# taz.de -- Sanktionen gegen Iran: Shoppen macht keinen Spaß mehr | |
> Die bisherigen internationalen Sanktionen gegen Iran führen zu einer | |
> dramatischen Inflation. Lebensmittel und Benzin werden teurer, Arbeiter | |
> streiken, die Armut nimmt zu. | |
Bild: Bei der Preissteigerung kein Vergnügen: Einkaufen in Teheran. | |
BERLIN taz | Die Führung in Teheran versucht, die Bedeutung der von der | |
UNO, den USA, der EU und anderen Staaten verhängten Sanktionen gegen Iran | |
herunterzuspielen. "Die effektiven Sanktionen" seien keine Bedrohung, | |
sondern hätten dem Land im Gegenteil eine Menge Vorteile eingebracht, sagte | |
Geheimdienstchef Haidar Moslehi über das von der EU beschlossene Ölembargo. | |
Wegen der Schuldenkrise sei die EU eher auf das Öl angewiesen als der Iran | |
auf die Abnahme des Rohstoffs. | |
Doch allmählich werden selbst aus dem islamischen Lager Stimmen laut, die | |
für das Land eine düstere Zukunft prophezeien, sollte die Regierung die | |
bisherige Politik fortsetzen. So äußerte der regierungskritische | |
konservative Parlamentsabgeordnete Ahmad Tawakoli die Befürchtung, die | |
EU-Sanktionen könnten eine ernst zu nehmende Wirtschaftskrise im Iran | |
auslösen. | |
"Die gegenwärtige Situation am Markt und die ständig steigenden | |
Wechselkurse für ausländische Währungen und Gold bringen das Land an den | |
Rand des Bankrotts", sagte Tawakoli. Die Lage sei äußerst gefährlich, | |
warnte der Abgeordnete und forderte das Parlament auf, einzugreifen, um | |
einen weiteren Anstieg der Inflation zu verhindern. | |
Tatsächlich verlor die iranische Währung seit Jahresbeginn die Hälfte ihres | |
Werts. Die Inflationsrate liegt offiziell bei 21 Prozent, Experten schätzen | |
sie jedoch auf fast 50 Prozent. Unterdessen hat US-Präsident Barack Obama | |
hat am Montag neue Sanktionen gegen die iranische Regierung verhängt. Von | |
den Strafmaßnahmen betroffen ist auch die iranische Zentralbank. Die | |
Sanktionen seien wegen der "betrügerischen Praktiken" der Zentralbank und | |
des "inakzeptablen Risikos" berechtigt, das die iranischen Aktivitäten für | |
das internationale Finanzsystem darstellten, hieß es in einer Erklärung | |
Obamas. | |
## Krise war vorher schon da | |
Auch die den gemäßigten Konservativen nahestehende Webseite Tabnak sieht | |
die iranische Wirtschaft "an der Schwelle des Ruins". Großmärkte wie etwa | |
der für Eisen, Haushaltsgeräte oder Gold seien gänzlich ins Stocken | |
geraten, nicht zuletzt, weil es den Unternehmen an Zukunftsperspektive | |
fehle, schreibt Tabnak. Deshalb werde auf Großeinkäufe verzichtet, und wenn | |
in Ausnahmefällen ein Handel zustande käme, dann werde er nicht auf | |
Kreditbasis, sondern mit Bargeld abgewickelt. | |
Viele Händler verkauften ihre eingeführten Waren ohne Rücksicht auf den | |
Binnenmarkt. Die siebzigprozentige Verteuerung des Dollars innerhalb | |
weniger Monate sei ein einmaliges Ereignis, das die Inflation anheize. Dies | |
mache nicht nur den Mittel- und Unterschichten der Gesellschaft das Leben | |
schwerer, sondern treffe auch die produktiven Aktivitäten empfindlich. | |
Bereits bevor die härteren Sanktionen von der EU und den USA beschlossen | |
wurden, befand sich die iranische Wirtschaft in einer tiefen Krise. | |
Misswirtschaft, Korruption und Ausschluss von Experten aus den | |
Entscheidungsprozessen haben in der Wirtschaft große Schäden verursacht. | |
Milliarden Dollar fehlen in der Devisenkasse, doch laut Nationalem | |
Rechnungshof ist die Regierung nicht in der Lage, Belege dafür vorzulegen | |
oder eine Erklärung zu liefern. | |
In dieser katastrophalen Lage zeigen die Sanktionen, vor allem der | |
Ölboykott und noch mehr der Boykott der iranischen Zentralbank und anderer | |
Banken, umso größere Wirkung. Betroffen sind allerdings weniger die | |
Regierung und die Multimillionäre und Milliardäre, sondern die | |
Mittelschicht und die ärmeren Schichten der Gesellschaft. | |
## Tägliche Streiks | |
Fast täglich gibt es in mehreren Fabriken Streiks der Beschäftigten, die | |
seit Monaten keinen Lohn erhalten haben. Der Boykott der Banken hat den | |
Außenhandel erheblich eingeschränkt. Fabriken bekommen keine Ersatzteile | |
und müssen schließen. Der Preis für eingeführte oder geschmuggelte Waren | |
steigt fast täglich. Das gilt auch für importierte Lebensmittel und | |
Konsumgüter. Es gibt kaum noch ausländische Investitionen. Darunter leidet | |
vor allem die iranische Öl- und Gasindustrie. | |
Seit geraumer Zeit muss der Iran, der viertgrößte Ölproduzent der Welt, | |
rund 50 Prozent seines Benzinbedarfs einführen, weil die Raffinerien nicht | |
erneuert und ausgebaut worden sind. Für den Normalverbraucher sind die | |
Preise für Lebensmittel, Energie und Konsumgüter inzwischen kaum noch zu | |
tragen. Der Benzinpreis zum Beispiel ist seit einem Jahr um das Fünffache, | |
die Preise für Brot, Milchprodukte, Gemüse und Fleisch sind zum Teil sogar | |
bis zum Siebenfachen gestiegen. Angesichts der rapid zunehmenden | |
Arbeitslosigkeit werden immer mehr Menschen in die Armut getrieben. | |
Doch solange es für das iranische Öl und Gas Abnehmer gibt, wird das Regime | |
alles bekommen, was es für seinen Machterhalt braucht. Die Folgen muss das | |
Volk tragen. (Mit Material von dpa) | |
7 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Bahman Nirumand | |
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