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# taz.de -- KOMMENTAR ABWAHL SAUERLAND: Es ist vorbei. Endlich!
> Über 129.000 Duisburger stimmten für eine Abwahl des OBs Adolf Sauerland.
> Er stürzte über seinen Umgang mit der Loveparade-Katastrophe.
Bild: Im Oktober 2010 wurde Sauerland mit Ketchup bespritzt. Die demokratische …
Der Spuk ist vorbei, die Ära Adolf Sauerland beendet. Eindrucksvoll haben
die Duisburgerinnen und Duisburger einen Schlussstrich unter das
erbärmliche Treiben ihres Oberbürgermeisters gezogen. Die Hürde beim
Bürgerentscheid am Sonntag war hoch. Doch sie wurde mit Bravour
übersprungen.
129.833 Menschen haben sich für die Abwahl Sauerlands entschieden – weit
mehr als nötig. Und auch weit mehr als ihn einst ins Amt wählten. Bei der
Kommunalwahl 2009 erhielt der Christdemokrat 74.179 Stimmen, nun sprachen
sich nur noch 21.557 Wahlberechtigte für seinen Amtsverbleib aus. Es ist
ein Sieg für die politische Kultur in der Bundesrepublik. Und es ist ein
großer Erfolg für die Bürgerinitiative "Neuanfang für Duisburg", die sich
nicht mit Sauerlands Verantwortungslosigkeit nach der Loveparade abfinden
wollte.
Mit allen Propagandatricks hat die CDU bis zum Schluss versucht, ihren
Parteifreund im Amt zu halten. Sie diffamierte die Initiative als
"Mogelpackung", hinter der sich ja nur SPD und Linkspartei verbergen
würden, und warnte vor der Rückkehr zu vermeintlich "alten sozialistischen
Zeiten". Doch so dumm, wie die Union die DuisburgerInnen verkaufen wollte,
sind sie nicht.
Die CDU hat sich nicht getraut, mit einer offensiven Werbekampagne für
ihren Frontmann auf das Abwahlbegehren zu reagieren. Kein einziges Plakat
mit dem Konterfei Sauerlands wagte sie zu kleben. Seine Partei wusste nur
allzu genau: Es wäre ein völlig aussichtsloses Unterfangen gewesen, dafür
zu kämpfen, dass mehr BürgerInnen ihr Kreuz für ihn machen als gegen ihn.
Stattdessen setzte sie auf die schon traditionelle Wahlmüdigkeit der
DuisburgerInnen. Wie Sauerland schon mit Hilfe derjenigen zum
Oberbürgermeister gewählt wurde, denen es egal war, wer die Geschicke der
Stadt lenkt, in der sie leben, so sollte er auch jetzt dank ihrer
Urnenabstinenz weiterregieren können. Wer schweigt, stimmt zu – dieses
demokratiefeindliche Kalkül ist zum Glück nicht aufgegangen.
Sauerland selbst beschränkte seinen Wahlkampf in eigener Sache auf jene
Bevölkerungsgruppe, bei der er noch nicht unten durch zu sein hoffte: die
türkischstämmige Community. Während er sich ansonsten für die Medien rar
machte, warb der Christdemokrat in den deutschen Ausgaben türkischer
Massenblätter um ihre Stimmen. Ganz so, als ließe sich sein Einsatz für den
Bau der Moschee in Marxloh gegen die Toten der Loveparade aufrechnen. Es
war der perfide Versuch, die DuisburgerInnen nicht deutscher Herkunft für
den eigenen schnöden Machterhalt zu instrumentalisieren und gegen die
Mehrheitsgesellschaft auszuspielen.
Diese integrationsfeindliche Strategie Sauerlands ist ebenfalls
gescheitert. Die Schlagzeile der Hürriyet hat sich nicht bewahrheitet:
"Sein Schicksal ist an die türkischen Wähler gebunden." Nein, ihre Stimmen
haben ihn nicht gerettet. Ob mit oder ohne Migrationshintergrund: Die
Duisburgerinnen und Duisburger wollen Adolf Sauerland nicht mehr.
Die juristische Verantwortung für die 21 Toten und mehr als 500 Verletzten
auf der Loveparade festzustellen, wird Sache der Gerichte sein. Das kann
noch Jahre dauern. Dass sich Adolf Sauerland jedoch über eineinhalb Jahre
beharrlich und mit immer peinlicheren Windungen und Wendungen geweigert
hat, die politisch-moralische Verantwortung für die Katastrophe zu
übernehmen, hat die Menschen in der alten Stahl- und Arbeiterstadt zu Recht
wütend gemacht.
Jetzt hat Adolf Sauerland für sein unsägliches Verhalten die verdiente
Quittung erhalten. Ein guter Tag für Duisburg. Es ist vorbei. Endlich!
12 Feb 2012
## AUTOREN
Pascal Beucker
## TAGS
Massenpanik
Loveparade Duisburg
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