# taz.de -- Soziologe über Superreiche in der Krise: "Die Geldelite braucht ke… | |
> Hans-Jürgen Krysmanski über die kleine Elite von Superreichen, die von | |
> der Finanz- und Schuldenkrise profitiert und zunehmend Einfluss auf die | |
> Politik nimmt. | |
Bild: Luxus, Luxus, Luxus – und immer an die Zinsen denken. | |
taz: Herr Krysmanski, warum werden die Reichen durch die Finanz- und | |
Wirtschaftskrise immer reicher? | |
Hans-Jürgen Krysmanski: Die Schuldenkrisen sind immer Boomzeiten für | |
Gläubiger: Klamme Regierungen brauchen Geld. Wenn dann Ratingagenturen | |
helfen, die Zinsen nach oben zu treiben, dann bekommen die, die Geld haben | |
und anlegen können, nicht mehr nur 3, sondern 7 oder 8 Prozent Rendite für | |
Staatsanleihen. Staatsschulden bedeutete schon immer die Umverteilung von | |
unten nach oben. | |
Kennt man die Reichen, die den Staaten zurzeit Geld leihen? | |
Wegen des Bankgeheimnisses kann man einzelne Personen nicht identifizieren. | |
Im Durchschnitt haben die reichsten 0,1 Prozent der Westeuropäer in den | |
vergangenen fünfzehn Jahren ihr Vermögen schätzungsweise verdreifacht. Auch | |
die laut Manager Magazin 500 reichsten Deutschen sind in dieser Zeit | |
reicher geworden, etwa die Otto-Familie, die rund 9 Milliarden Euro | |
Vermögen hat; Jan Philipp Reemtsma mit 650 Millionen Euro; auch die zu | |
Guttenbergs gehören dazu mit rund 500 Millionen Euro Vermögen. | |
Die Ranglisten sind nicht ganz zuverlässig. Es gibt bestimmt Milliardäre, | |
die kein Mensch kennt. Aber was ist gegen solche Summen schon der kleine | |
Ackermann mit gerade einmal 11 Millionen Euro im Jahr? | |
Es sind nicht die ominösen Märkte, die die Krise ausgelöst haben? | |
Von "den Märkten" oder "den Strukturen" zu reden ist zu einfach. Denn | |
Strukturen können nicht handeln, das können nur Menschen. In unserem Fall | |
also Banker, Ökonomen, Medienleute, aber auch der Fürst von Monaco mit | |
seinem Steuerparadies oder die Fürsten von Liechtenstein. All diese Gruppen | |
sowie die Banken generell sind Dienstleister ihrer Großkunden. | |
Das klingt jetzt sehr nach Verschwörungstheorie. | |
Ist es aber nicht! Die Zahlen sprechen für sich: Die 500 reichsten | |
Deutschen verfügen laut Ratinglisten über ein Vermögen von rund 3.300 | |
Milliarden Euro. Das ist die Hälfte des Gesamtvermögens der Deutschen. Der | |
jährliche Bundesetat liegt bei 305 Milliarden. | |
Welche Rolle spielt die Korruption? | |
Eine geringe. Die Geldelite braucht keine Korruption, sondern Netzwerke und | |
Hilfskräfte: Banker, Politiker, Berater. Allein die 500 reichsten Deutschen | |
dürften von einem Kranz von rund 50.000 Personen umgeben sein. Sie sind | |
miteinander vernetzt, treffen sich in Bayreuth, rund um bestimmte Banken | |
und in Stiftungen oder in Davos. Dort werden Strategien entwickelt, Gesetze | |
auf den Weg gebracht. Es existiert ein informelles Herrschafts- und | |
Kontrollsystem neben und über dem parlamentarischen System. | |
Unsere Politiker verkaufen uns, dass sie in Brüssel versuchen den Euro zu | |
retten. Ist das falsch? | |
Der EU-Kommissionspräsident Barroso hängt ebenso an reichen Freunden wie | |
der deutsche Bundespräsident. Der EU-Beamtenapparat hat sich | |
verselbstständigt. Er ist zu einer Art Überstaat geworden. Alle sagen, man | |
müsse die Bezüge der Abgeordneten an die Gehälter der Wirtschaft anpassen, | |
damit sie wieder auf Augenhöhe mit den Managern und Bankern verhandeln | |
können. Doch man sollte ihre Bezüge auf das Niveau der Volksmassen | |
absenken, damit es wieder mehr um die Sache geht und weniger um den | |
persönlichen Aufstieg. | |
Gibt es auch Lichtblicke? | |
Ja. Mittlerweile sind drei Einsichten allgemein anerkannt. Erstens die | |
extreme Ungleichheit der Einkommen. Zweitens der extreme Einfluss von | |
Geldmacht auf die Politik. Und drittens der extreme Einfluss des | |
Bankensystems. Inzwischen sagen alle, die Macht der Banken macht uns kaputt | |
– sogar jemand wie Mario Monti. Jetzt müssen nur noch die Politiker diese | |
Einsichten verinnerlichen und danach handeln. | |
Gibt es schon Alternativkonzepte? | |
Es gibt erste Ansätze – etwa mit der Occupy-Bewegung. Aber noch sind die | |
Menschen von der Krise nicht betroffen genug. Erst wenn sie am | |
Geldautomaten keine Euros mehr bekommen, wird es Aufstände geben. | |
Und Ihre Idee für ein gerechteres und wirtschaftlich stabiles Europa? | |
Ich habe nur Bausteine. Es wird etwas mit den neuen Medien zu tun haben, | |
mit Internet und Transparenz. Und wir brauchen eine radikale Besteuerung | |
der Reichen – von mir aus bis zu 90 Prozent für Milliardäre. Allein von den | |
500 reichsten Deutschen kämen dann jährlich 300 Milliarden zusammen. Sorgen | |
über Schulden müsste sich dann kein Staat mehr machen. Aber das sind | |
utopische Forderungen. Die Politik traut sich ja nicht einmal, die Banken | |
und die Märkte zu regulieren und bei der Steuerpolitik mit dem Umdenken | |
anzufangen. | |
29 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Ruth Reichstein | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Occupy-Bewegung | |
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