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# taz.de -- Udo Lindenberg-Ausstellung: Der Markenbotschafter
> Udo Lindenberg hat eine Ausstellung im Hamburger Museum für Kunst und
> Gewerbe. Diese feiert die Kunstfigur Udo - nach der Person dahinter fragt
> sie jedoch nicht.
Bild: Huldigung in 14 Kapiteln: Udo inmitten der Ausstellung über ihn.
HAMBURG taz | Der lange Gang zum Spiegelsaal des Hamburger Museums für
Kunst und Gewerbe ist wie geschaffen für einen Auftritt von Udo Lindenberg.
Die gewölbte Decke ist meterhoch und wird von unten beleuchtet, der Gang
erstrahlt in weiß. Mehrere Kamerateams haben sich so positioniert, dass
Lindenberg durch den langen Gang auf sie zugeht, dass er also als kleiner
schwarzer Mann in der Entfernung startet und als großer schwarzer Mann vor
der Kamera endet.
Lindenberg lässt die Kameraleute gut fünfzehn Minuten warten, dann taucht
seine Silhouette auf und es geht los. Gemächlich federt er den Kameras
entgegen, rechts sein Bodyguard Eddy Kante, links sein ebenso mafiös
aussehender Pressesprecher. Lindenberg hat sein Lindenberg-Kostüm an, Hut,
Sonnenbrille, schwarzer Hose und federt sich warm. In der Hand hat er eine
brennenden Zigarre. Die Show kann beginnen.
"Hallöchen. Guten Morgen", sagt Lindenberg, nachdem er um 16:50 Uhr auf der
Bühne des Spiegelsaals Platz genommen hat. Außerdem sagt er: "Guten Tag,
Frau Professor." Gemeint ist Sabine Schulze, die Direktorin des Museums für
Kunst und Gewerbe, in dem an diesem Abend "Udo. Die Ausstellung" eröffnet
wird. Schulze sagt: "Es ist ein besonderer Tag heute. Im Spiegelsaal darf
geraucht werden." Lindenberg antwortet: "Ja, Helmut Schmidt kommt auch
gleich noch vorbei." Dann bricht der dritte Stuhl auf der Bühne zusammen,
es ist der, auf dem der Stiftungschef Bernd Kauffmann sitzt. Erstaunlich,
kaum ist Lindenberg im Raum, passiert was.
Dabei macht Lindenberg nur das, was er immer macht: Er gibt den Udo. Es
gibt keinen anderen Popstar in Deutschland, bei dem die Kunstfigur und der
sie verkörpernde Mensch in einem höheren Maß übereinstimmen.
Die Frage, welcher Mensch hinter der Udo-Maske steckt, wirft die
Ausstellung nicht auf. In der Ausstellung geht es um eine Huldigung des
Phänomens Udo Lindenberg, jenes 65-Jährigen Musikers und Malers also, der
zu seiner eigenen Marke geworden ist und diese seit 40 Jahren durchhält -
mit allen Aufs und Abs und parallel zum politischen Geschehen, das Udo
mitunter musikalisch begleitet und kommentiert hat.
Die Ausstellung, die bereits auf Schloss Neuhardenberg zu sehen war, ist in
14 Kapitel unterteilt: Die Eltern bekommen ein Kapitel, der Bruder, die
DDR, das Panikorchester, die Spiritualität, der Alkohol. Es werden viele
von Lindenbergs Bildern gezeigt, zwei Schlagzeuge erinnern an seinen Start
als Trommler beim Jazzmusiker Klaus Doldinger, sein Zimmer im Hotel
Atlantic steht nachgebaut im Museum. In den Schaukästen hängen alte
Ausrisse aus Zeitungen und Zeitschriften mit Lindenberg-Storys. Die sind
manchmal unfreiwillig komisch: Die Zeitschrift Freundin beispielsweise hat
unter ein Porträt-Foto des jungen Lindenberg geschrieben: "Interessant: die
sensible Oberlippe".
In einem tieferen Zusammenhang stehen die Exponate nicht, alles kreist um
die Kunstfigur Lindenberg. Zu sehen ist, wie Udo die Welt sieht in seiner
Malerei und in seinen Texten, die in handschriftlichen Originalen an der
Wand hängen. Und zu sehen ist, wie die Medien und die Fans Udo sehen, bei
seinen Shows, auf den Tourplakaten, im Fanshop. Das mit Abstand
interessanteste Exponat ist die Lindenberg-Akte der Stasi: Lindenberg sei
"eine der widersprüchlichsten Musikerpersönlichkeiten der Tanzmusikszene
der BRD", heißt es da. Er leide zwar durchaus am kapitalistischen System,
aber da er nicht zum Systemwechsel aufrufe, "verbleibt er im bürgerlichen
Denken".
Heutzutage scheint das mit dem Leiden am Kapitalismus eher vorbei zu sein,
heute ist Udo durch und durch Botschafter seiner eigenen Marke. Udo trägt
Klamotten aus dem eigenen Merchandising-Shop, er macht jedes Pressefoto
mit, spricht in jede Kamera und erzählt allen, die ihn fragen, die ganze
Geschichte von vorn: Wie er damals angefangen hat im Hamburger Jazzclub
Onkel Pö, wie er beschloss, gegen die "Schlager-Lobby" anzugehen, wie er
Hamburg auserkor zum Ort der "kreativen Unruhe". Man kann Udo alles fragen,
er wird einem nie die eigene Unwissenheit vorwerfen. Das mögen die Leute an
Udo.
Außerdem mögen sie, dass er seine Figur in der Schwebe hält zwischen
absoluter Glaubwürdigkeit und Überzeichnung. Udo ist die Karikatur eines
Rockstars, man muss ihn nicht ernst nehmen, aber man kann - Udo ist da ganz
locker.
Durchaus ernst gemeint ist allerdings sein Plan, in der Hamburger
Speicherstadt ein dauerhaftes Udo Lindenberg-Museum einzurichten. Von der
Hamburger Kulturbehörde wollte er dafür Geld, hat keines bekommen und sieht
das mittlerweile auch ein: "Die sollen ihr weniges Geld für andere Sachen
ausgeben." Nun wolle er stattdessen Geld von der Hamburg Marketing GmbH und
der Hamburg Tourismus GmbH, "die könnten sagen: ,Wir machen Panik-City in
der Speicherstadt'."
Bei den beiden Stadtmarketing-GmbHs heißt es, Lindenberg sei "in jüngster
Vergangenheit nicht auf uns zugekommen". Ein Lindenberg-Museum hielte man
für "eine echte Bereicherung für Hamburg", teilt Sprecher Sascha Albertsen
mit, die finanzielle Unterstützung der Pläne sei aber "mit Blick auf
unseren Auftrag und die vorhandenen Ressourcen nicht vorgesehen".
21 Dec 2011
## AUTOREN
Klaus Irler
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