# taz.de -- Ein Künstler wird Seemanns-Botschafter: "Eine verklärte Romantik" | |
> Der Wedeler Künstler Ole West ist der neue Botschafter der Deutschen | |
> Seemannsmission. Er selbst vermutet, dass er wegen seiner Vorliebe für | |
> maritime Motive berufen wurde. Seemänner mit Pfeife im Mund würde er aber | |
> auf keinen Fall malen. | |
Bild: Wurde unverhofft Seemannsmission-Botschafter: Der Wedeler Künstler Ole W… | |
taz: Herr West, warum sind Sie als Maler zum neuen Botschafter der | |
Deutschen Seemannsmission berufen worden? | |
Ole West: Ich nehme an, dass sie mich auserkoren haben, weil ich in meiner | |
Motivwahl hauptsächlich maritim arbeite und an der Küste bekannt bin. Ich | |
denke, dass mein Name die Arbeit der Mission ein bisschen mehr in die | |
Öffentlichkeit trägt. Ganz ehrlich - ich glaube kaum, dass die Seeleute, | |
die hier für ein paar Tage stranden, großes Interesse an meinen Sachen | |
haben. Das bilde ich mir auch nicht ein. | |
Würden Sie denn was für deren Wohnzimmer malen wollen? So für über die | |
Couch? | |
Nicht unbedingt, ich male generell nicht gerne fürs Wohnzimmer. | |
Sie haben 25 Jahre mit Ihrer Frau auf Norderney gelebt. Hatten Sie da | |
engeren Kontakt zu Seeleuten? | |
Wir haben dort so gelebt, wie man es sich für einen Künstler auf einer | |
Insel vorstellt. Sehr einsam, draußen, in einem Haus mit einem riesigen | |
verwilderten Garten. Kontakt zu Seeleuten hatte ich dort weniger, so viele | |
davon gibt es ja sowieso nicht mehr. Wenn dann mal ein Fischer reinkam, | |
dann kannte man sich meistens. Aber das existiert ja alles fast gar nicht | |
mehr, es gibt ja auch kaum noch Fischfang. | |
Seemänner sterben in Deutschland aus. Die Reedereien wollen Geld sparen, | |
indem sie schlecht bezahlte Arbeitskräfte, zum Beispiel von den | |
Philippinen, anheuern. Gibt es noch Arbeit für die Deutsche | |
Seemannsmission? | |
Gerade wenn der "einfache Matrose" in einem Hafen wie Rotterdam ankommt und | |
er hat irgendwelche familiären Probleme, oder hat keine sozialen Kontakte, | |
oder ist depressiv - da hilft die Seemannsmission. Ich weiß aus meinem | |
Freundeskreis, dass auf den Schiffen eigentlich nur die Kapitäne oder die | |
Ingenieure europäischer Herkunft sind, alle anderen sind Asiaten. | |
Auf der Homepage der Seemannsmission sieht man zuerst einen großen | |
Spendenaufruf. Wie kann man für deren Belange sensibilisieren? | |
Ich glaube diese Sensibilisierung kann man nur bei Menschen erreichen, die | |
auch eine gewisse Verbindung zur Seefahrt oder zur Küste haben. Wenn man | |
keine Verbindung zum Thema hat, dann denkt man auch nicht an die Probleme. | |
In Ihrer Kunst wirken die Küste und das Meer romantisiert. Wie findet das | |
zusammen mit der Realität eines Seemanns? | |
Diese Romantisierung gibt es ja schon seit Jahrhunderten, das ist nicht nur | |
meine Malerei. Ein am Strand trocken gefallenes Fischerboot ist ein | |
romantisches Bild, aber es ist harte Arbeit, darauf zu fahren. Sie haben | |
völlig recht, was ich mache, ist eine verklärte Romantik. Aber ich habe | |
auch keine Lust, kaputte Ölfässer zu malen. Ich male ja auch Schiffe, die | |
es so gut wie gar nicht mehr gibt. Verrostet, überdimensional. Ich hätte | |
aber nicht als Heizer auf so einem Kohlenschiff fahren mögen. Das sind zwei | |
Schienen. Einmal dieser Beruf, und auf der anderen Seite ich, der als Maler | |
ja mit der Seefahrt nichts zu tun hat. Außer, dass ich an der Küste | |
aufgewachsen bin. | |
Würden Sie der Seemannsmission zuliebe Portraits von charakteristischen | |
Seeleuten malen? | |
Ich hatte gerade eine große Ausstellung, da habe ich Ähnliches gemacht. Ich | |
will mal versuchen, verbal so ein Bild zu erklären. Sie sehen natürlich ein | |
zerfurchtes Gesicht, wettergegerbt und so weiter. Südwester auf. Aus diesem | |
Südwester kommt ein fliegender Fisch raus. Unten ist eine nackte Frau, noch | |
ne Dschunke und so weiter. Und der Titel war dann: "Zum Beispiel. Er hatte | |
doch alles erlebt". So verarbeite ich das. Aber Sie werden von mir nicht | |
diesen berühmten Seemann sehen mit ner Pfeife im Mund. Das nicht, auf gar | |
keinen Fall. | |
Trägt Ihre Kunst eine Botschaft, die zur Seemannsmission passt? | |
Nein. Ganz bestimmt nicht. Meine Kunst trägt die Botschaft: Liebe zur | |
Küste, zu den Menschen, zur Landschaft, zum Wasser. | |
Wenn ein Seemann diese Dinge noch lieben kann, dann wäre da doch eine | |
Verbindung. | |
Es gibt bestimmt Seeleute, die zu Hause nicht ihr eigenes Schiff überm Sofa | |
hängen haben. Obwohl: Die Seeleute, die ich kenne, haben da auch eine | |
Verbindung zu. Die haben dann diese kleinen Modelle, die zeigen, was sie im | |
Laufe ihres Lebens schon gemacht haben. Ich denke, dass ich keine Bilder | |
mache, wo man so eine Verbindung interpretieren müsste. Man kann sie | |
einfach angucken und sagen "gefällt mir" oder "gefällt mir nicht". Ich bin | |
kein Freund von diesen großen Bildinterpretationen. War ich schon im | |
Studium nicht. Wenn da einer ein Fensterkreuz malt, dann heißt es gleich, | |
er ahne seinen Tod voraus. | |
Wie fühlt es sich an, nach der Zeit auf Norderney wieder in Ihrer | |
Geburtsstadt Wedel zu leben? | |
Meine Frau und ich fühlen uns hier sauwohl. Die Rückkehr nach Wedel war ja | |
kein Sprung ins kalte Wasser. Auf der Rampe dieses Gebäudes habe ich als | |
Kind schon mit einem Freund gespielt. Und hundert Meter weiter den Berg | |
hoch bin ich aufgewachsen. Das Haus, in dem ich jetzt wohne, steht auf den | |
Grundsteinen der ehemaligen Kneipe meines Patenonkels. Das ist ja schon | |
fast Vorsehung. | |
10 Jan 2012 | |
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Hamburger Hafen | |
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