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# taz.de -- Südtunesien: Wüste, Palmen, schroffe Berge
> In der entwicklungsschwachen Region des Dahar-Gebirges soll Tourismus
> Arbeitsplätze schaffen. 50 Prozent der Arbeitssuchenden sind Frauen mit
> guter Ausbildung.
Bild: Die Speicherburgen im Süden Tunesiens sollen touristisch genutzt werden.
Wie ein rotes Band zieht sich die touristische Spur durch Tunesien. Abseits
der ausgetretenen touristischen Pfade – etwa von der südlichen
Touristeninsel Djerba über Matmata, die Oasen Touzeur, Midès, Tamerza und
zurück – ist es für Reisende jedoch schwer, irgendwo anzukommen, ein Hotel
oder ein ansprechendes Restaurant zu finden. Der tunesische Tourismus ist
ein Großtourismus, der das Land im klimatisierten Großbus erobert, mit
wenig individuellen Gestaltungsspielräumen.
Djerba ist Sommerdestination deutscher Familien am Mittelmeer und
Winterdestination von Wüstenfans. Die mit Palmen gesäunte Insel ist vor
allem Ziel von Pauschaltouristen und Großveranstaltern. Bis zu 40 Prozent
ist der Tourismus hier nach dem 14. Januar, dem Tag der tunesische
Revolution, eingebrochen.
Und obwohl der Süden weit weg von den Straßenkämpfen in Tunis liegt, ist er
doch in unmittelbarer Nachbarschaft des bis vor Kurzem umkämpften Libyens.
Doch trotz Arbeitslosigkeit der im Tourismus Beschäftigten herrscht
Aufbruchstimmung in Houmt Souk, der Inselhauptstadt.
Ob in den Läden der Schmuckhändler in der "Straße des Schmucks", dem
jüdischen Viertel von Houmt Souk, bei den Lederverkäufern in den engen
Altstadtgassen oder an den Secondhand-Marktständen am freitäglichen
Libyer-Markt, überall weht die rot-weiße tunesische Flagge als
selbstbewusstes Symbol des demokratischen Aufbruchs. Und überall spricht
man mit leisem Zweifel über die Hoffnung auf eine gerechtere,
demokratischere Zukunft. Auch im Tourismus hofft man nun auf eine
vielseitige Entwicklung, jenseits von Pauschaltourismus.
"Wir denken schon lange darüber nach, das touristische Produkt zu
diversifizieren, und es gibt erste Ansätze eines ökologischen Tourismus",
sagt Mohamed Essayem vom nationalen Tourismusbüro auf Djerba. "Wir sind im
Moment dabei, Wanderrouten in den nahe gelegenen Bergen auf dem Festland
und den Naturschutzgebieten zu kreieren. Und wir wollen kleine
Frühstückspensionen stärken." Es sei schade, dass die europäischen
Konsumenten Tunesien gerade jetzt boykottieren.
## Mindestlohn 130 Euro
Nicht wenige der vom Süden Tunesiens auf die italienische Insel Lampedusa
geflüchteten Tunesier waren im Tourismus beschäftigt. Saisonarbeiter, die
bei den schlechten Geschäften von heute auf morgen auf die Straße gesetzt
wurden und ohnehin schon immer von einem guten Einkommen träumten; der
Mindestlohn beträgt in Tunesien 130 Euro im Monat.
In einigen Hotels streikten zu Saisonbeginn die Mitarbeiter noch ganz im
Elan des Umbruchs und mit neuem Selbstbewusstsein für eine bessere
Absicherung und höhere Löhne. "Wir sind uns des Problems bewusst", sagt
Essayem. "Es gibt ungefähr 400.000 direkt und indirekt Beschäftigte im
Tourismus, die Mehrzahl Saisonarbeiter. Wir wissen, dass wir mit dem
Billigtourismus ein sehr einseitiges touristisches Produkt haben.
Die "Assoziation für einen nachhaltigen Tourismus" (Association pour le
Devéloppement durable) hat ihren Sitz in der Provinzhauptstadt Medenine,
etwa zwei Autostunden von Djerba entfernt. Sie versucht in der
entwicklungsschwachen, aber landschaftlich überaus reizvollen
südtunesischen Bergregion, dem Dahar-Gebirge, neue touristische Wege zu
gehen – und damit neue Einkommens- und Beschäftigungsmöglichkeiten für
diese Region mit der starken Abwanderung zu schaffen. Bed and Breakfast,
landestypische, einfache Unterkünfte und Wanderrouten werden errichtet.
"Inzwischen gibt es drei Wanderrundgänge durch die Dahar-Region, die im
Frühjahr und Herbst bislang hauptsächlich von französischen und kanadischen
Wandergruppen besucht werden", erzählt Abdelhamid Zammouri, der Präsident
der Assoziation. Die Dörfer des Dahar-Gebirges – ein Ausläufer des Atlas –
zählen zu den schönsten Dörfern Tunesiens. Wüste, Palmen, Wadis, schroffe
Berge und eine unendliche Stille erwarten die Reisenden.
Das südtunesische Bergland ist die Region der hoch oben thronenden
Speicherburgen, der Ksour (Einzahl Ksar). Sie dienten einst den immer
weiterziehenden Nomaden als befestigtes Vorratslager, um die Ernte und
Lebensmittelreserven aufzubewahren. Jede Nomadenfamilie besaß eine oder
mehrere dieser kleinen Speicherzellen.
## In Beni Khadeche
"Es gibt mehr als 36 Ksour in dieser Region. Wir haben inzwischen drei
davon restauriert. Der Ksar Zammour beispielsweise soll ein touristischer
Anlaufpunkt werden mit Restaurant und Übernachtungsmöglichkeiten", sagt
Zammouri beim Besuch dieser Speicherburg, in der gerade Strom in die
fensterlosen, buckligen Bauten gelegt wird. "Wir wollen auch regionale
Produkte wie Trockenfeigen, Oliven, Honig, die Aroma- und Medizinpflanzen
unserer Region vermarkten und die lokale Gastronomie stärker fördern."
Im Zentrum der kleinen Stadt Beni Khadeche, deren Speicherburgen in den
60er Jahren der Modernisierung zum Opfer fielen, hat die Assoziation in
Zusammenarbeit mit der Provinzregierung, französischen Gewerkschaften und
einem kanadischen Reiseunternehmer ein Zentrum für das lokale Kunsthandwerk
errichtet. Dort, gleich neben der weißen Moschee mit Blick über die
Wüstenlandschaft, werden in kleinen Ateliers traditionelle Schuhe, grobe
und feine Webarbeiten, traditioneller Schmuck, Holz- und Lederarbeiten
gefertigt.
"50 Prozent der Arbeitssuchenden in unser Region sind Frauen, die eine gute
Ausbildung haben. Mit den Ateliers wollen wir die traditionellen
Fertigkeiten erhalten und die Männer und Frauen darin schulen", sagt Anzima
Abbes, die in der Hauptstadt Tunis Tourismus studierte und nun das
Handwerkszentrum verwaltet. Und in der Tat, die hier gefertigten
Gegenstände stechen aus dem üblichen Artesania-Angebot auf den Märkten
Tunesiens in Qualität, Verarbeitung und Kreativität heraus.
"Ich weiß, dass die Deutschen die Natur lieben, das Authentische", sagt
Sadok Dababi, der Generalsekretär der Assoziation, im klimatisierten Büro
des Zentrums. "Wir arbeiten gerade an einem Spezialführer für diese Region
auf Deutsch, Französisch, Arabisch." Und er fügt hinzu: "Der politische
Wandel in Tunesien ist gut für uns. Mit der neuen Politik werden sie dem
vernachlässigten Landesinneren, so hoffen wir, mehr Bedeutung zumessen.
Durch kleine Werkstätten, Pensionen und Restaurants hat diese Region die
Chance, neue ökonomische Strukturen zu entwickeln. Nutzen wir sie!"
14 Jan 2012
## AUTOREN
Edith Kresta
## TAGS
Reiseland Tunesien
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