# taz.de -- Überproduktion von Hühnerfleisch: Die drohende Hähnchenblase | |
> Bundesweit sollen 900 Mastanlagen für Hühner gebaut werden. Mehr, als der | |
> Markt aufnehmen kann, sagen Gegner und warnen vor einem Preiskampf. | |
Bild: Mehr als genug: 900 Ställe sind geplant, dabei würden nur 80 benötigt. | |
BERLIN taz | Die deutschen Fleischproduzenten sind Kritikern zufolge auf | |
dem Weg zu einer gewaltigen Überproduktion von Hähnchenfleisch. 900 Ställe | |
für insgesamt 36 Millionen Tiere seien geplant, beantragt oder im Bau, | |
heißt es im Kritischen Agrarbericht 2012 von Umwelt-, Tierschutz-, | |
Entwicklungs- und Agraraktivisten. "In den nächsten drei bis vier Jahren | |
verträgt das Marktgleichgewicht aber nur 240 bis 320 Ställe für 9,6 bis | |
12,8 Millionen Hähnchen", sagte Autor Eckehard Niemann der taz. | |
Die Welle von Stallneubauten mit standardmäßig 40.000 Tieren pro Einheit | |
ist eine der Ursachen für den Protest gegen die Agrarindustrie. Viele | |
Teilnehmer der Demonstration am Samstag gehören zu Bürgerinitiativen etwa | |
in Niedersachsen, die sich gegen solche Bauprojekte wehren. | |
Sie befürchten, dass die Anlagen durch Gestank, Hühnertrockenkot und Keime | |
die Umwelt und die Lebensqualität der Nachbarn belasten. Zudem kritisieren | |
sie, dass die einseitig auf Wachstum des Brustfleischs gezüchteten Tiere | |
unter permanenten Schmerzen litten. | |
Auch für die Bauern könnte die Sache nach hinten losgehen. Im Kritischen | |
Agrarbericht rechnet Niemann von der ökologisch orientierten | |
Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft vor, dass der | |
Prokopfverbrauch von Hähnchenfleisch im vergangenen Jahrzehnt im Schnitt | |
nur noch um vier Prozent jährlich gewachsen sei - auf 11,4 Kilogramm im | |
Jahr 2010. | |
## Erinnert weniger an Tod | |
"Weißes Fleisch ist besonders mager und erinnert nicht so sehr an Blut und | |
Tod", erklärt Niemann diesen Anstieg. Pro Jahr seien aber lediglich 80 | |
zusätzliche Ställe nötig, um dieses Nachfragewachstum zu kompensieren. Denn | |
derzeit gebe es schon knapp 2.000 Masthähnchenanlagen, die bereits mehr | |
produzierten, als Deutschland verbraucht. Und vier Prozent davon sind eben | |
80 Ställe, nicht 900. | |
Das überschüssige Fleisch könnten Geflügelkonzerne aus Bundesrepublik und | |
der EU nur begrenzt in Drittstaaten wie Russland exportieren, schreibt | |
Niemann weiter. Schließlich produziere die Konkurrenz in Brasilien und den | |
USA noch günstiger. Deswegen setze diese "Hähnchenblase" die Europäer unter | |
Preisdruck. | |
Konzerne wie Wiesenhof würden ihn weitestgehend auf die hiesigen Landwirte | |
abwälzen, die für sie die Tiere mästen. Dabei würde schon jetzt kaum ein | |
Neueinsteiger in der Hähnchenmast "auch nur einen Cent verdienen". Grund | |
seien die gestiegenen Kosten für das Futter. | |
Fragt sich, warum die Bauern dennoch weiter Ställe bauen. Niemann glaubt, | |
dass viele Investoren noch schnell ein Projekt "durchziehen" wollten, bevor | |
der Staat wie erwartet durch neue Auflagen gegensteuert. Und viele | |
befürchteten, dass Wettbewerber ihnen zuvorkommen und sie dann aus | |
umweltrechtlichen Gründen in der Region nicht mehr bauen dürften. | |
22 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
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