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# taz.de -- Pleiten in der Fotovoltaikindustrie: Zehn kleine Solarunternehmer
> Derzeit geht es in der deutschen Fotovoltaikindustrie zu wie bei den zehn
> kleinen Jägermeistern: Es erwischt einen nach dem anderen. Was ist da
> los? Eine Analyse.
Bild: Die Herstellung von Solarzellen ist nicht mehr rentabel.
BERLIN taz | Auf den ersten Blick platzt in Deutschland gerade ein Traum.
Der von einer grünen Gründerzeit in der Solarindustrie. Noch vor einigen
Jahren waren deutsche Solarunternehmen Weltspitze, jetzt gehen sie
reihenweise pleite oder stehen wie Q-Cells kurz davor.
Q-Cells war weltweit zweitgrößter Solarmodulhersteller, Teil des "Solar
Valley" bei Bitterfeld, des Paradebeispiels für den Aufbau neuer Industrien
in den neuen Bundesländern. Die Liste geht weiter: Im Dezember traf es
Solon, einen Berliner Hersteller von Solarmodulen und Anbieter von
Solargroßkraftwerken, einst fast 1.000 Mitarbeiter, jetzt insolvent. Ebenso
pleite: Solar Millennium aus Erlangen.
Und der Hamburger Entwickler von Solarsystemen, Conergy, meldete in dieser
Woche einen unerwartet hohen Verlust. Der Stuttgarter Konzern Bosch
beklagte Abschreibungen in seiner Solarsparte von rund einer halben
Milliarde Euro. Und bei Wacker Chemie, dem weltweit zweitgrößten Hersteller
von Reinsilicium für die Fotovoltaik, brachen die Gewinne ein. Grund:
Stornierungen von Aufträgen weil immer mehr Kunden aus dem
Fotovoltaikgeschäft aussteigen.
## Blick in die USA
Diese Hiobsbotschaften korrelieren mit einer anderen Zahl: 7,5 Gigawatt. So
viel solare Leistung ist im vergangenen Jahr in Deutschland installiert
worden, ein Rekord. Wie kann es sein, dass Firmen pleitegehen und
gleichzeitig so viele Zellen wie noch nie auf deutsche Dächer gepflanzt
wurden?
Dazu ein Blick in die USA: Dort mussten im vergangenen Jahr gleich fünf
Solarfabriken schließen; auch hier gingen prominente Hersteller pleite. Der
Übeltäter sitzt, so ruft die Branche diesseits und jenseits des Atlantiks,
in China. Noch vor vier Jahren konnten sich Solarmodulhersteller ihre
Kunden aussuchen, weil es zu wenige Hersteller gab. Dann wurden weltweit
neue Fabriken errichtet.
2011 wurden fast doppelt so viele Solarmodulen produziert, wie es Nachfrage
gab. Nun entbrennt auch auf politischer Ebene ein Machtkampf: Die
US-Tochter des deutschen Herstellers Solarworld führt die "Koalition der
Amerikanischen Solarhersteller" an. An diesem Donnerstag forderte das
Bündnis die US-Regierung auf, rückwirkend bis November 2011 Importzölle auf
Produkte chinesische Hersteller zu erheben.
## Illegale Module überschwemmen den Markt
Firmen in China würden mit illegal subventionierten Modulen den Markt
überschwemmen, dafür habe man Beweise gefunden, heißt es. Auch
Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) warf der chinesischen Regierung
eine ähnliche Praxis vor. Jetzt wollen auch europäische Firmen klagen.
Trotzdem gibt es auch hausgemachte Probleme. Der Bonner Konzern Solarworld
zum Beispiel mit rund 3.300 Mitarbeitern und einem Umsatz von 1,3
Milliarden Euro machte zwar im dritten Quartal 2011 einen leichten Verlust,
konnte aber für die ersten neun Monate noch einen Gewinn verzeichnen. Den
Grund sehen Analysten vor allem in einer anderen Strategie.
Mit der Herstellung von Solarzellen lässt sich momentan kaum mehr Geld
verdienen, weil der Prozess relativ einfach ist. Solarworld bedient
allerdings die gesamte Wertschöpfungskette: Vom Silicium bis zu den
Vorstufen der Zellen, den Wafern, und schließlich komplette
Solarstromanlagen, zu denen noch eine Menge Elektronik gehört, hat der
Konzern alles integriert.
Bekannt ist er durch einem Werbespot mit dem Fußballer Lukas Podolski. Man
wandte sich früher als die Konkurrenten direkt an den Häuslebauer, bei dem
sich der Aufbau eines vertrauensvollen Markennamens lohnt. Die Zukunft der
Branche liegt vermutlich nicht in der relativ primitiven Herstellung der
reinen Solarzellen, sondern in kompletten solaren Energiesystemen, sagen
die meisten Analysten.Und auch auf einem anderen Feld punktet die deutsche
Solarindustrie: Sie liefert eben die Maschinen nach China, die jetzt den
Markt mit billigen Solarzellen fluten.
29 Jan 2012
## AUTOREN
Ingo Arzt
## TAGS
Bosch
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