Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Massentierhaltung: Grüner Plan für weniger Antibiotika
> Neue Regeln sollen üppige Medikamenten-Vergabe an Mast-Tiere unattraktiv
> machen. Denn manche Krankheitserreger sind in den Ställen resistent
> geworden.
Bild: Hat nicht lange zu leben, wird aber besser mit Medikamenten versorgt als …
HAMBURG taz | Weniger Antibiotika für Niedersachsens Hühner, Schweine und
Rinder - größere Überlebenschancen für Menschen mit Infektionskrankheiten:
Dieses Ziel verfolgt ein Programm, das die Grünen im Hannoverschen Landtag
am Montag vorgestellt haben. Es sieht eine Abkehr von der auf Masse
getrimmten Tierproduktion vor und ein Regelwerk, das eine unverantwortliche
Medikamentengabe in den Ställen unattraktiv machen soll.
Die Grünen stützen sich bei ihrem Vorstoß auf den "Bericht über
Antibiotikaeinsatz in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung", den
Agrarminister Gert Lindemann (CDU) Ende November präsentiert hat. Dabei
sind Schweine in 59 Prozent der "Mastdurchgänge" mit Antibiotika behandelt
worden und Hühnchen in 72 Prozent. Bei Puten waren es 92 Prozent, bei
Kälbern 100 Prozent.
Im Durchschnitt erhielt ein Huhn in seinem zirka 35-tägigen Leben, das
einem "Mastdurchgang" entspricht, knapp zweimal Antibiotika. 64 Prozent
erhielten zwei und mehr Gaben, gut fünf Prozent sechs und mehr.
Den Landtagsabgeordneten Christian Meyer von den Grünen beunruhigt an
diesem Bericht zum einen, wie verbreitet Antibiotika gegeben werden; zum
andern sind es die Fälle, in denen Antibiotika nur kurz oder wo mehrere
Mittel parallel verabreicht wurden. Bei den erfassten Mastschweinen
dauerten elf Prozent der Behandlungen nur einen Tag, weitere elf Prozent
nur zwei Tage.
Solche Praktiken deuten Meyer zufolge darauf hin, dass die Medikamente auch
gegeben werden, damit die Tiere schneller wachsen. Zugleich erhöhen sie das
Risiko, dass Erreger resistent werden und eines Tages in einem Krankenhaus
landen, wo den Patienten dann nicht mehr geholfen werden kann.
Zwar hat auch Landwirtschaftsminister Lindemann angekündigt, er wolle den
Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung verringern. Meyer kritisiert
Lindemanns Absichtserklärungen jedoch als vage. Außerdem müsse man das
Problem grundsätzlich angehen: "Wir wollen eine andere Tierhaltung haben",
sagt Meyer. In der jetzigen Massentierhaltung sei es nicht möglich, viel
weniger Antibiotika einzusetzen. Eine artgerechte Haltung mit robusteren
Rassen, die mehr Zeit haben zu wachsen - so stellt sich der Grüne die
Zukunft der Fleischproduktion vor.
Thomas Große-Beilage von der Bundestierärztekammer gibt zu bedenken, dass
die Bauern ihre Familien zu ernähren hätten und deshalb liefern müssten,
was der Markt fordere. "Der mündige Verbraucher entscheidet sich, ob er ein
Hähnchen bei Bratmaxe haben will", sagt Große-Beilage. Die
Bundestierärztekammer hat bereits in diesem Herbst einen eigenen Katalog
mit Vorschlägen erarbeitet - darunter eine bessere Vorsorge, um Antibiotika
erst gar nicht nötig zu machen.
In einem sind sich der Arzt, der dem Arzneimittelausschuss der Kammer
vorsitzt, und der Grünen-Politiker einig: Die Arzneimittel, die den Tieren
gegeben werden, sollten nicht nur erfasst, sondern es solle im Internet für
alle nachvollziehbar gemacht werden, welcher Betrieb in welchen Mengen
Medikamente ausgebe. Dann könne jeder Bauer sehen, "wo er steht".
Agrarminister Lindemann will zumindest die Ausnahme abschaffen, dass für
alle Mast-Tierarten erfasst wird, welche Medikamente in welche Landkreise
gehen - nur für die Hühner nicht.
Bei einem anderen Thema verweigern die Tierärzte den Grünen die
Gefolgschaft: Meyers will die Verschreibung vom Verkauf der Antibiotika
trennen, um keinen Verschreibungsanreiz zu bieten. Das wäre unnütz und
fatal, warnt Große-Beilage. "Wer verordnet, muss seine Nase hinhalten",
findet er. Außerdem würden die großen Tierarzt-Praxen ruckzuck ihre eigenen
Apotheken eröffnen.
19 Dec 2011
## AUTOREN
Gernot Knödler
## ARTIKEL ZUM THEMA
Antibiotikaeinsatz kaum reduziert: Aigners lahme Gesetzesnovelle
Der Entwurf für ein neues Arzneimittelgesetz taugt nichts. Umweltverbände
kritisieren, dass der Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung wegen Aigners
Initiative nicht sinke.
Überproduktion von Hühnerfleisch: Die drohende Hähnchenblase
Bundesweit sollen 900 Mastanlagen für Hühner gebaut werden. Mehr, als der
Markt aufnehmen kann, sagen Gegner und warnen vor einem Preiskampf.
Demo zum Start der Grünen Woche: Protest gegen Agrarindustrie
Landwirte, Umwelt- und Tierschützer wollen am Samstag in Berlin auf die
Straße gehen. Ihr Forderung: Klares Reduktionsziel für Antibiotika in der
Tierhaltung.
Gefährliches Geflügel im Supermarkt: Bakterienschleuder Hühnerbrust
Gefährliche Keime im Frischfleisch töten jährlich 25.000 Menschen in der
EU. Schuld ist laut Umweltexperten auch der massenhafte Einsatz von
Antibiotika in der Landwirtschaft.
Kommentar Medizin in der Tierzucht: Missbrauch als Methode
Die flächendeckende Vergabe von Antibiotika in den Mastställen legt den
Verdacht nahe, dass sie nicht nur zur Bekämpfung von Krankheiten eingesetzt
werden.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.