfassten und oft | |
allgemein blieben. Wulffs Anwalt Gernot Lehr verwies später auf die | |
anwaltliche Verschwiegenheitspflicht, unter die der "im Mandantenauftrag | |
geführte Schriftverkehr zwischen Anwälten und Dritten" falle. Von der | |
Detailaufklärung, die der Präsident selbst versprach, ist keine Rede mehr. | |
## Bewusstes Zwitschern | |
Altmaiers Twitter-Äußerung ist deshalb als bewusst gesetztes Signal zu | |
verstehen. Viele Unions-Leute verlieren die Geduld mit dem | |
Bundespräsidenten. "Wegen seiner zögerlichen Aufklärung droht ein | |
Schwelbrand, der der Union und der Kanzlerin schadet", heißt es in der | |
Fraktion. Deshalb müsse Wulff notfalls zur Transparenz gezwungen werden - | |
"es kann sein, dass sonst jemand den Dolch zückt". Doch es gibt auch andere | |
Stimmen. Viele Abgeordnete sind noch in ihren Wahlkreisen unterwegs und | |
reden mit Bürgern. Ein CSU-Mann sagt: "Die Leute haben das Gefühl, da wird | |
ein Präsident mit kleinlichen Vorwürfen gehetzt." | |
Bis vor zwei Wochen war es Altmaier, der Wulff immer wieder öffentlich | |
verteidigte. Bei Günther Jauch kurz vor Weihnachten war er der Einzige in | |
der Runde, der ihn verteidigte - und musste sich von Jauch erklären lassen, | |
andere seien ja in der Union nicht mehr zu finden. Danach machte Altmaier | |
parteiintern klar, dass er für die dauernde Präsidentenverteidigung nicht | |
länger zur Verfügung stünde - auch wegen Wulffs Kapriolen. | |
Die Kanzlerin wollte gestern nicht bewerten, ob Wulff die 400 Fragen und | |
Antworten ins Netz stellen müsse. Der Präsident selbst lädt am Donnerstag | |
zum Neujahrsempfang, erwartet werden etwa Merkel und das Kabinett. Absage | |
gab es bisher nur eine: die von der Organisation Transparency | |
International. | |
11 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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