# taz.de -- Massientierhaltungs-Gegner: Bündnis gegen Billigfleisch | |
> Auch in Schleswig-Holstein nimmt die Massentierhaltung zu. | |
> Bürgerinitiativen und Tierschützer haben ein Bündnis gegründet, um für | |
> Alternativen zu werben. | |
Bild: Nun auch vermehrt im Norden: Hühner in Schleswig-Holstein, die sich gege… | |
KIEL taz | Wald, Felder und natürlich der See: Das 400-Einwohner-Örtchen | |
Stocksee in der Holsteinischen Schweiz präsentiert sich als | |
schleswig-holsteinische Postkartenidylle. Aber der Schein trügt, weiß Sven | |
Koschinski: Statt knapp 4.000 sollen demnächst 7.000 Schweine in großen | |
Mastanlagen grunzen, und auch die Zahl von heute 43.000 Hühnern könnte sich | |
verdoppeln, fürchtet der Mitbegründer der Initiative "Uns Bürgern stinkts". | |
Nicht nur in Stocksee, auch andernorts sind Tierfabriken mit Tausenden | |
Schweinen und Zehntausenden Hühnern geplant. Nun haben sich 19 | |
Bürgerinitiativen, Natur- und Tierschutzgruppen zu einem Bündnis | |
zusammengeschlossen, um Flagge gegen die Großbetriebe zu zeigen. | |
"Wir sind nicht gegen die Landwirtschaft oder gegen die Bauern", versichert | |
Stefan Johnigk von der Tierschutz-Gruppe Pro Vieh. Stattdessen gelte es, | |
"alle Beteiligten an einen Tisch zu holen". Auch konventionelle Bauern | |
wollten keine Massenbetriebe, meint Johnigk, "sie stehen aber unter | |
wirtschaftlichem Druck". | |
Die Preise für Fleisch befinden sich im freien Fall, Umsätze lassen sich | |
nur noch über Masse machen - die Folge sind größere Ställe und immer mehr | |
Tiere. Auskömmliche Erträge ließen sich so aber nicht erwirtschaften, sagt | |
Johnigk: "Wenn der Bauernverband sich für die Massentierhaltung einsetzt, | |
handelt er gegen die Interessen der Mehrzahl seiner Mitglieder." Das | |
Bündnis will für eine andere Form von Landwirtschaft werben und dafür | |
politischen wie öffentlichen Druck aufbauen. | |
In Schleswig-Holstein ist das Problem der Massen- und Intensivtierhaltung | |
bisher gering, besonders im Vergleich zum Nachbarland Niedersachsen, wo die | |
Gesamtzahl der Tiere, der Höfe und vor allem der Schlachtbetriebe um ein | |
Vielfaches höher liegt (siehe Shorty, taz berichtete). Aber Ina Walenda vom | |
Naturschutzverein BUND sieht in der Zukunft größere Probleme auf das Land | |
zukommen: "Wir erhalten zahlreiche Anfragen von Bürgern, in deren Orten | |
Massenbetriebe entstehen sollen." | |
Auch Johnigk geht davon aus, dass der Druck auf die Landwirte mit der | |
Nachfrage nach Billigfleisch wächst. Von Norden, von Dänemark her, steigt | |
die Nachfrage nach Schweinen. Und im Süden rotieren die Messer im neuen | |
Riesen-Schlachthof im niedersächsischen Wietze, der Millionen von Hühnern | |
braucht, um rentabel arbeiten zu können. "Bis nach Schleswig-Holstein rauf | |
werden Bauern angeworben, dafür zu liefern", so Biologe Johnigk. Lohnen tue | |
sich das kaum angesichts der Investitionskosten und der Centbeträge, die | |
die Landwirte pro Kilo Fleisch verdienen. | |
Dass es eine Tendenz zu größeren Betrieben gibt, bestätigt Christian | |
Seyfert, Sprecher des Landwirtschaftsministeriums in Kiel. Von einem Stand | |
wie in Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen sei das Land aber noch weit | |
entfernt, und dass zurzeit viele Großställe entstünden, sei ihm nicht | |
bekannt. Eine Rückkehr zu kleineren Hofgrößen hält er für unwahrscheinlich: | |
Kleinere Höfe seien nicht wettbewerbsfähig und würden wesentlich mehr | |
Subventionen brauchen. | |
Ina Walenda vom BUND treibt vor allem die Umweltbelastung durch die | |
Großbetriebe um. Die zusätzliche Gülle belaste die Bäche und Flüsse im Land | |
noch weiter - Schleswig-Holstein werde EU-Richtlinien für Gewässerschutz | |
und Biodiversität nicht einhalten können. Das sei "kein neues Thema", winkt | |
Ministeriumssprecher Seyfert ab. "Natürlich haben wir regional noch | |
Probleme mit den Grenzwerten in den Gewässern, andernorts sieht es sehr gut | |
aus." | |
Das neue Bündnis gegen Massentierhaltung will in den nächsten Monaten | |
einerseits Informationen austauschen, andererseits mit Aktionen für sein | |
Anliegen werben. Los geht es am heutigen Mittwoch mit einer Demonstration | |
vor dem Kieler Landtag - zeitgleich zur Parlaments-Debatte über artgerechte | |
Nutztierhaltung und Antibiotika-Einsatz. | |
24 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Esther Geisslinger | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Mitsprache der Kommunen bei Massenställen: Der Zersiedelung vorbeugen | |
Beim Bau von Ställen für Massentierhaltung soll Gemeinden nun ein größeres | |
Mitspracherecht eingeräumt werden. Das behindert den Fortschritt, findet | |
der Bauernverband. | |
Imagekampagne einer Burgerkette: McDonald's Vorzeigebauernhöfe | |
Der Fastfoodkonzern McDonald's präsentiert sich auf "Flagship Farms" als | |
umwelt- und tierfreundliches Unternehmen. Doch mehr als branchenüblich ist | |
der Standard nicht. | |
Exporte um 250 Prozent gewachsen: Fleisch geht um die Welt | |
Deutschland führt immer mehr Fleisch aus: 3,7 Millionen Tonnen waren es im | |
Jahr 2010. Laut Landwirtschaftministerin Aigner liegt das am | |
Bevölkerungswachstum. | |
Demonstration zur Grünen Woche: Umweltschützer fordern Agrarwende | |
Tausende Menschen demonstrieren gegen Tierquälerei und Umweltzerstörung | |
durch die industrielle Landwirtschaft. Die Politik aber bewegt sich nur | |
langsam. | |
Streit der Woche: Gut oder schlecht statt teuer oder billig | |
"Gutes Essen muss seinen Preis haben", meint Köchin Sarah Wiener. Der | |
nordrhein-westfälische Umweltminister Remmel vergleicht Essen mit | |
Autoreifen. | |
Landwirtschaft in Niedersachsen: Der Lobbyist der Kleinbauern | |
Eckehard Niemann setzt sich gegen riesige Hühnermasthallen ein. Die | |
Forderung: Ein Verbot gegen eine Haltung, in der Tiere zu sehr leiden. Eine | |
Freilandhaltung verlangt er nicht. |