# taz.de -- Wulff-Witze im Netz: Mr. Bundespräsidon't | |
> Schon kurz vor Wulffs Rücktritt brach der Kommentarsturm über Twitter | |
> herein. Ob nun Karnevalswagen verbrannt würden? Oder Markus Lanz | |
> Bundespräsident werde? | |
Bild: Musste nur geändert werden: Karnevalsfigur Wulff. | |
BERLIN taz | Es war ein Sturm, der über Twitter hereinbrach, kurz vor elf | |
in Deutschland, er hatte sich am Tag zuvor schon angekündigt. Nach dem | |
Antrag auf Aufhebung seiner Immunität hatte Wulff angekündigt, sich am | |
Freitag erklären zu wollen: "Ich bitte Sie um Geduld bis dahin. Vieles wird | |
dann für Sie verständlicher, so hoffe ich." | |
Am Freitagmorgen dann brach es los, das letzte, allerletzte hämische | |
Witzefeuerwerk über den [1][scheidenden "Bundespräsidon't"]. Es war fast | |
wie ein Aufatmen, denn die letzten Tage war kaum einem mehr etwas Neues | |
eingefallen zur Causa Wulff. Wie [2][PickiHH schon vor vier Tagen] schrieb: | |
"Heute abend bei 'Hart aber fair' schon wieder Thema Wulff und als Gast | |
schon wieder Peter Hintze. Der Rubikon führt bald kein Wasser mehr." | |
Ein kleines Rinnsal war aber noch da: Um den Unterhaltungswert | |
hochzuhalten, hatte nyarla23 ein [3][Buzzword-Bingo] zur Rede | |
bereitgestellt. Die größte Sorge allerdings [4][galt dem Karneval]: In | |
Köln, mutmaßte Catenaccio wurden wohl bereits "24 Karnevalswagen wegen | |
Inaktualität verbrannt". | |
Wulff-Verteidiger fanden sich fast keine mehr. Und das, obwohl man das | |
Phänomen Wulff durchaus als Metapher auf die deutsche Gesellschaft lesen | |
kann, wie [5][Malte Welding das getan hat]: Wulff sei wie ein "ins | |
Monströse aufgeblasene Kind", das zwar den Ansprüchen nicht gerecht werden | |
könne, aber Verständnis und Bewunderung einfordere, weil es sich bemühe. | |
Die bisher von den Verteidigern eingeforderte Unschuldsvermutung könne hier | |
kein Argument sein, denn: "Natürlich muss ich dem Präsidenten nicht | |
nachweisen, dass er nicht für das Amt taugt. Ich muss es nur so empfinden." | |
Dieses Empfinden habe auch gute Gründe, schließlich kam Wulff in den | |
Verdacht, korrupt zu sein, ein Verbrechen, das sich fast nie nachweisen | |
lasse: deswegen "gilt es für alle Amtsträger, den Anschein zu meiden." Und | |
das hat Wulff nicht getan, noch nicht einmal verstanden. Drum sollte man | |
Wulff "nicht nur fortjagen, sondern auch noch auslachen". | |
## "Die Bildzeitung hat gewonnen" | |
Es gab trotzdem einige wenige Stimmen, die zwar nicht Wulff zur Seite | |
sprangen, aber mit dem Rücktritt unglücklich waren. Am prägnantesten hat | |
Nilz Bokelberg das Missbehagen in [6][seinem ironischen Ausruf] | |
zusammengefasst: "Yay! Die Bildzeitung hat gewonnen!". | |
Aber dieses Detail ging schnell unter in der allgemeinen Spekulation über | |
einen möglichen Nachfolger. Kein Name, der die letzten vier Wochen in den | |
Schlagzeilen war, blieb unerwähnt, und immer wieder, [7][immer gerne Markus | |
Lanz]. Mit dem ihm eigenen Agitprop-Einschlag hatte sich Fefe bereits am | |
Tag zuvor [8][für Georg Schramm] stark gemacht: Da ja nun die Piraten nach | |
ihrem Einzug ins Berliner Abgeordnetenhaus zwei Mitglieder der | |
Bundesversammlung stellen dürften, sollten die von ihrem Vorschlagsrecht | |
Gebrauch machen und den Kabarettisten in den Kreis der Kandidaten heben. | |
Schließlich sei Schramm der Mann, "der das Amt nutzen würde, um mal auf den | |
Tisch zu kloppen." Schramm hatte vor anderthalb Jahren auf der Bühne sein | |
Bundespräsidenten-Programm verkündet und [9][danach viel Sympathie | |
erfahren]. Was als Kabarett-Beitrag begann, könnte nach 598 Tagen Wulff | |
tatsächlich Realität werden, wie Fefe versichert: "Falls jemand zweifelt: | |
nein, das ist völlig ernst gemeint." | |
[10][Was bleibt nun von Christian Wulff], jenem Bundespräsidenten "mit den | |
wenigsten unterschriebenen Ehrenurkunden für Bundesjugendspiele"? Merkel | |
bleibt, wenn man dem aktuellen Diskussionsstand Glauben schenken darf. | |
Erstaunlicherweise interessierte sich kaum jemand für ihre Rede, und ihr | |
Vorhaben, mit SPD und den Grünen einen gemeinsamen Kandidaten zu finden, | |
wurde in den sozialen Netzwerken von einem Schweigen begleitet, das man | |
angesichts der vorherigen Spottlust als wohlwollend deuten muss. | |
17 Feb 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://twitter.com/#!/n303n/status/170463243196837888 | |
[2] http://twitter.com/#!/PickiHH/status/169091455351132163 | |
[3] http://yfrog.com/nuq0imp | |
[4] http://twitter.com/#!/_catenaccio/status/170451763177074688 | |
[5] http://www.malte-welding.com/2012/02/17/der-anspruch/ | |
[6] http://twitter.com/#!/Nilzenburger/status/170449474475397120 | |
[7] http://twitter.com/#!/search/Lanz | |
[8] http://blog.fefe.de/?ts=b1c35008 | |
[9] http://www.youtube.com/watch?v=Pa3TF7lbe3A | |
[10] http://twitter.com/#!/Kunstrecht/status/170445659663646720 | |
## AUTOREN | |
Frédéric Valin | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Schramm kandidiert nicht als Präsident: Das Amt lieber abschaffen | |
Georg Schramm kandidiert nicht für das Amt des Bundespräsidenten. In einer | |
Erklärung fordert er die Abschaffung des Amtes oder eine Direktwahl. | |
Kommentar Bundespräsidentensuche: "Titanic" als Gegenmodell | |
Ausgerechnet ein Kabarettist soll der Gegenkandidat fürs Amt des | |
Bundespräsidenten sein. Dass sonst niemand zu finden ist, ist kein Grund | |
zum Lachen. | |
Wulff nach dem Rücktritt: Mein lieber Herr Gesangsverein! | |
Nach seinem Rücktritt gönnt sich Christian Wulff ein Rücktrittsbier – am | |
Stammtisch der Ex-Bundespräsidenten im Bürgerbräukeller. Die taz | |
dokumentiert das Gespräch. | |
Präsidentenwahl in Bundesversammlung: Die ganz, ganz große Koalition | |
Die schwarz-gelbe Mehrheit in der Bundesversammlung ist wacklig. Deshalb | |
muss der nächste Kandidat schwarz-, gelb-, rot-, grünverträglich sein. | |
Public Viewing zum Wulff-Rücktritt: "Wulff ist Opfer" | |
Der Bundespräsident tritt zurück und Deutschland schaut zu. Zum Beispiel in | |
einem Döner-Restaurant in Berlin-Kreuzberg. Hier hört man erstaunliche | |
Aussagen. | |
Kommentar Affäre Wulff : Null Toleranz für Schnäppchenjäger | |
Franz-Josef Strauß wäre niemals über seine Amigos gestolpert. Der Fall | |
Wulff zeigt, dass sich die deutsche Gesellschaft geändert hat. Der Grund: | |
die zunehmende soziale Spaltung. | |
Reaktionen auf Wulffs Rücktritt: Linke wollen auch mitreden | |
Die Opposition begrüßt den Rücktritt von Wulff und Merkels Angebot, | |
zusammen einen Nachfolger zu finden. Doch es wird auch Kritik an der | |
Kanzlerin laut. | |
Bundespräsident zurückgetreten: Wulff ist weg, Merkel sucht Nachfolger | |
Bundespräsident Christian Wulff erklärt seinen Rücktritt. Bundeskanzlerin | |
Merkel zollt ihm Respekt. Wulffs Nachfolger soll gemeinsam mit der | |
Opposition abgestimmt werden. |