Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kommissarin über Gewaltschutzgesetz: "Es gibt viele wehrhafte Frau…
> Das Gewaltschutzgesetz hat Frauen ermutigt, männliche Gewalt anzuzeigen,
> sagt Kriminalhauptkommissarin Lütgert. Doch immer noch kennen viele
> Frauen ihre Rechte nicht.
Bild: Auch ein Resultat des Gewaltschutzgesetzes? Slutwalk in Seoul im vergange…
taz: Frau Lütgert, vor zehn Jahren trat das Gewaltschutzgesetz in Kraft.
Hat es etwas gebracht?
Heike Lütgert: Kaum ein Thema hat in der Vergangenheit eine solche Karriere
gemacht wie häusliche männliche Gewalt: von Ruhestörung und
Familienstreitigkeit hin zu einem anerkannten Gewaltproblem. Vor zwanzig
Jahren riefen meist die Nachbarn bei der Polizei an: Nebenan wird sie
wieder verprügelt. Heute melden sich die Frauen überwiegend selbst.
Das Gesetz hat Frauen mutiger gemacht?
Es gibt inzwischen viele wehrhafte Frauen. Sie sind zumeist ökonomisch
unabhängig, gut ausgebildet und zwischen 30 und 40 Jahre alt. Sie zeigen
rigoros an. In Nordrhein-Westfalen ist die Anzeigenrate in diesem Bereich
um ein Vielfaches gestiegen. Bei Vergewaltigungen haben wir eine
Verlagerung vom Fremdtäter zum Beziehungstäter festgestellt. Auch diese
werden viel häufiger angezeigt.
Gibt es heute mehr Gewalt gegen Frauen?
Nein, es gibt nur mehr Frauen, die sich das nicht mehr gefallen lassen und
die andere Frauen unterstützen, sich zu wehren.
Welche Frauen erreicht das Gesetz nicht?
Diejenigen, die ihre Rechte kaum kennen, die von ihren Männern finanziell
abhängig sind, oft Kinder haben, und solche, die schon in ihrer Kindheit
Gewalt erlebt haben. Aber auch Frauen mit körperlichen und psychischen
Beeinträchtigungen oder mit Migrationshintergrund sind betroffen.
Wie kann man ihnen helfen?
Die Frauen müssen über alle Schutzmaßnahmen wie Frauenhäuser,
Beratungsstellen, die Wegweisung des Mannes aus der Wohnung aufgeklärt und
darauf hingewiesen werden, dass sie den Täter anzeigen können.
Ist die Polizei sensibilisiert?
Schon in der Grundausbildung wird das Thema behandelt. An der
Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in Nordrhein-Westfalen, wo
PolizistInnen ausgebildet werden, ist es fester Bestandteil der Curricula
unterschiedlicher Studienfächer. Darüber hinaus gibt es seit Jahren
bundesweit Fortbildungen und Trainings: Wie gehe ich bei einem Einsatz vor?
Wie spreche ich das Opfer an?
Was geschieht mit den gewalttätigen Männern, die die Wohnung verlassen
müssen?
Als das Gesetz verabschiedet wurde, haben viele Männer befürchtet, dass wir
jetzt viele Männerhäuser brauchen. Die Sorge war umsonst: 90 Prozent der
Täter gehen zunächst zurück "zu Mama".
Kritiker der Frauenhäuser sagen, Gewalt gegen Männer sei so hoch wie gegen
Frauen.
Die Gewalt gegen Männer ist sieben mal so hoch wie die gegen Frauen. Aber
Gewalt gegen Männer wird in der Regel von Männern und im öffentlichen Raum
verübt. Die Anzahl der Delikte im Beziehungsumfeld, mit Frauen als
Täterinnen, liegt bei unter 10 Prozent.
Wie oft täuschen Frauen Gewalt oder Vergewaltigung vor?
Die Quote der Taten, die so eingestuft werden, liegt bei 7 Prozent.
Erwachsene Frauen tun das also höchst selten. Wir haben aber bei einer
Auswertung in Detmold festgestellt, dass junge Opfer bis 25 Jahre am
häufigsten Vergewaltigungen vortäuschen.
Warum?
Viele geben die Anzeige nicht freiwillig auf, sondern werden von ihren
Freundinnen oder anderen nahestehenden Personen massiv dazu gedrängt.
Häufig ist es so, dass sich ein Mädchen mit einem Jungen trifft, von dem
die Eltern nichts wissen dürfen. Beim Date will der Junge dann mehr als das
Mädchen. Aber das wagt das Mädchen nicht zu sagen und erfindet später den
Fremden im Park. Die Mädchen täuschen also keine sexuellen Übergriffe vor,
die hat es ja tatsächlich gegeben. Allerdings verändern sie unter dem
psychischen Druck die "Rahmenhandlung", weil sie Angst haben, aufgrund der
Vorgeschichte mitschuldig zu werden.
Was kann man da tun?
Mädchen stark machen. Und: Gewalt ernst nehmen und genau hinschauen und
hinhören. Oft ist es ratsam, eine Beratungsstelle zu kontaktieren, die die
Problemlagen der Mädchen kennen.
30 Jan 2012
## AUTOREN
Simone Schmollack
Simone Schmollack
## TAGS
Sexuelle Gewalt
Gewalt gegen Frauen
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kneipenkampagne: Eine Frage gegen Gewalt
„Ist Luisa da?“ Mit dieser Frage sollen Frauen in Zukunft signalisieren,
dass sie sich bedroht fühlen. Servicepersonal soll sensibilisiert werden
Gewalt in Beziehungen: Kratzen, beißen, spucken
Prügelnde Frauen sind in Anti-Gewalt-Projekten nicht vorgesehen. Eine
Berliner Einrichtung berät Paare, bei denen beide Partner schlagen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.