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# taz.de -- Papst Schenuda III ist tot: Ägyptens Kopten verlieren Oberhaupt
> Der christlich-orthodoxe Würdenträger hatte Zeit seines Amtes mit
> Islamisierung, Diktatur und Revolution zu kämpfen. Wer sein Nachfolger
> wird, ist noch unklar.
Bild: Kopten trauern um Papst Schenuda III.
KAIRO taz | Wie positioniert man eine christliche Kirche in einem
muslimischen Land in Zeiten wachsender Islamisierung? Das war die größte
Herausforderung des Oberhaupts der ägyptischen Kopten, Papst Schenuda III.
Am Wochenende starb der charismatische 88järhige, der die Gemeinde der
orthodoxen Kopten vier Jahrzehnte lang geführt hatte.
Die geschätzten acht Millionen Kopten, Mitglieder einer der ältesten
Kirchen der Welt, machen ungefähr ein Zehntel der ägyptischen Bevölkerung
aus. Dazu kommen zwei Millionen Kopten im Exil.
Zehntausende Christen versammelten sich nach der Nachricht seines Todes am
Samstag in der Kairoer St. Markus-Kathedrale. Auch aus dem muslimischen
Establishment kamen Beileidsbekundungen. „Ägypten hat einen einzigartigen
Mann zu einer sensiblen Zeit verloren, in der es die Weisesten, ihre
Erfahrung und ihren klaren Kopf dringend notig hat“, erklärte der
Großscheich der islamischen Azhar-Universität, eine der höchsten
Rechtsautoritäten im sunnitischen Islam.
Neben der Islamisierung und Spannungen zwischen Muslimen und Christen hatte
Schenuda im vergangenen Jahr mit einem weiteren Problem zu kämpfen: Der
Neudefinition der Kirche gegenüber der weltlichen Macht. Nachdem der Papst
bis zuletzt dem Diktator Hosni Mubarak die Stange hielt, musste die Kirche
ihre Position im revolutionären Ägypten finden. Schenuda tat dies, indem er
die neuen Machthaber, den obersten Militärrat, hofierte.
Als aber dann im Oktober eine mehrheitlich koptische Demonstration vom
Militär brutal aufgelöst wurde und 26 Menschen getötet wurden, bezeichnete
der Papst die Toten als „Märtyrer“ und verurteilte die Gewalt des Militär…
Doch zur koptischen Weihnachtmesse am 7. Januar war Ägyptens Generalität
erneut eingeladen, begrüßt von Schenuda, während koptische Jugendliche im
Hintergrund offen zum Sturz der Militärherrschaft aufriefen.
## Politischer Hitzkopf
Für den 117. Papst von Alexandria, dem Nachfolger des Evangelisten Markus,
war das Verhältnis zu weltlichen Macht eine Frage, die ihn nie losließ und
auf die er unterschiedliche Antworten fand. Nach seiner Inthronisierung
1971 galt er zunächst als poltischer Hitzkopf, der nicht nur die Kirche von
ihnen erneuern wollte, sondern den Kopten wieder einen prominenteren Platz
in der Gesellschaft zuweisen wollte. Dabei kämpfte er gegen die Zeichen der
Zeit.
Ägypten wurde seit Mitte der 70er Jahre von einer Islamisierungswelle
überzogen und das Regime in Kairo machte immer mehr Zugeständnisse an die
Muslimbrüder, die mit dem Slogan „Islam ist die Lösung“ die Strassen des
Landes am Nil eroberten.
Als der ehemalige ägyptische Präsident Anwar Al-Sadat die Prinzipien der
Scharia im 2. Artikel der ägyptischen Verfassung als Quelle der
Rechtssprechung festschrieb, war die Konfrontation zwischen Regime und
Kirche vorgezeichnet. Papst Schenuda sagte 1981 die offiziellen
Osterfeierlichkeiten ab, und weigerte sich, eine Regierungsdelegation zu
empfangen. Sadat schickte den Papst ins Exil in das Wüstenkloster Wadi
Natrun, dort wo Schenuda, dessen eigentlicher Name Nazeer Gayed lautete,
einst als Mönch unter dem Namen „Bruder Antonius der Syrer“ seine klerikale
Karriere begonnen hatte. Dort brachte er sogar sechs Jahre in einer Höhle
als Eremit zugebracht.
Als Schenuda im Wüstenkloster im Exil saß, wurde Sadat von militanten
Islamisten umgebracht, den Geistern, die er selbst geweckt hatte. Es
dauerte allerdings noch drei Jahre, bis dessen Nachfolger Hosni Mubarak den
koptischen Papst wieder nach Kairo zurückgeholt hatte. Danach herrschte
eine Art Waffenstillstand zwischen Kirche und Regime.
## Vorwürfe von den jungen Christen
Trotz wachsender Diskriminierung der Kopten und immer wieder aufflammenden
zum Teil auch blutig ausgetragenen Auseinandersetzungen, in denen Muslime,
nicht zuletzt angesteckt von radikalen islamistischen Ideen, ihre
koptischen Nachbarn attackieren, rief Schenuda die Kopten stets auf, die
Ruhe zu bewahren. Dafür warfen ihm vor allem jüngeren Christen, aber auch
koptische Organisationen außerhalb des Landes vor, die Rechte der Christen
nicht entschieden genug zu verteidigen. Die Kirche argumentierte stets,
dass diese Proteste die Konflikte zwischen den Religionsgruppen in Ägypten
nur noch verschärfen würden.
Unbestritten ist, dass Schenuda unermüdlich die weltweite Ausdehnung seiner
Kirche vorangetrieb. Gab es beispielsweise bei seinem Antritt 1971 nur vier
koptische Kirchen in den USA, sind es heute über 200. Auch in Europa gibt
es heute 50 koptische Kirchen und zehn koptische Bischöfe.
Ein besonderes Anliegen war Schenuda, aufgewachsen als jüngstes von acht
Kindern in der oberägyptischen Stadt Assiut, der Dialog mit anderen
Kirchen. 1973 traf er nach 1.500 Jahren als erster koptischer Papst den
Papst in Rom. Das hielt Schenuda allerdings nicht davon ab, den
katholischen Papst Benedikt für dessen Äußerungen in seiner kontroversen
Islam-Rede in Regensburg zu kritisieren.
Benedikt habe die Gefühle und die möglichen Reaktionen der Muslime nicht
ausreichend berücksichtigt. „Leidenschaft gegenüber seiner eigenen Religion
zu zeigen, sollte nicht dazu führen, über die Religion anderer zu
urteilen“, erklärte er.
## Hart gegen Israel
Gegenüber Israel nahm das geistige Oberhaupt der größten christlichen
Gemeinde in der arabischen Welt stets eine harte Haltung ein. „Christen
sollen Jerusalem nur Hand in Hand mit ihren muslimischen Brüder besuchen,
wenn der dortige Konflikt im Sinne aller Beteiligten gelöst ist“, lies er
wiederholt verlauten und drohte jedem ägyptischen Christen, der nach Israel
fuhr, mit dem Ausschluss von der Kommunion. De facto schaute die Kirche
aber meist weg, wenn einzelne Kirchengemeinden dennoch Pilgerfahrten ins
Heilige Land organisierten.
Unklar ist, wer die Nachfolge Schenudas antreten wird. Traditionell erhält
meist ein relativ unbekannter Mönch diese Position. Drei Kräfte werden
versuchen, bei der Nachfolge mitzureden. Die Regierung in Kairo wünscht
einen Papst, der die Kopten mobilisieren kann, ohne dabei aber eine
unabhängige Politik zu verfolgen.
Die zwei Millionen Kopten im Ausland wollen einen Papst der offensiver
gegen die Diskriminierung ihrer Glaubensbrüder in Ägypten auftritt.
Einflussreiche koptische Geschäftsleute bevorzugen ein geistiges Oberhaupt,
das lieber zurücksteckt, als die Koexistenz mit den Muslimen zu gefährden.
Papst Schenuda wird gemäß seinem Wunsch am Dienstag im Wüstenkloster in
Wadi Natrun begraben. Bis dahin wird er in der Markus-Kathedrale in Kairo
aufgebahrt.
18 Mar 2012
## AUTOREN
Karim El-Gawhary
## TAGS
Kopten
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