Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Weltsozialforum in Porto Alegre: Gegen den Zugriff der Konzerne
> Eindrücke vom WSF: Brasiliens Umweltbewegungs-Ikone Marina Silva lässt
> sich feiern. Der Gentechkritiker Pat Mooney sagt: "Ihr könnt die Natur
> nicht besitzen."
Bild: Ernste Blicke: Demonstrantinnen am ersten Tag des Weltsozialforums.
PORTO ALEGRE taz | Für viele Basisaktivisten ist das Weltsozialforum (WSF)
auch elf Jahre nach seiner Gründung wichtig. Aus dem fernen El Salvador ist
Carolina Maya ins hochsommerliche Porto Alegre gereist. Hier tauscht sich
die 38-jährige Umweltschützerin, die sich gegen Bergbauprojekte engagiert,
mit Gleichgesinnten aus. Zwischendurch kommt sie in die Juristische
Fakultät der Universität, um einige Stars der Bewegung live zu erleben.
Unter anderen sind der Befreiungstheologe Leonardo Boff und die frühere
Umweltministerin Marina Silva geladen. In dem überfüllten Auditorium werden
die beiden begeistert begrüßt. "Mit einem Prozent des Spekulationskapitals
von 600 Billionen Dollar an den Börsen könnten wir die Erde retten", sagt
Boff. Leider sei aber der von ihm mitverfassten "Erdcharta" auf UN-Ebene
nur wenig Erfolg beschieden.
Silva, die Ikone der brasilianischen Umweltbewegung, nutzt das Sozialforum
zur Vorbereitung ihrer Präsidentschaftskandidatur 2014. Unter großem
Beifall fordert sie, Staatschefin Dilma Rousseff müsse ihr Veto gegen das
vom Parlament beschlossene Waldgesetz einlegen, das in der jetzigen Form
vielen Waldzerstörern Straffreiheit garantiert. Weitere Referenten stellen
"nachhaltige Städte" vor, Ökoprüfsteine für den kommenden
Kommunalwahlkampf.
Grundsätzlicher geht es auf dem Seminar "Ökosozialismus oder Barbarei" der
Rosa-Luxemburg-Stiftung zu. WSF-Veteran Christophe Aguiton von Attac
Frankreich stellt fest, dass sich die Bewegung ausdifferenziert habe. "1999
waren wir alle gegen den Neoliberalismus, an der ökologischen Frage jedoch
scheiden sich die Geister", sagt Aguiton und plädiert für weniger
Staatsfixiertheit der Linken.
## Kontrolle über die Artenvielfalt
Im Rahmen einer "Green Economy" strebten die Agrar- und Pharmamultis die
totale Kontrolle über die Artenvielfalt an, warnt der Gentech- und
Geoengineeringkritiker Pat Mooney aus Kanada. Wie schon auf dem großen
UN-Umweltgipfel in Rio 1992 gehe es um "Besitz und Kontrolle der
natürlichen Ressourcen", meint Mooney. Damals hätten sich die
"Kolonialmächte" durchgesetzt, "die Biodiversität Lateinamerikas lagert im
Botanischen Garten von Berlin und anderen Genbanken des Nordens",
kritisiert Mooney.
Der 64-Jährige gehört zu jenen Intellektuellen, die während des Forums die
Grundsatzpapiere für den "Gipfel der Völker" vorbereiten, der im Juni
parallel zum Rio+20-Umwelttreffen am Zuckerhut stattfindet. "Unsere
Botschaft in Rio muss lauten: Ihr könnt die Natur nicht besitzen", ruft er
beschwörend. Die Ermahnungen an die Globalisierungskritiker, sie sollten
sich konstruktiv zeigen, tut er als "Bullshit" ab: "1992 waren wir positiv,
und was ist dabei herausgekommen? Wir haben einen Haufen schöne Worte, die
Konzerne haben einen Haufen Geld."
Dennoch schließt er mit einer überraschend optimistischen Perspektive:
"Weltweit werden immer noch 70 Prozent der Lebensmittel von Kleinbauern
produziert, und jeweils 70 Prozent des Wissens über Artenvielfalt und
medizinische Heilmittel befinden sich im Besitz indigener Völker", sagt er.
Die sozialen Bewegungen müssten aber noch enger zusammenarbeiten, um den
Zugriff der Konzerne abzuwehren.
Und er weist darauf hin, dass Brasilien nun mit dem Vorsitz der
UN-Ernährungsorganisation FAO und dem Exekutivsekretär der
Biodiversitätskonvention gleich zwei Schlüsselpositionen auf UN-Ebene
innehat. FAO-Chef José Graziano hatte tags zuvor bereits angekündigt, er
wolle in der Landwirtschaft von der derzeitigen Exportfixierung wegkommen
und "regionale Kreisläufe" stärken.
26 Jan 2012
## AUTOREN
Gerhard Dilger
## TAGS
Schwerpunkt Occupy-Bewegung
Schwerpunkt Occupy-Bewegung
## ARTIKEL ZUM THEMA
Pro und Contra Weltsozialforum: Brauchen wir ein Weltsozialforum?
Rund 30.000 Aktivisten werden beim Weltsozialforum sein. Aber ist das Forum
der Globaliserungskritiker überhaupt noch zeitgemäß?
Welthungerreport der UN: Jeder Achte ist unterernährt
Die Zahl der Hungernden ist weltweit gesunken. Aber seit 2007 stagniert der
Rückgang deutlich. Noch immer sind fast 870 Millionen Menschen betroffen.
Globalisierungsprotest in China: "Lügner und Parasiten" der Wall Street
Chinas angeblich erster Globalisierungskritiker Du Jianguo greift
Weltbankpräsident Robert Zoellick an. „Gift für China" sei dessen Bericht.
Herr Du wurde hinausgeworfen.
Weltsozialforum in Porto Alegre: Gemeingüter als dritter Weg
In Porto Alegre wird der Diskurs über die "Commons" zum
globalisierungskritischen Mainstream. Zwischen Markt und Staat soll sie zur
dritten Alternative werden.
Weltsozialforum in Brasilien: Breitseite gegen Davos
Die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff kritisiert neoliberale
EU-Wirtschaftspolitik. In Südamerika hingegen habe man demokratisch auf die
Krise reagiert.
Beginn des Weltsozialforums: Jenseits der Green Economy
In Porto Alegre beginnt das Weltsozialforum. Die Globalisierungskritiker
bereiten sich auf die UN-Umweltkonferenz Rio+20 im Juni vor.
Kommentar Weltforen: Müder Norden, munterer Süden
Im Luxuskurort Davos findet das Weltwirtschaftsforum und im sonnigen Porto
Alegre das Weltsozialforum statt. Mehr Demut würde dem reicheren Norden
nicht schaden.
Die vier Phasen der Globalisierungskritik: Der Zyklus des Protests
Beim Weltwirtschaftsforum in Davos wird man die vierte Phase der
globalisierungskritischen Bewegung beobachten können. Bei Occupy wird sich
der Prozess wiederholen.
Weltsozialforum in Dakar geht zu Ende: Eine andere Bewegung ist möglich
Zum Ende des globalen Treffens der Globalisierungskritiker in der
senegalesischen Hauptstadt dominiert die chaotische Organisation. Und das
neue Vorbild Tunesien.
Kommentar Weltsozialforum: Dürftige Bilanz
Keine Impulse durch die Revolten in Tunesien und Ägypten, und mangelnde
Kooperation zwischen Nord und Süd auch beim Weltsozialforum selbst – ein
karges Resultat.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.