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# taz.de -- Alltäglicher Online-Strip: Wie nackt sind wir im Netz?
> Mehr als 20 Millionen Deutsche haben ein Profil bei Facebook und fast
> jeder nutzt die Dienste von Google. Wie verletzlich werden wir dadurch?
> Ein Experiment.
Bild: Wie nackt machen uns Google oder Facebook?
Die Gesellschaft, hat der ehemalige Google-Chef Eric Schmidt einmal gesagt,
verstehe noch gar nicht, was sich gerade ganz grundlegend ändert. Was
passieren wird, wenn alles von jedem über jeden anderen gewusst und ständig
gespeichert werden kann. Wenn das alles immer verfügbar ist. Schmidt
prophezeite deshalb, dass es irgendwann selbstverständlich sein wird, dass
Jugendliche ihren Namen ändern, wenn sie erwachsen werden. Weil es dann ja
so viel kompromittierende Geschichten über sie auf den
Sozialnetzwerks-Seiten ihrer Freundinnen gebe.
Er sagte das vor zwei Jahren dem [1]["Wall Street Journal"]. Und schob
später nach, er habe bloß einen Witz gemacht.
Es ist aber eine völlig ernsthafte Frage, wahrscheinlich eine der
bedeutsamsten in digitalen Zeiten: Wie verletzbar macht uns unsere
Online-Identität? Wie angreifbar werden wir durch die Informationen, die
wir und andere im Netz über uns verstreut haben? Und: Ist es möglich einen
ganz gewöhnlichen Menschen detailliert zu porträtieren – nur anhand der
Informationen, die man über Google und Facebook von ihm findet.
Die sonntaz hat versucht, das in einem Experiment herauszufinden.
sonntaz-Redakteur Johannes Gernert hat das Internet nach seinem
Namensvetter durchkämmt: Johannes Gernert. Sie sind beide 31 Jahre alt. Der
eine eben taz-Redakteur, der andere ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an
der Ruhr-Universität-Bochum - also weder ein Prominenter, noch von Berufs
wegen außergewöhnlich viel im Netz unterwegs.
## Tiefe Spuren durch Andere
Die erste Spur, die Johannes Gernert, der Redakteur, von dem anderen
Johannes Gernert findet, ist ein Foto unter den Google-Treffern. Es führt
ihn auf die Seite des Fachbereichs an der Universität, auf der seine Arbeit
dokumentiert ist - etwa zur Speicherung von CO2 oder Strom. Im Netz finden
sich aber auch Berichte und Fotos von Auslandsaufenthalte des Ingenieurs.
Colorado 2009, Beijing 2010, Kopenhagen 2011. Das Arbeitsleben lässt sich
auch auf Xing verfolgen. So weit, so normal. Aber wie sieht es mit seinem
Privatleben aus?
Facebook, wer-kennt-wen.de, StudiVZ? Nirgendwo findet sich ein Profil von
diesem Johannes Gernert aus Bochum.
Dann allerdings: ein Treffer bei stayfriends.de, wo sich
Klassenkameradinnen aus Schulzeiten versammeln. Dort steht sogar, wie seine
Frau heißt. Und weil die eine Facebook-Freundschaftsanfrage akzeptiert,
lässt sich auch ermitteln, wann Johannes Gernert mit ihr in Paris war und
wann sie Zeit mit ihrem Neffen verbracht haben. Der Rechercheur kann sich
auch eine ganze Reihe Privatfotos ansehen, die etwas über seinen
Namensvetter erzählen.
Heißt: Auch wenn jemand sparsam mit der Veröffentlichung privater Daten im
Internet ist, hinterlässt er tiefe Spuren im Netz, falls sein enges Umfeld
weniger vorsichtig agiert.
## Vieles bleibt reproduzierbar
Das mache angreifbar, sagt der Informatiker Hendrik Speck, Professor an der
Universität Kaiserslautern. "Jeder kann mit bestimmten Konflikten für sich
selbst leben", stellt er fest. Habe man aber ein Kind, das freimütig im
Netz agiere, sei das mit einem Mal ein völlig anderes Bedrohungsszenario.
"Wie in jedem anständigen amerikanischen Thriller gibt es das
Bedrohungsszenario. Man klopft den härtesten Typ weich, indem man droht,
seine Frau werde gequält. Wenn Sie nicht mehr nur persönlich betroffen
sind, dann verändern sich Grenzen", sagt Speck.
"Wir können das gesellschaftlich und politisch noch gar nicht zuordnen. Wir
negieren es mehrheitlich", findet der Informatiker. "Aber selektiv wird
solches Wissen gegen einzelne Personen eingesetzt, wenn es gerade
wirtschaftlich oder sozial opportun ist. Jeder von uns hat seine kleinen
Leichen im Keller. Das muss uns rein rational völlig klar sein. Bis jetzt
sind wir immer davon ausgegangen, das die schon wieder verschwinden
werden." Die digitalen Spuren führten dazu, dass vieles "reproduzierbar"
bleibe, auffindbar.
"Wann ist der Schmerz so groß, dass wir um eine gesellschaftliche
Auseinandersetzung nicht mehr herum kommen?", fragt Speck. Er ist nicht
besonders zuversichtlich: "Dummerweise sind wir als Gesellschaft so
konzipiert, dass wir erst reagieren, wenn der Evolutionsdruck so hoch ist,
dass wir es nicht mehr ignorieren können."
In dem sonntaz-Experiment findet der Rechercheur über die Doktorarbeit
einer der Schwestern von Johannes Gernert auch heraus, wie dessen Eltern
heißen. Und irgendwann steht unser Autor bei Google Street View vor dem
Haus der Eltern und schaut in den Garten.
18 Feb 2012
## LINKS
[1] http://online.wsj.com/article/SB10001424052748704901104575423294099527212.h…
## AUTOREN
Georg Löwisch
## TAGS
tazlab 2012: „Das gute Leben“
Schwerpunkt Meta
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