# taz.de -- Deutsche Bahn gewinnt Ausschreibung: Comeback mit Kampfpreisen | |
> Die Deutsche Bahn gewinnt den Wettbewerb um die Strecken von Hamburg nach | |
> Kiel und Flensburg. Grund ist ein günstiges Angebot, das auf | |
> Fahrgastzuwächse spekuliert. | |
Bild: Zog den Kürzeren beim Wettbewerb um die Bahnstrecken von Hamburg nach Ki… | |
HAMBURG taz | Für Manager der Deutschen Bahn muss der Besuch des Bahnhofs | |
Neumünster zu Beginn dieses Jahrtausends ein Schock gewesen sein: Züge von | |
fünf Konkurrenten kamen hier an und fuhren ab. Ein Symbol für die vielen | |
Niederlagen für die Regionalbahntochter des Staatskonzerns bei | |
Ausschreibungen. Doch in dieser Woche wurde bekannt, dass die Deutsche Bahn | |
(DB) auf den Strecken Hamburg-Flensburg und Hamburg-Kiel den Zuschlag | |
erhält, wenn kein Wettbewerber erfolgreich Einspruch erhebt. | |
Diese attraktiven Pendler-Verbindungen wurden zum ersten Mal | |
ausgeschrieben. Vorher hatte sie stets die DB befahren. Bereits beim | |
Fahrplanwechsel im Dezember 2011 hatte die Deutsche Bahn dann zwei Strecken | |
übernommen, die zuvor die Nord-Ostsee-Bahn betrieb: Husum - Kiel sowie | |
Husum - Sankt Peter Ording. Die Ausschreibung funktioniert dabei so, dass | |
das Land Takt und Ausstattung der Züge vorgibt. Dann bieten die | |
Eisenbahnunternehmen, und das beste Angebot - oft das günstigste - gewinnt. | |
Ein Verfahren, von dem auch der Fahrgastverband Pro Bahn überzeugt ist: | |
"Der Wettbewerb hatte in Schleswig-Holstein große Effekte: Es gab mehr | |
Leistung für weniger Geld vom Land", sagt Landesvorstand Stefan Barkleit. | |
Zudem beeinflusse das verbesserte Angebot die Fahrgastzahlen: "Die Nutzung | |
steigt oft schneller, als die Kapazitäten erhöht werden können." | |
Bei den Strecken von Hamburg nach Kiel und Flensburg hat das Land etwa | |
vorgegeben, dass der Takt verdichtet wird: Ab Dezember 2014 wird von | |
Hamburg nach Kiel halbstündlich statt stündlich gefahren. Und nach | |
Flensburg geht es nicht mehr zweistündlich, sondern jede Stunde. | |
Trotz dieser Verbesserungen wird das Land viele Millionen sparen - im | |
Vergleich zum alten Vertrag mit demselben Anbieter: der DB. Deren 2014 | |
auslaufender Vertrag war geschlossen worden, bevor das Land entschied, | |
solche Strecken auszuschreiben. Die DB hat laut [1][Hamburger Abendblatt] | |
angeboten, die Strecke künftig für 2,86 Euro pro gefahrenem Kilometer zu | |
bedienen. Bisher soll sie, so ist aus der Landeshauptstadt zu hören, drei | |
bis vier Mal so viel dafür bekommen. | |
Dieses Angebot kann sie nur durch eine besondere Option im | |
schleswig-holsteinischen Ausschreibungsverfahren abgeben: Die Anbieter | |
dürfen zusätzlich zum Hauptangebot eine zweite, günstigere Offerte für | |
dasselbe Projekt unterbreiten, die von den starren Vorgaben etwas abweicht. | |
Mit diesem "Nebenangebot" hat sich die Bahn in diesem Fall durchgesetzt: Im | |
Hauptverfahren war sie kursierenden Zahlen zufolge nur Zweitplatzierter - | |
mit einem Gebot von 6,82 Euro hinter der Nord-Ostsee-Bahn mit 5,81 Euro und | |
vor der Nordbahn mit 6,85 Euro. Bei diesem Modell bekäme das Land Anteile | |
aus den Erlösen vom Ticketverkauf zurück. Beim günstigen Nebenangebot | |
dagegen nicht. Da bietet die Bahn zwar günstiger, behält aber die gesamten | |
Ticket-Erlöse. Man spekuliert wohl auf massive Fahrgastzuwächse. So kommt | |
es zustande, dass das Land rund 20 Millionen Euro pro Jahr spart und mehr | |
Leistung bekommt. | |
Offiziell kommentieren mag diesen Vorgang in Kiel niemand: Die am | |
Vergabeverfahren beteiligten Unternehmen und Behörden schweigen. Denn erst | |
am Mittwoch hat der zuständige Landtagsausschuss das Gebot abgenickt. Die | |
unterlegenen Unternehmen können die Vergabekammer anrufen oder klagen. | |
Im Kieler Landtag ist man von den Einsparungen einerseits begeistert. Aber | |
es gibt auch Skeptiker. Sie fürchten, dass sich der DB Konzern das günstige | |
Angebot seiner Regionalbahntochter anderswo wieder reinholt: Indem die DB | |
Netz, ein anderes Tochterunternehmen, die Preise für Trassen und Stationen | |
erhöht. | |
Im Bahnhof Neumünster ist das Comeback der Bahn schon zu sehen: Hier fahren | |
nur noch zwei Konkurrenten der DB ab. Und nicht mehr fünf. | |
26 Jan 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://www.abendblatt.de/region/article2167519/DB-Tochter-gewinnt-Nordstrec… | |
## AUTOREN | |
Daniel Kummetz | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Bahn-Konkurrenz im Fernverkehr ab Herbst: Die Alternative kommt | |
Das Unternehmen MSM will ab Herbst mit der Deutschen Bahn auf den Strecken | |
von Köln nach Berlin und Hamburg konkurrieren. Auf Fernstrecken hat die | |
Bahn bisher noch ein Monopol. | |
Bahn will Verspätungs-Mails schicken: Pünktlich gewarnt | |
Die Bahn will in Zukunft Zugverspätungen per E-Mail ankündigen. Die | |
Reisenden sollen per Frühwarnsystem bis zu zwei Stunden vorher über | |
Verschiebungen im Fahrplan informiert werden. | |
Kommentar Nahverkehr in Schleswig-Holstein: Besser und billiger | |
Die Bahn musste sich wandeln, weil sie sich neuer Konkurrenten erwehren | |
musste. Die Mitbewerber haben dazu beigetragen, dass Zugfahren wieder | |
attraktiv wurde. | |
Kommentar Experimente im Nahverkehr: Wettbewerb wirkt | |
Es kann richtig sein, auch den Bahn-Fernverkehr zu subventionieren. Auf | |
Dauer muss es aber Ziel der Politik sein, dass auch hier mehr Wettbewerb | |
herrscht. | |
Bahn-Experiment in Ostfriesland: Mit dem Nahverkehrsticket im Intercity | |
In Ostfriesland können Nahverkehrskunden bald ohne Aufpreis | |
Fernverkehrszüge nutzen. Grundlage ist ein umstrittener Deal mit der | |
Deutschen Bahn. | |
Privatbahner im Streik: 100 Tage nicht im Führerhaus | |
Seit über drei Monaten streiken die Lokführer der Nord-Ostsee-Bahn. Doch | |
sie werden weniger, auf dem Husumer Bahnsteig. Ein morgendlicher Besuch im | |
Streiklokal. |