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# taz.de -- Arabischer Frühling: Für einen Revolutionstourismus!
> Die Achillesferse der Revolutionen ist die Wirtschaft. Aber sie kann
> aktiv unterstützt werden. Zum Beispiel mit einem Urlaub an den Stränden
> des südlichen Mittelmeers.
Bild: Ruhe nach dem revolutionären Sturm – die Touristen bleiben in Ägypten…
Sollten sich die Lebensumstände in einem halben Jahr in Tunesien nicht
deutlich verbessert haben, können Sie uns zur Verantwortung ziehen und ich
bin bereit zurückzutreten", sagte der neu gewählte Präsident Tunesiens,
Mouncef Marzouki, bei seinem Amtsantritt am 12. Dezember 2011.
Denn die Wirtschaft ist die Achillesferse des demokratischen Aufbruchs in
den arabischen Ländern. Die Arbeitslosigkeit in Tunesien liegt bei 18
Prozent, im Landesinneren ist fast jeder Dritte arbeitslos. Dort war im
Januar der Aufstand ausgebrochen, der zur Absetzung des Präsidenten Zine El
Abidine Ben Ali geführt hatte. Der für das Land wichtige Tourismus ist
darauf beinahe zum Erliegen gekommen.
Nicht viel besser sieht es in Ägypten aus. Auch hier brachte der Frust der
Jungen Mubarak zu Fall - doch nach der Revolution warten die Betroffenen
vergebens auf ein besseres Leben. Hauptproblem auch hier die hohe
Arbeitslosigkeit. Experten schätzen die Quote auf 30 Prozent, darunter sehr
viel Beschäftigte aus dem eingebrochenen Tourismusgeschäft.
Denn das erfolgreiche Aufbegehren gegen die totalitären Regime mit den
politischen und sozialen Umwälzungen bestrafen die Urlauber mit Enthaltung.
Sie fürchten Chaos, Unsicherheit, Unbequemlichkeiten. Obwohl davon nichts
in den touristischen Regionen, schon gar nicht in den Urlaubsresorts zu
spüren ist. Doch beim Aufbau der neuen Gesellschaftsstrukturen müssen die
Menschen dort erleben, dass die Touristen um die einst beliebten
Reiseländer derzeit weitestgehend einen Bogen machen. Und damit die
wirtschaftliche Situation verschlechtern. Zu diesem Ergebnis kommt nicht
nur eine Umfrage des Travel Industry Clubs.
## Kein Vertrauen
77 Prozent der im November 2011 befragten 202 Manager des TOP
Entscheider-Panels der deutschen Reiseindustrie sind der Meinung, dass
Reisende ihr Vertrauen in diese beiden Länder noch nicht wiedergefunden
haben. Und 80 Prozent glauben nicht daran, dass Ägypten und Tunesien noch
in der Wintersaison 2011/2012 wieder zur alten Stärke zurückkehren werden.
77 Prozent gehen davon aus, dass es noch längere Zeit dauern wird, bis
Ägypten und Tunesien wieder als "normale" Reiseländer eingestuft werden.
Dabei sind selbst die bei den Wahlen in Ägypten und Tunesien vorn liegenden
Islamisten daran interessiert, dass der Tourismus wieder angekurbelt wird.
"Alkoholische Getränke und das Tragen von Badeanzügen sind individuelle
Freiheiten, die sowohl Ausländern als auch Tunesiern garantiert sind",
stellte Hamadi Dschebali, Generalsekretär der islamischen Partei Tunesiens
Ennadha, klar. Der Tourismus sei ein vitaler wirtschaftlicher Sektor
Tunesiens. Diesen wolle auch Ennahda nicht lähmen.
Auch die ägyptischen Islamisten gaben sich nach ihrem Sieg bei den ersten
Parlamentswahlen im Dezember weltoffen und bekräftigten ihre Unterstützung
für die Tourismusbranche. Während die Partei für Freiheit und Gerechtigkeit
der Muslimbrüder in Kairo eine Konferenz mit dem Titel "Stärken wir den
Tourismus" organisierte, hielt die salafistische Partei El Nur in Assuan
eine Konferenz ab, um Angestellte des Tourismussektors zu beruhigen.
Zugleich besuchten Mitglieder der Partei für Freiheit und Gerechtigkeit die
Pyramiden , um "die Unterstützung der Muslimbrüder für den Tourismus"
auszudrücken, während der oberste Führer der islamistischen Bewegung,
Mohammed Badie, für Fotos mit Touristen in Luxor posierte.
Der Sprecher von El Nur, Nader Bakkar, sagte dem Satellitensender CBC,
seine Partei wolle den Tourismus keineswegs verbieten, sondern stärken.
Allerdings strebe sie einen Tourismus gemäß den islamischen Prinzipien an
mit nach Geschlechtern getrennten Stränden. Salafisten hatten wiederholt
erklärt, Touristen zum Tragen eines Kopftuchs zwingen zu wollen und in den
Badeorten Bikini und Alkohol zu verbieten.
Die Moral der Islamisten schreckt Touristen. Möglicherweise fahren
sonnenhungrige Urlauber dann doch lieber gleich auf die Kanarischen Inseln.
Das wirtschaftlich angeschlagene Spanien profitierte stark von den
politischen Umwälzungen in Nordafrika. Die Kanaren verzeichneten mit 7,4
Millionen Touristen zwischen Januar und September ein Besucherplus von 19,7
Prozent.
Dabei sind die Touristenhochburgen des südlichen Mittelmeers in Tunesien
und Ägypten sicheres Gebiet. Sie sind saturierte Inseln mit der gewohnten
Trink- und Kleiderordnung. Dass dies so bleibt, dazu könnten Reisende mit
ihren Devisen, ihrem Lebensstil beitragen. Gerade jetzt. Das wäre ein
aktiver, großherziger Beitrag zur Unterstützung der arabischen Revolution
und vor allem der Gästeführer, Kellner und Ladenbesitzer, die vom Tourismus
leben.
14 Jan 2012
## AUTOREN
Edith Kresta
## TAGS
Reiseland Ägypten
Reiseland Tunesien
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