# taz.de -- Völkerrechtler fordert Uranmunition-Verbot: "Die Waffe ist effekti… | |
> Militär und Rüstungsfirmen nutzen Waffen mit Uranmunition: Soldaten und | |
> Zivilisten sterben seit Jahren an Krebs. Trotzdem scheut die | |
> Bundesregierung die Ächtung. | |
Bild: Auf dem Nato-Übungsplatz auf Sardinien wird eine Rakete getestet. | |
taz: Herr Mohr, was ist Uranmunition? | |
Manfred Mohr: Uran-Munition ist eine spezielle konventionelle Waffe, deren | |
Geschossspitzen mit abgereichertem Uran (DU) gehärtet sind. Uran ist ein | |
Schwermetall mit extremer Dichte, 1.7 mal dichter als Blei, das verleiht | |
dem Geschoss eine sehr hohe Durchschlagkraft. Zudem ist DU ein | |
Abfallprodukt der Nukleartechnik und daher äußerst billig und in großen | |
Mengen zu bekommen. | |
Wofür werden diese Waffen benutzt? | |
Sie werden als panzerbrechende Waffen eingesetzt. Die DU-Geschosse | |
durchdringen Panzerungen und auch Bunker wie weiche Butter. Beim Auftreffen | |
entwickeln sie eine sehr hohe Hitze – bis zu 5000 Grad Celcius – und | |
brennen durch die Panzerung durch. Erst dann explodieren sie und setzen | |
dabei Giftwolken aus radioaktivem Staub frei. | |
Es gibt auch andere Möglichkeiten Geschosse zu härten, insbesondere mit dem | |
Schwermetall Wolfram. Solche Munition wird von der Bundeswehr eingesetzt. | |
Auch Wolfram ist riskant, da es wie alle Schwermetalle giftig ist. Doch es | |
ist nicht so effektiv und dazu bedeutend kostspieliger als DU. | |
Wer benutzt DU und wo wurde es eingesetzt? | |
20 Armeen sollen DU-Waffen besitzen. Nachgewiesenermaßen haben die USA und | |
Großbritannien abgereichertes Uran benutzt. Verifizierte Einsatzgebiete | |
waren das Kosovo, Serbien und der Irak. Andere Einsatzszenarien sind | |
umstritten, wie Afghanistan oder Libyen. Aber es gibt Hinweise darauf, dass | |
auch dort DU-Munition verschossen wurde. | |
Bezeichnenderweise haben die kriegsführenden Mächte gleich zu Beginn der | |
Operation in Libyen erklärt, dass sie keine Uran-Munition verwenden. Man | |
fühlt sich wohl moralisch auf der falschen Seite, wenn man zugibt, | |
DU-Munition einzusetzen. | |
Welche Folgen hat der Einsatz für die Bevölkerung? | |
Uran ist ein Schwermetall und hochgradig toxisch und auch eine strahlende | |
Substanz. Uran ist also im doppelten Sinne schädlich – durch seine | |
chemische und radiologische Giftigkeit. Beim Auftreffen dieser Geschosse | |
entstehen giftige Staubwolken, die kleinste Nanopartikel beinhalten. | |
Diese Nanopartikel werden eingeatmet, kontaminieren den Boden und das | |
Grundwasser. Dadurch ist die Bevölkerung unmittelbar gefährdet, sich | |
hochgradige Vergiftungen zuzuziehen. DU ist genotoxisch, das heißt es kann | |
die Gene beeinflussen und ist damit schädlich für den menschlichen | |
Organismus, mit katastrophalen Folgen wie Nierenschäden, Tumore, | |
Fehlgeburten, Missbildungen und Krebs. | |
Das betrifft auch die Soldaten. Tausende Veteranen sind am | |
Golfkriegssyndrom erkrankt. Gab es keine Schutzkleidung? | |
Im normalen Kampfeinsatz sind die Soldaten nicht geschützt. Es gibt | |
lediglich Schutzvorkehrungen für die Einheiten, die hinterher solche | |
Gebiete aufräumen. Oft hatten die verbündeten Militärs keinerlei | |
Informationen über den Einsatz von DU, darum wurden keine Schutzmaßnahmen | |
getroffen. So erging es beispielsweise Soldaten aus Italien und auch der | |
Bundeswehr im Kosovo-Einsatz. | |
Italien hat 2009 die kausalen Zusammenhänge von DU-Munition und bestimmten | |
Krebserkrankungen anerkannt und 30 Millionen Euro als Wiedergutmachungsfond | |
bereitgestellt – für kranke Militärangehörige. Was geschieht mit der | |
Zivilbevölkerung in den betroffenen Regionen? | |
Die bleibt sich selbst überlassen. Ähnlich dramatisch ist die | |
Umweltzerstörung auf militärischen Übungsplätzen, auch dort wird neben | |
anderen Kampfmitteln DU verschossen. Durch die kriegsvorbereitenden Manöver | |
ist die dortige Zivilbevölkerung ebenfalls multitoxischen Vergiftungen | |
ausgeliefert. | |
Die aktuellen Ermittlungen und Klagen gegen den Truppenübungsplatz "Salto | |
di Quirra" auf Sardinien zeigen, wie brisant das Thema DU und die | |
Verseuchung durch Kampfstoffe auch in Europa ist. | |
Die Bundesregierung hat zwar den Atomausstieg beschlossen, die Ächtung von | |
DU-Munition scheut sie aber, da gesundheitsschädliche Auswirkungen der | |
Waffen nicht wissenschaftlich erwiesen seien. Wird das DU-Problem von | |
Politikern verharmlost? | |
Zum einen sagt die Bundesregierung: wir sind sauber, wir haben solche | |
Waffen nicht und zum anderen gibt es diese detaillierten Schutzvorkehrungen | |
für BW-Soldaten, die in betroffene Gebiete geschickt werden. Man erlässt | |
Schutzvorschriften und meint, damit hätte man genug getan, um die eigene | |
Truppe zu schützen. Dass darüber hinaus die Bevölkerung betroffen ist, wird | |
einfach übergangen. | |
Für viele Politiker ist das Thema nicht brisant genug. Man scheut sich | |
davor, sich zu stark zu engagieren, da solche Kritik gern als | |
anti-amerikanistisch ausgelegt wird. Auch der Druck der DU-Staaten selbst | |
ist sehr hoch. Aus militärischer Sicht ist die Waffe höchst effektiv und | |
zudem billig, auf so eine Wunderwaffe möchte man ungern verzichten. | |
25 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Marie-Claude Bianco | |
Marie-Claude Bianco | |
## TAGS | |
Kosovo | |
UN-Resolution | |
Recherchefonds Ausland | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Nato-Luftangriffe auf Jugoslawien: Sagt Sorry fürs Uran! | |
Zwanzig Jahre nach dem Kosovokrieg kritisieren AktivistInnen den Einsatz | |
radioaktiver Munition. Von der Regierung fordern sie Konsequenzen. | |
UN-Resolution gegen Uranmunition: Deutschland sind die Risiken egal | |
Ob Uranmunition Krankheiten verursacht, ist umstritten. Einer | |
UN-Resolution, die neue Studien dazu fordert, stimmte Deutschland nicht zu. | |
Doku über militärische Verseuchung: Alles in die Luft gejagt | |
Nach einer taz-Recherche widmet sich nun das ZDF der Verseuchung rund um | |
ein Waffentestgelände: „Sardiniens tödliches Geheimnis“. | |
Tatsachen-Thriller „Tödlicher Staub“: Lämmer ohne Augen | |
Seit Jahren häufen sich rund um die militärischen Sperrgebiete auf | |
Sardinien Krebserkrankungen. Massimo Carlotto hat daraus einen spannenden | |
Thriller gemacht. | |
Militärische Verschmutzung auf Sardinien: Blei, Uran und Morddrohungen | |
Gift und Sprengstoff auf einem Truppenübungsplatz bedrohen die Anwohner und | |
den Tourismus auf Sardinien. Jetzt lädt das EU-Parlament zu einer Anhörung. | |
Müllkippe der Nato: Das vergiftete Paradies | |
Auf Sardinien testen Militär und Rüstungsfirmen Waffen. Anwohner sterben an | |
Krebs, Kinder werden ohne Finger geboren. Jetzt ermittelt ein Staatsanwalt | |
wegen Mord. |