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# taz.de -- Luxusgut Butler: Sozialarbeiter für Superreiche
> Butler John holt Brötchen, fährt Auto und serviert am Strand eine Bulette
> auf einem Goldtablett. Er arbeitet auf Sylt und übernachtet auf dem
> Campingplatz.
Bild: Luftküsse für Nita: Butler John mit seiner Kundin Daniela Nita und Hund…
Sie mögen seine Geschmeidigkeit und seine Verschrobenheit, seine weißen
Handschuhe. Für die Reichen, die Bankiers und die Anwälte, für die mit den
Privatjets und den Privatzügen ist er ein Stück Maß in einer Welt der
Maßlosigkeit - oder zumindest ein hübsches Accessoire.
Er, Butler John, ein kleiner Mann mit Bauch, dunklem Mantel, dunklem
Jackett, mit Krawatte, Schnurrbart und Melone, er trotzt dem Wind, der über
Westerlands grauen Bahnhof fegt. Die Schritte bedacht, die Nase leicht
angehoben, seine rechte Hand hält den Hut, der wegfliegen will, seine linke
öffnet die Tür eines dunklen Mercedes, S-Klasse. "Milady."
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"Ich sammle Menschen." Butler John wendet den Wagen. Nein, nein, das sei
natürlich nicht sein Auto. Es gehöre seiner Kundin und langjährigen
Bekannten Daniela Nita, "Ehefrau eines Düsseldorfer Unternehmers", der nur
am Wochenende Zeit habe und die Danny dann unter der Woche hoch nach Sylt
schicke. Zu ihm, zu John. John würde schon auf sie aufpassen. Die Danny sei
gerade zu Besuch, ob man sie vielleicht mal sehen wolle?
Daniela Nita wartet im Restaurant des Sternehotels Garni Monbijou, warmes
Licht, Blick auf die Nordsee. Sie trägt Glitzerpaillettenjacke und Hund auf
dem Schoß, ein Bolonka Zwetna, wie sie gleich erklärt, "ihr Name ist
Mausi".
Butler John nippt am Espresso, lehnt sich nach vorn, schenkt Nita Wein
nach, zählt Arbeitgeber auf, reicht ihr auch Wasser, lehnt sich zurück:
"Heinz Bauer, Hamburger Verleger", er legt die Stirn in Falten, "Enno Baron
von Marcard, leider verstorben", er schüttelt den Kopf, "Elisabeth Fürstin
von Bismarck", er wirft Nita einen Luftkuss zu, "Axel Schröder von Axel
Schröder und Partner" - Unternehmensberater. Butler John hebt den
Zeigefinger. "Der Kreis, der ganz viel Kapital hat, hört auf meinen Rat."
Daniela Nita nickt. Warum sie auf seinen Rat höre? "Weil John so ist, wie
er ist."
Weil er ist, was er ist: ein bisschen Glanz auf einer Insel, die ein
bisschen an Glanz verloren hat seit den Partys der Achtziger, den Promis in
und den Ferraris vor der "Sansibar". Seit die Reichen auf die Bahamas und
einige Zipfel von Mallorca ziehen - und Kampen, Deutschlands teuerstes
Dorf, mit seinem blau-weißen, nordisch-kühlen Schick etwas blass aussehen
lassen.
Butler John, 67 Jahre, eigentlich aus Böhmen, eigentlich aufgewachsen in
Berlin - erst Ost, dann West, eigentlich Klaus-John Weber, ist, so steht es
klein auf seiner Visitenkarte, "diskret & leise", ein "Frühstücks- und
Familiendienst", zuständig für "Backwaren, Einkäufe, Begleitung", zuständig
für - so steht es kursiv auf seiner Visitenkarte - "Seelsorge". Früh
morgens, vor allem zur Hauptsaison im Juli und August, packt er Zeitungen
ein, kauft Jogurt und Brötchen, "manchmal bei vier verschiedenen Bäckern" -
je nachdem, was "die Herrschaften" wünschen, Schwarzbrotkracher zum
Beispiel - und hängt die vollen Einkaufstüten an die Haustüren seiner
Kunden, während die noch schlafen. Ob man vielleicht sehen wolle, wo?
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"Jeder Mensch ist ein neues Spiel." Butler John wendet den Wagen. Ja, das
sei nun sein Auto, der dunkle VW Golf. Er gibt Gas, passiert Leuchttürme,
Schafe und graues, mattes Meer. Bei jedem Job müsse er aufs Neue
herausfinden, wie er dem "Sir" oder der "Gnädigsten" zu dienen habe.
"Manche wollen in den Arm genommen werden, andere lieben die Distanz."
Ob er sich wirklich als Sozialarbeiter für Superreiche sieht? "Die
Reichen", sagt er und betont das "die", "gibt es nicht." Und wenn es "die"
Reichen gäbe, so wären sie arm. "Mit zunehmendem Bekanntheitsgrad nimmt die
Lebensqualität ab", sagt der Mann mit Melone. Weil sie Angst hätten vor den
Menschen, ihnen anerzogen werden würde, vorsichtig zu sein, niemals
Schwächen zuzulassen. "Man könnte ja im eigenen Haus belauscht werden."
Butler John fährt jetzt durch Kampen, passiert Cartier, Wempe, Louis
Vuitton. Das "i" im "Louis" hat wohl der Wind umgeknickt. Es hängt lose zur
Seite.
Dann ist er da, wo er sein will, List auf Sylt. "Hier wohnt man." Butler
John hält an, vor Häusern mit Reetdächern. "Hier wohnt Schulte-Hillen,
Ex-Aufsichtsrat des Stern." Wie lange er schon Butler ist und auf Sylt?
Seit ihm Banker Baron Léon Lambert vor 43 Jahren den Vorschlag gemacht
habe. Das Angebot, Lamberts Schloss in Belgien zu hüten, schlug Butler John
aus. Aber Lamberts Anwesen auf Sylt, ja, das konnte er sich vorstellen.
Warum auch nicht. Er hatte doch Lebenserfahrung. Ein paar Semester
Wirtschaft studiert, ein paar Semester Schauspiel. Dazwischen als
Übersetzer gearbeitet und als Geschichtslehrer und als Nachtkellner im
Bordell. Und sieben Kinder gezeugt mit sieben Frauen.
"Dort wohnt Heinz Bauer, der Verleger aus Hamburg." Wie viel er verdient
pro Butler-Auftrag? Früher seien es nie unter tausend Mark gewesen. Pro
Empfang, den Butler John ausgerichtet hat. Pro Feier, bei der er draußen
stand und Gäste begrüßte, oft im Regen. "Dort wohnt Bauers Bruder."
Mittlerweile aber seien viele seiner Kunden Freunde, da verlange er kein
Geld mehr, oft steckten sie ihm eben "nen Taler" zu. "Dort wohnt Bauers
Schwester." Was solle er auch Geld verlangen, wenn eine seiner Damen nachts
um zwei anruft, der Cognac aus ist? "Mich interessiert nicht das
Einkommen", sagt der Mann mit den Goldknöpfen am Jackett. "Mich
interessiert die Person."
Butler John gibt Gas, passiert Günther Jauchs Sitz, Dünen und Schilf.
Diesmal hält er vor einem kleinen, runden Haus aus Backstein, "wohl das
teuerste der Welt". Es ist ein Ferienhaus für Kinder, genannt "Waterküken",
Quadratmeter: 30, Kaufpreis: 4,8 Millionen Euro. Johannes B. Kerner hätte
sein Söhnchen und die Töchterchen schon mal darin untergebracht.
Butler John, arbeiten Sie für den auch? "Kerner? Der ist nicht meine
Zielgruppe. Ich arbeite für die, die Kerner bezahlen."
Und wo wohnen Sie eigentlich? Butler John streift sich einen weißen
Handschuh über, nur einen, das bedeutet, dass er "im Dienst ist, aber
ansprechbar". Zwei würden bedeuten, dass er seinem Auftraggeber "in
Anführungszeichen: gehört". Er wohne nicht weit, ob man es vielleicht sehen
wolle?
##
"Ich schwimme im Kapitalismus. Er trägt mich." Butler John parkt. Eine
einfache Gegend mit vielen Parkplätzen und keinem Blick auf die Nordsee.
Der Wind pfeift, aber Butler John trotzt ihm und der Kälte, aufrecht, die
Nase leicht angehoben, schreitet er ins Warme, sein Zuhause. Natürlich
ließe sich das vereinbaren, die vornehme Gesellschaft und er, der rote
Revoluzzer, der für das linke Jugendmagazin elan geschrieben habe, er, der
Friedensaktivist, der dabei war bei den Ostermärschen, 1964 und 1966. Die
schnellen Autos, die pompösen Villen - er besitze sie ja nicht. Aber er
genießt sie doch? "Ich verfüge über sie." Hat er sich nicht wohlig
eingenistet im Geld der anderen? Butler John bleibt dabei. "Das ist kein
Widerspruch."
Ob er über sein Zuhause verfügt? "Ist gemietet." Ob er alleine wohnt? "Ja."
Aber von seinen Frauen - Sabine, Anita und Dörte -, von denen redet er oft,
die drei, die seien ihm wichtig. Die und seine längst verstorbene Mutter -
eine kultivierte Frau aus Berlin, die so anders war als sein Vater, ein
Beamter bei der Eisenbahn. "Irgendwann nach dem Krieg - ich war damals vier
oder fünf -, ist er heimgekehrt, dieser unbekannte Mann", sagt Butler John.
"Und legte sich an die Stelle im Bett, an der ich gelegen hatte."
Butler John ist die Treppen zu seinem Zimmer hochgestiegen. Niedrig ist es
und eng, ein Sofa, ein Herd. Hier wohnt Butler John im Winter, wenn es zu
nass ist, er der Kälte nicht mehr trotzen und nicht mehr in dem Wohnwagen
schlafen kann, in dem er den Sommer über lebt. Auf dem Campingplatz in
Morsum. Da, wo so viele wohnen, die Sylt lieben, sich Sylt aber nicht
leisten können und keine von den 5.000 Pendlern sein wollen, die täglich
vom Festland auf die Insel kommen.
"Die Leute müssen denken, dass ich reich bin. Auch wenn ich noch nie ein
Bankkonto im Plus hatte. Ich verkaufe Image."
Butler John - an den heißen Tagen im Jahr läuft er in Lackschuhen durch den
Sand und serviert den Reichen eine einzige Bulette auf einem goldenen
Tablett. Den Bankiers und den Anwälten, denen mit den Privatjets und den
Privatzügen. Er lehnt sich jetzt nicht mehr vor und zurück, er wirft jetzt
keine Luftküsse. Er zeigt jetzt seinen Schrank. Nein, Anzüge trage er nicht
immer, "nur im Dienst". Am liebsten, so sagt Butler John, am liebsten trage
er doch Jeans.
25 Dec 2011
## AUTOREN
Annabelle Seubert
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