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# taz.de -- Obdachlose im Nahverkehr: Platte in der Straßenbahn
> Die Bremer Verkehrsbetriebe geben ihre Busse und Bahnen für Obdachlose
> zum Aufwärmen frei. Grüne und Linkspartei fordern das auch für Hamburg.
> Fahrgastverband plädiert für konfliktarme Lösungen.
Bild: Gefahr in der Kälte: Schlafen Obdachlose in diesen Tagen draußen, droht…
Obdachlose in Bremen dürfen sich wegen der großen Kälte tagsüber in Bussen
und Straßenbahnen aufwärmen. Ein ähnliches Angebot haben Linkspartei und
Grün-Alternative Liste (GAL) auch für Hamburg gefordert. "Auch tagsüber
droht Obdachlosen der Erfrierungstod, gerade wenn es sich um Menschen
handelt, die aufgrund schwieriger Lebensbedingungen ohnehin geschwächt
sind", sagt Cansu Özdemir von der Linksfraktion in der Hamburgischen
Bürgerschaft. "Wo ist das Problem", fragt die GAL-Landesvorsitzende
Katharina Fegebank in Richtung des Hamburger Verkehrsverbunds (HVV).
Bremer Straßenbahn AG (BSAG) hat angeboten, dass sich Obdachlose bei
anhaltender Kälte bis Ende Februar kostenlos im hinteren Teil ihrer Busse
und Bahnen aufhalten dürfen. Das Angebot gilt für das gesamte Liniennetz.
Essen und trinken dürfen die Obdachlosen in den Fahrzeugen nicht. Auch ihre
Habseligkeiten müssen sie solange anderswo deponieren.
Draußen bleiben sollten zunächst die Hunde der Obdachlosen. In diesem Punkt
hat sich die BSAG jedoch am Mittwoch bewegt: Man sei sich nicht darüber im
Klaren gewesen, wie wichtig die Tiere für diese Menschen seien, so Sprecher
Jürgen Lemmermann.
Das Angebot sei "sowohl bei den Betroffenen wie auch allgemein in der
Öffentlichkeit sehr gut angekommen", bilanziert die BSAG nach den ersten
paar Tagen. 40 bis 60 E-Mails seien eingegangen, allenfalls vier davon
kritischen Inhalts. "Ich habe den Eindruck, dass sich im Denken der
Öffentlichkeit etwas verändert hat", sagt Lemmermann. Die große Kälte habe
offenbar alle Vorbehalte überspielt.
Im Kreis Celle war in der Nacht zu Dienstag ein Rekordwert von minus 23
Grad gemessen worden. Drei Menschen sind in Niedersachsen seit Beginn der
Kälteperiode erfroren, darunter einer, der in seinem Auto lebte.
Die BSAG hat sich angesichts dieser Bedingungen entschlossen, pragmatisch
vorzugehen und gar nicht erst zu versuchen, Obdachlose von vermeintlichen
Obdachlosen zu trennen, die einfach nur kostenlos Bahn fahren wollen.
"Jeder weiß, wer gemeint ist", sagt Lemmermann. "Wir gehen davon aus, dass
damit kein Schindluder getrieben wird."
Der Hamburger Verkehrsverbund plant derzeit nicht, das Bremer Modell zu
übernehmen - weil sich Obdachlose anderswo aufwärmen könnten. "Nach
Rücksprache mit der Sozialbehörde sind wir zu der Einschätzung gekommen,
dass das Angebot ausreichend ist", sagte HVV-Sprecherin Gisela Becker. Die
Behörde bietet nach eigenen Angaben gut 350 Schlafplätze an, 70 mehr als im
vergangenen Jahr. Sie legte zudem eine Liste von Tagestreffpunkten vor, in
denen sich Obdachlose aufwärmen können. 2009 wurden in Hamburg 1.000
Obdachlose gezählt.
Bei den Temperaturen der vergangenen Tage müsse vor allem verhindert
werden, dass Menschen draußen schlafen, sagt Josef Laupheimer, der sich bei
der Hamburger Caritas um Obdachlose kümmert. "Um die muss man sich Sorgen
machen. Ich fände es gut, wenn Obdachlose, die in Bussen und Bahnen
angetroffen werden, nicht mit Geldbußen wegen Schwarzfahrens belegt
würden", sagt er.
Das findet auch Klaus-Peter Naumann vom Fahrgastverband Pro Bahn. Er
plädiert dafür, Lösungen zu suchen, die Konflikte mit den Fahrgästen
vermeiden. In manchen Bahnhöfen etwa gebe es genug Platz, um Obdachlose
unterzubringen.
An sich gebe es genug Tagestreffs, sagt Axel Brase-Wentzell, der in Bremen
eine Übernachtungseinrichtung für Obdachlose leitet. Ein kleiner Teil der
Betroffenen meide solche Treffs allerdings. "Denen fällt es offensichtlich
leichter, sich anonym in der Straßenbahn aufzuhalten", sagt er. Zwar
könnten Sozialarbeiter in Tagestreffs leichter einen Kontakt zu den
Obdachlosen aufbauen. Am wichtigsten sei es jedoch, den Kältetod zu
verhindern.
8 Feb 2012
## AUTOREN
Gernot Knödler
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