| # taz.de -- Kommentar Ägypten: Geplantes Chaos? | |
| > Die blutigen Zusammenstöße in einem ägyptischen Stadion reihen sich ein | |
| > in die Strategie des Militärs: Für Unruhe und Chaos sorgen, um als Garant | |
| > der Sicherheit zu gelten. | |
| Bild: Kopten trauern um Papst Schenuda III. | |
| Es herrscht kein Zweifel: Mit Fußball hatten die jüngsten blutigen | |
| Zusammenstöße in einem ägyptischen Stadion nichts zu tun. Sie waren ein | |
| weiteres Kapitel im Kampf der noch verbliebenen Teile der | |
| Revolutionsbewegung mit den Militärs, die die brutale Herrschaft des | |
| Präsidenten Mubarak nahtlos fortsetzen. | |
| Sie reihen sich ein in die Strategie, die das Militär seit Monaten fährt, | |
| um seine wirtschaftliche und politische Macht zu sichern. Die hieß: für | |
| Unruhe und Chaos sorgen, um damit bei der breiten Masse der Bevölkerung als | |
| Garant von Stabilität und Sicherheit dazustehen; vor radikalen Islamisten | |
| warnen, um die Unterstützung des Westens und der Liberalen zu behalten; | |
| alle andauernden Proteste auf "feindliche Kräfte" aus dem Ausland schieben, | |
| die das Land angeblich destabilisieren wollen. | |
| Diese vom Mubarak-Regime übernommene Strategie hat erstaunlich lange | |
| funktioniert. Das war möglich, weil die "Couch-Partei", die Mehrheit der | |
| unpolitischen Ägypter, die Unsicherheit der Umbruchsphase satthat und sich | |
| nach Ruhe sehnt. Das Militär hat die Revolution erfolgreich für sich | |
| vereinnahmt und zudem die Medien rasch wieder unter seine Kontrolle | |
| gebracht. | |
| Weder das Massaker von Maspiro im Oktober, als das Militär 27 koptische | |
| Demostranten tötete und dies dann als religiöse Unruhen verkaufte, noch die | |
| schweren Zusammenstöße im November und Dezember, als Soldaten | |
| Protestierende brutal misshandelten und töteten, haben die Herrschaft des | |
| Militärs im Land ernsthaft erschüttert. | |
| Und weder die Stürmung der Konrad-Adenauer-Stiftung noch das Festsetzen von | |
| Mitarbeitern amerikanischer Menschenrechtsorganisationen hatten eine | |
| Änderung der guten Beziehungen Deutschland und der USA zur Militärführung | |
| zur Folge – von einem Stopp der Milliarden Militär- und | |
| "Demokratie"-Förderung ganz zu schweigen. Mit den Muslimbrüdern haben die | |
| Militärs einen loyalen Verbündeten ins Parlament gehievt. Nun fühlten sie | |
| sich sicher genug, die Reste der Revolutionsbewegung auszumerzen. | |
| Doch diese Strategie stößt jetzt an ihre Grenzen: Auch in Ägypten wird die | |
| Unfähigkeit der greisen Generäle registriert, dem Land eine wirtschaftliche | |
| und politische Zukunft zu geben. Es wird noch dauern, und es wird mehr | |
| Opfer fordern. Langfristig könnte die Revolution aber der Anfang vom Ende | |
| der Herrschaft der Miltärs in Ägypten sein. | |
| 2 Feb 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Juliane Schumacher | |
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