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# taz.de -- Regierung tritt zurück: Rumänien hat keinen Boc mehr
> Die rumänische Regierung hat am Montag ihren Rücktritt bekanntgegeben.
> Sie reagiert damit auf die heftigen Proteste gegen Kürzungen im
> Sozialbereich.
Bild: Nach seinem Rücktritt muss es Neuwahlen geben: Rumäniens Präsident Emi…
BERLIN taz | Der wegen seines harten Sparkurses umstrittene rumänische
Ministerpräsident Emil Boc hat am Montag den Rücktritt seiner
Mitte-rechts-Regierung erklärt. Zum Übergangschef der Regierung wurde
Justizminister Catalin Prediou ernannt. Das Parlament in Bukarest hat nun
60 Tage Zeit, eine neue Regierung zu bestimmen.
Die Amtsniederlegung von Boc soll wie ein Befreiungsschlag wirken und die
Gemüter der Menschen beruhigen, die seit Wochen gegen die Sparpolitik der
Regierung demonstrieren. Der Protest richtet sich gegen Lohnkürzungen,
Vetternwirtschaft und das marode Sozial- und Gesundheitssystem. Auch der
Rücktritt der Regierung Boc und des Staatspräsidenten Basescu wurden
gefordert. Die Antwort auf diese Forderungen waren massive Polizeiaufgebote
in Bukarest, brutale Straßenschlachten, viele Verletzte.
Ende Januar eskalierte die Lage. Außenminister Teodor Baconschi beschimpfte
die Demonstranten als Vorstadtpöbel. Diese reagierten daraufhin mit
weiteren Wutausbrüchen, denen auch die Einsatzkräfte der Polizei nicht mehr
standhalten konnten. Um den Zorn der Demonstranten zu beschwichtigen,
entließ der Premier den Außenminister. Dieser politische Schachzug war mit
dem Präsidenten abgestimmt. Er sollte das arg ramponierte Image des
Kabinetts aufbessern und die Abnutzungserscheinungen des
Ministerpräsidenten und seiner Kollegen populistisch überdecken.
Dieses Täuschungsmanöver misslang. Das Sozial-liberale Oppositionsbündnis
(USL), bestehend aus der Nationalliberalen Partei (PNL) und der
Sozialdemokratischen Partei (PSD), kündigte den parlamentarischen Streik
an. So sollte der Forderung nach vorgezogenen Wahlen mehr Nachdruck
verliehen werden.
Die dramatisch sinkenden Umfragewerte für die regierenden populistischen
Liberaldemokraten belegen die Abnutzung einer Partei, die ursprünglich der
Sozialistischen Internationale angehörte und dann - auf Geheiß von Traian
Basescu - eine ideologische Pirouette vornahm. Dies ermöglichte ihr die
Aufnahme in die Familie der christdemokratischen Europäischen Volkspartei.
Der 45-jährige Boc war seit Ende 2008 Regierungschef. Am Montag, nach
seinem Rücktritt, zog er eine positive Bilanz seiner Regierungszeit.
Rumänien hat im vergangenen Jahr ein Wachstum von 2,5 Prozent verzeichnet,
sagte Boc, die Wirtschaftsentwicklung verlief stabil. Doch davon kommt in
den Taschen der Bevölkerung nur wenig an.
Politiker der Oppositionsparteien forderten vorgezogene Neuwahlen. Bisher
war die Parlamentswahl für den November geplant. "Das ist ein Sieg für
alle, die auf den Straßen demonstriert haben", sagte Crin Antonescu,
Vorsitzender der oppositionellen Liberalen Partei. "Die korrupteste,
inkompetenteste und verlogenste Regierung" seit dem Ende des Kommunismus in
Rumänien sei fort. Staatspräsident Basescu wollte noch am Montag mit den
Parteichefs zusammenkommen, um über die Bildung einer neuen Regierung zu
beraten.
6 Feb 2012
## AUTOREN
William Totok
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