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# taz.de -- Wulff, die Medien und seine Frau: Die böse Bettina
> Wurde Wulff nur Präsident, weil seine Frau mehr Einkommen verlangte?
> Attackierte er "Bild" nur zu ihrem Schutz? Über die Fantasien der Medien
> in der Affäre Wulff.
Bild: Immer schön lächeln: Bettina Wulff auf dem Neujahrsempfang des Springer…
BERLIN taz | Das war wohl kalkuliert. Für ihren ersten Solo-Auftritt, seit
die ganze Affäre um den Bundespräsidenten begann, suchte sich Bettina Wulff
ausgerechnet den Neujahrsempfang des Springer-Verlags in Hamburg aus.
Sie begab sich damit am Montag quasi in die Höhle des Löwen, in das
Verlagshaus, mit dem ihr Gatte die härtesten Konflikt in den vergangenen
Wochen austrug. Das sollte deutlich machen, dass sich das Paar von den
Attacken nicht unterkriegen lässt. "Ganz schön mutig, Frau Wulff", befand
die Glamour-Postille Gala am Donnerstag über den "cleveren PR-Coup" der
Präsidentengattin.
Die öffentlichen Vorwürfe, die sich um günstige Kredite und Gratisurlaube
ranken, richten sich zwar in erster Linie gegen ihren Mann, Christian
Wulff. Aber auch seine Ehefrau steht im Schussfeld. Schon in seriösen
Medien wird immer wieder angedeutet, dass auch sie von angeblichen
Enthüllungen bedroht sei – und dass nicht nur wegen irgendwelcher
Ballkleider, die sie geschenkt bekommen haben soll.
Bettina Wulff wird unterstellt, vor ihrer Ehe mit Christian ein nur wenig
bürgerliches Leben geführt zu haben. "Wen interessiert’s?", könnte man da
nun fragen. Und bis zum Beweis des Gegenteils muss man solche Gerüchte als
reinen Tratsch betrachten, der in einer so langweiligen Stadt wie Hannover
vermutlich eine willkommene Abwechslung zum ansonsten so drögen Alltag
bietet. Das könnte man so halten, wenn, ja wenn nicht allein schon solch
Klatsch eine enorm zerstörerische Kraft entfalten würde.
Man muss nur einmal Bettina Wulffs Namen googeln, um in einen Abgrund aus
übler Nachrede und schwiemeligen Verschwörungstheorien zu blicken.
Christian Wulff selbst machte darauf aufmerksam, als er sein Verhalten
gegenüber den Medien in seinem Interview mit ARD und ZDF mit seinem Recht
auf Privatsphäre verteidigte: "Wenn Sie da sehen, was da über meine Frau
alles verbreitet wird an Fantasien..."
## Wollte Christian Wulff seine Frau beschützen?
Ging es Christian Wulff bei seinen Anrufen beim Springer-Verlag also nur
darum, einen Artikel über seinen Hauskredit zu verhindern? Oder darum
dessen Verschiebung zu erwirken? Oder fürchtete der Bundespräsident in
Wirklichkeit, das Boulevardblatt könnte seine Schmutzkübel auch über seine
Ehefrau ausschütten? Dass jedenfalls legten manche Journalisten nahe, als
sie die ominösen Anrufe des Bundespräsidenten in den Chefetagen des
Springerverlags deuten sollten, über deren genauen Inhalt bislang nur
Fragmente bekannt sind.
Die Macher der Webseite [1][WulffPlag] haben die Einzelteile
zusammengetragen, so dass sich ein einigermaßen kohärentes Bild ergibt.
Auffällig ist dabei, dass Wulff dem Bild-Chefredakteur damit gedroht haben
soll, er werde mit seiner Frau per Pressekonferenz an die Öffentlichkeit
gehen, sollte das Blatt seine Pläne wahr machen. Warum hätte er das tun
sollen, wenn es nur um die Umstände seines günstigen Privatkredits ging?
Günther Jauch hakte an dieser Stelle schon Mitte Dezember nach, in seiner
ersten Sonntagabend-Talkshow zum Thema, als der den geladenen
Bild-Journalisten Nikolaus Blome ganz direkt fragte: Was denn dran sei an
dem Gerücht, dass die Privatkredit-Story nur der Auftakt zu weiteren
Geschichten über das frühere Leben der Präsidentengattin bilde? Das sei
"kompletter Quatsch", antwortete Blome.
Wie auch immer: bisher hält sich die Bild-Zeitung an dieses Aussage.
Zwischen den Zeilen treiben die Fantasien über Bettina Wulff dafür auch in
seriösen Blättern umso buntere Blüten. Munter wird da über ihre Rolle und
ihren Einfluss auf den Präsidenten spekuliert, der doch früher, vor seiner
zweiten Ehe, so ein bescheidener und kreuzbraver Mann gewesen sei.
## "Gefährlicher Glamour"
In der Süddeutschen Zeitung ist von ihrem "gefährlichem Glamour" die Rede
und davon, dass sie es gewesen sei, die Christian Wulff bei seiner
Flugreise nach Florida zum unerlaubten Gratis-Upgrade überredet habe. Und
in der Welt unterstellte der Niedersachsen-Korrespondent des Blattes sogar,
Christian Wulff habe sich nur deshalb für das "vergleichsweise machtlose
Amt des Bundespräsidenten" entschieden, weil dieser "mindestens doppelt so
viel wie Ministerpräsidenten" verdiene. Das Geld brauche der Christian
eben, um den Ansprüchen der "kessen Bettina" gerecht zu werden.
Während sich die Bild-Zeitung derzeit eisern über die Präsidentengattin
ausschweigt, ergehen sich die berüchtigten Kolumnisten des Hauses dafür
umso mehr in verschwitzten Andeutungen. In der Welt ätzte Henryk M. Broder,
der verkrampfte Präsident wirke nur entspannt, wenn er in der Nähe von
"Promis aus den Darkrooms der High-Society" sei. Er verkörpere "den Traum
vom Einfamilienhaus mit Partykeller. Oben hui und unten pfui". Und der
Bild-Kolumnist Franz-Josef Wagner gab dem Präsidenten schon im Dezember den
zweideutigen Tipp: "Lassen Sie die Hosen runter."
Über die Motive für die vielen Angriffe unterhalb der Gürtellinie kann man
auch wiederum nur spekulieren. Stört es manche, dass sich die Frau des
Bundespräsidenten nicht im Hintergrund hält, wie die meisten ihre
Vorgängerinnen? Dass sie selbst öffentlich auftritt?
## Frauenfeindliche Klischees
Zieht allein die Tatsache, dass Christian Wulff seine zweite Ehe mit einer
deutlich jüngeren und überdies attraktiven Frau einging, so viel Neid und
Missgunst auf sich? Und zwar bei Männern wie Frauen? Oder bietet das nur
einen weiteren willkommenen Anlass zur Abrechnung mit einem, der sich aus
anderen Gründen unbeliebt gemacht hat?
Fest steht, dass dabei längst überkommen geglaubte, frauenfeindliche
Klischees fröhlich Auferstehung feiern. Bettina Wulff ist für mache
Journalisten offenbar zum modernen Äquivalent der bösen Stiefmütter und
Hexen aus den alten Märchen geworden.
Im Netz ist diese Schlammschlacht längst außer Kontrolle geraten. Als der
Mediendienst "Meedia.de" kürzlich auf seiner Webseite darüber schrieb, wie
seriöse Medien die Gerüchteküche über Bettina Wulff anheizen würden, musste
kurz darauf die Kommentarfunktion geschlossen werden. Zu so einer Notbremse
greifen Medien im Netz eigentlich nur, wenn in den Foren die Beleidigungen
und Verstöße gegen Strafgesetze wie das Persönlichkeitsrecht
überhandnehmen.
13 Jan 2012
## LINKS
[1] http://de.wulffplag.wikia.com/wiki/Vorwurf_der_N%C3%B6tigung_von_Redaktionen
## AUTOREN
Daniel Bax
## TAGS
Schwerpunkt Meta
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