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# taz.de -- Kältehilfe für Wohnungslose: Deutsche Städte zeigen mehr Wärme
> Die Städte sind immer besser gerüstet bei der Kältehilfe, in diesem
> Winter erfror bisher erst ein Obdachloser. Die Gesamtzahl der
> Wohnunglosen steigt hingegen.
Bild: Sie kümmern sich: Mitarbeiter der DRK-Kältehilfe in Berlin.
FRANKFURT/MAIN taz | Die Kälte hat Deutschland im Griff, besonders
gefährdet sind Menschen, die auf der Straße leben. Die
Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAGW) zählte in den letzten
20 Jahren bundesweit mehr als 270 Obdachlose, die durch Kälte starben.
Allerdings würden sich die zuständigen Kommunen und Städte inzwischen
besonders im Winter rechtzeitig darum kümmern, Menschen ohne Dach über dem
Kopf zu versorgen, so die Arbeitsgemeinschaft. Die BAGW registrierte in
diesem Winter erst einen Wohnungslosen, der Anfang Februar in Magdeburg
erfroren ist.
"Insgesamt sind die Kommunen sensibler geworden", sagt der Geschäftsführer
der BAGW, Thomas Specht. Das gelte vor allem für Großstädte. Als positives
Beispiel führt er Frankfurt am Main an: "Dort wird viel für Wohnungslose
getan." Es gibt ein engmaschiges Netz aus privaten Trägern und städtischen
Einrichtungen. Besonders seit dem Tod der wohnungslosen Rosi K. vor gut
sieben Jahren sind die Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe in Frankfurt
sehr aufmerksam geworden.
"Alle Beteiligten haben sich hier auf den Winter eingeschworen", berichtet
Thomas Mader vom Frankfurter Sozialamt. "Wir stellen zusätzliche
Notübernachtungsplätze zur Verfügung, es gibt einen Kältebus, der
Obdachlose aufsucht, und mobile Dienste, die sich um die medizinische
Versorgung und die Betreuung auf der Straße kümmern."
## Bis zu 100 Menschen schlafen in der U-Bahn-Station
Außerdem steht im Winter die große U-Bahn-Station Hauptwache für
Übernachtungen offen. Dieses Angebot nutzen in einer Nacht bis zu 100
Menschen, die sonst keine Hilfsangebote annehmen. Die Behörden sind
gesetzlich verpflichtet, Obdachlosen eine Unterkunft anzubieten.
Doch es gibt keinen Grund zur Entwarnung, sagen Experten. "Die Hilfe für
Obdachlose hat sich an einigen Stellen verbessert, aber nicht überall",
sagt Stefan Kunz, Geschäftsführer der Katholischen Arbeitsgemeinschaft
Wohnungslosenhilfe. Die Zahl der Wohnungslosen ist bundesweit im letzten
Jahr erstmals seit Mitte der 1990er Jahre wieder gestiegen.
So verfügen laut BAGW bundesweit 248.000 Menschen über keinen
mietvertraglich abgesicherten Wohnraum – Tendenz steigend. 22.000 von ihnen
leben auf der Straße. 2008 ging die Arbeitsgemeinschaft noch von 227.000
Wohnungslosen aus.
## Niedrige Mietobergrenze führt zu Obdachlosigkeit
Als Grund für diesen Anstieg benennt Specht die zu niedrige Mietobergrenze
in der Grundsicherung. Wenn das Amt nicht mehr die ganze Miete übernimmt,
müssen die Leistungsbezieher den Rest aus dem Regelsatz bestreiten oder
ausziehen. Ein weiteres großes Problem, so Specht, sei der knapper werdende
bezahlbare Wohnraum. Dieses Problem kennen Sozialverbände auch in
Frankfurt, das bezüglich der Mieten zu den teuersten Städten zählt.
"Es muss wieder mehr bezahlbare Wohnungen geben, anstatt den Bestand der
Sozialwohnungen weiter zu reduzieren", fordert Evelyne Becker von der
Caritas Frankfurt. Die Hilfesysteme, vor allem die Nothilfe, hätten sich
zwar verbessert, berichtet Robert Veltmann von der Berliner
Wohnungslosenhilfe GeBeWo. "Aber durch die prekäre Situation am
Wohnungsmarkt wird die Belastung immer größer."
So müssten bereits jetzt Menschen, die in der Kälte eine Notunterkunft
aufsuchen, auf Fluren und in Sanitärräumen schlafen, weil sonst kein Platz
sei.
10 Feb 2012
## AUTOREN
Timo Reuter
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