# taz.de -- Karl-Hubbuch-Ausstellung in München: Mit Föhn und Nudelholz | |
> Karl Hubbuch (1891-1979) ist als neusachlicher Maler bekannt. Das | |
> Münchner Stadtmuseum gibt jetzt Einblick in sein faszinierendes | |
> fotografisches Werk. | |
Bild: Aus der aktuellen Ausstellung "Karl Hubbuch und das Neue Sehen" im Münch… | |
Mit "Viermal Hilde", einer gemalten Mehrfachdarstellung seiner damaligen | |
Ehefrau Hilde Isay, erschafft Karl Hubbuch eine Ikone seiner Zeit: | |
Nebeneinander gereiht zeigt das Bild aus dem Jahr 1929 vier typische Posen | |
Hilde Isays. Überhaupt interessiert sich der als einer der Protagonisten | |
der Neuen Sachlichkeit bekannte Karlsruher Künstler für Vervielfachungen. | |
Er adaptiert dieses durch den Kubismus aus der Skizze ins Ölgemälde | |
transferierte Verfahren für seine Zwecke und orientiert sich seinerseits | |
wiederum an fotografischen Ansätzen - weg vom synthetischen Porträt, hin | |
zur Momentaufnahme. | |
Genau dieser Spur folgt die aktuelle Ausstellung "Karl Hubbuch und das Neue | |
Sehen" im Münchner Stadtmuseum. Sie zeigt einen weithin unbekannten | |
Hubbuch: den Fotografen, oder besser: den bildsuchenden, | |
experimentierfreudigen, technikaffinen und in verschiedenen Medien | |
beheimateten Künstler. Im nun gezeigten Nachlass finden sich zahlreiche | |
Belege für Hubbuchs Vorliebe der fotografischen Dekonstruktion des | |
Bildaufbaus. Immer wieder arbeitet er mit Verzerrungen, mit An- und | |
Ausschnitten - und nicht zuletzt mit Spiegelungen. Dem Abbild wird nicht | |
nur nicht mehr getraut - die Fotografie wird als künstlerisches Medium auf | |
den Weg gebracht. | |
Eine für die Ausstellung zentrale Sequenz besteht aus einer Reihe von | |
Selbstporträts, die Hubbuch und Hilde Isay im Atelier zeigen. In einen | |
Wandspiegel fotografierend, per Drahtauslöser mit seiner geliebten | |
Mittelformatkamera verbunden, gelingt es ihm hier, seinen Kosmos der | |
Selbst- und Fremdinszenierungen auszuloten. Hilde Isay erscheint mal als | |
Vamp, mal als zurückhaltendes Provinzpflänzchen. Hubbuch selbst tritt in | |
multiplen Brechungen auf: künstlerisch-unintellektuell, nachdenklich, | |
dandylike-selbstbezogen. | |
## "First think, then shoot" | |
Gemeinsam sind sie unwiderstehlich. Wenn beide in einer Serie von Aufnahmen | |
in Unterbekleidung mit Teigrolle, Besen und Haartrockner jonglieren, | |
geraten nicht nur die Geschlechterrollen durcheinander. Ständig Faxen | |
machend, setzt Hubbuch den Föhn mit der einen Hand als Waffe an seine | |
Schläfe und schießt mit der anderen per Fernauslöser das Foto: Wenn jetzt | |
noch eine Vase durchs Bild fliegen würde, wären Anna und Bernhard Blume | |
ganz nah, zumal auch Hilde Isay die Kamera in die Hand nimmt - was in der | |
Ausstellung mit entsprechenden Fotos gewürdigt wird. | |
Unter den 180 Ausstellungsobjekten befinden sich auch einige Zeichnungen | |
und Gemälde Hubbuchs. Sie belegen, wie sein fotografisch-perspektivischer | |
Zugang zumindest teilweise mit seinem malerischen Werk korrespondiert. | |
Gerade im zweiten thematischen Schwerpunkt der Schau - neben den | |
Atelieraufnahmen sind dies Straßenszenen seiner Umgebung - wird das | |
besonders deutlich. So scheint ein abgelichteter Aufmarsch der Hitlerjugend | |
in Karlsruhe geradezu einen Dialog mit einer Feder- und Pinselzeichnung | |
namens "Aufmarsch" zu führen. | |
Mit dem Fokus auf sein fotografisches Oeuvre, das von ihm selbst nicht zur | |
Veröffentlichung vorgesehen war, gelingt der Ausstellung im Münchner | |
Stadtmuseum implizit auch eine Auseinandersetzung mit gegenwärtigen | |
Bildwelten. Die Vertreter des Neuen Sehens wurden als Knipser tituliert, | |
als Amateure - Ausdruck einer gigantischen Abwertung gegenüber dem | |
reproduzierbaren, "automatischen" Bild, dem die Aufwertung zur offiziellen | |
Kunst zunächst abgesprochen wurde. | |
## "Don't think, just shoot" | |
Und heute? Heute ist erstens die Fotografie als künstlerisches Medium | |
durchgesetzt - spätestens seit man erkannt hat, dass die Abbildtheorie | |
erkenntnistheoretisch gescheitert ist. Und zweitens regiert der Knipser | |
selbstbewusst die visuelle Alltagswelt: Schappschusssmartphonefotos dienen | |
der Positionierung in sozialen Netzwerken im Internet und um das Internet | |
herum. Ich knipse, um zu zeigen, was ich bin. | |
Aus dieser Spannung zwischen dem "First think, then shoot" und dem "Don't | |
think, just shoot" bezieht die Fotografie zurzeit einen Großteil ihrer | |
Anziehungskraft. Was früher aufklärerischen Charakter hatte, ist heute | |
längst Teil des visuellen Mainstreams in Kommerz und Kunst geworden: | |
Zahlreiche Applikationen verändern durch programmierte Farbverschiebungen, | |
Fehlbelichtungen und zahlreiche weitere Filtereinstellungen das | |
Durchschnittsbild in Richtung Retrochic und Traum vom individuellen Bild. | |
Irgendwie wollen wir vielleicht alle ein wenig Vintage sein. | |
Wenn man die Hubbuchs sieht, ahnt man, was dabei alles auf der Stecke | |
bleibt. | |
13 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Erik Franzen | |
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