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# taz.de -- die wahrheit: Pfüati, Mister Eishockei
> Früher war ich fit und schlank. Das ist lange her, fast 40 Jahre.
Bild: Bei genauerer Betrachtung halten manche Scheine nicht, was sie an aufgedr…
Früher war ich fit und schlank. Das ist lange her, fast 40 Jahre. Die
damalige, für einen vergnügungssüchtigen Teenager außergewöhnliche Fitness
verdankte ich dem Eishockeytrainer Xaver Unsinn. Der trainierte den
deutschen Rekordmeister, den Berliner Schlittschuhclub. Die
Bundesligamannschaft bestand aus Bayern, ein paar Tschechen und einer Reihe
schwedischer Juniorspieler. Mit Letzteren hatte ich mich angefreundet, weil
ich mit ein paar von ihnen zur Schule gegangen war. Eines Tages nahmen sie
mich zum Sommertraining mit, weil ihnen noch ein paar Leute zum
Fußballspielen fehlten.
Damit war es allerdings nicht getan. Während die Mannschaft zum
Krafttraining antrat, hatte ich es mir auf einer Bank gemütlich gemacht.
Das passte Unsinn nicht. "Was ist? Zieh dich um", schnauzte er mich an. Ich
erwiderte, dass ich eigentlich nur zum Fußballspielen gekommen sei. "Nix
da", entschied Xare, wie wir ihn nannten. "Erst Krafttraining, dann
Waldlauf, dann Fußball." Nach dem Krafttraining und dem Waldlauf war mir
die Lust auf Fußball vergangen, aber von Woche zu Woche fand sich mein
Körper mit der ungewohnten Belastung dreimal in der Woche ab.
So ging es vier Jahre lang. Nach jeder Wintersaison, wenn das
Sommertraining begann, begutachtete mich Unsinn und verkündete: "Ja, schaut
mal, der Ralf hat ein Bäuchlein gekriegt." Sodann beorderte er mich an die
schiefe Ebene, verpasste mir einen Sandsack im Nacken, setzte sich auf
meine Knie und befahl: "Rumpfbeugen!" Nach einer Minute wechselte man
eigentlich ans nächste Gerät, doch Xare blieb sitzen: "Das machst du jetzt
dreimal hintereinander, damit das Bäuchlein verschwindet."
Unsinn, dessen Markenzeichen ein Pepitahut war, den er nur im Notfall
abnahm, war der erfolgreichste deutsche Trainer aller Zeiten, er ist längst
in die Hockey Hall of Fame aufgenommen worden. Man nannte ihn Mister
Eishockei, denn er sprach seine Sportart stets im bayerischen Englisch aus.
Er selbst hatte 72 Länderspiele absolviert, 1953 gewann er als Spieler die
Vizeweltmeisterschaft. Als Trainer holte er 1976 bei den Olympischen
Winterspielen in Innsbruck überraschend die Bronzemedaille. Mit der
Düsseldorfer EG wurde er 1972 deutscher Meister, mit meinen
Sommertrainingskollegen vom Berliner Schlittschuhclub gelang ihm das 1974
und 1976.
Das wurde ausgiebig gefeiert, denn davon verstanden wir etwas, auch ohne
besonderen Anlass. Unsinn wusste das natürlich. So schickte er am Abend vor
den Spielen seine Späher aus, denn er kannte unsere Lieblingslokale.
Manchmal kam er auch selbst. Wenn der Pepitahut in der Tür auftauchte,
versuchten die Spieler verzweifelt, aber vergeblich, sich unter dem Tisch
oder auf der Toilette zu verstecken. Unsinn blieb zwar freundlich, trank
manchmal sogar ein Bier mit uns, aber am nächsten Tag hagelte es gesalzene
Geldstrafen.
Vorvergangene Woche ist Unsinn nach langer Krankheit im Alter von 82 Jahren
gestorben. Pfüati, Xare. Bring den Engeln das Schlittschuhlaufen bei.
16 Jan 2012
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
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