# taz.de -- "War Witch" im Berlinale-Wettbewerb: Rede an ein ungeborenes Kind | |
> In "War Witch" stehen die Toten als Geister wieder auf. Kim Nguyens Film | |
> über eine Kindersoldatin ist einleuchtend und sehr bewegend. | |
Bild: Anrührende Dramaturgie, aber keineswegs auf der Suche nach übersichtlic… | |
Vor der Premiere war die Skepsis gerade gegenüber diesem Wettbewerbsbeitrag | |
groß. Kriegsvoyeurismus und emotionale Erpressung durch große Kinderaugen, | |
gedeckt durch ein allzu eindeutig gutes politisches Anliegen - bei einem | |
Film über Kindersoldaten in Zentralafrika kann es schnell zu so etwas | |
kommen. | |
"War Witch" ("Rebelle") des kanadischen Regisseurs Kim Nguyen hat sich dann | |
aber als geradezu großartig herausgestellt, sehr einleuchtend und sehr | |
bewegend. Ein Film mit einer direkten, anrührenden Dramaturgie, aber | |
keineswegs auf der Suche nach übersichtlichen Botschaften. Eine 14-Jährige | |
erzählt dem ungeborenen Kind, das in ihrem Bauch heranwächst, von ihrem | |
vorherigen Leben als Kindersoldatin - und dass sie zu Gott bete, er möge | |
ihr die Stärke geben, dieses Kind zu lieben. Diese Rahmenhandlung füllt Kim | |
Nguyen mit dichten, im Kongo gedrehten, stellenweise geradezu | |
dokumentarischen Bildern. | |
Die 15-jährige Kongolesin Rachel Mwanza spielt dieses Mädchen, das zusammen | |
mit den anderen Jugendlichen ihres Dorfes von Rebellen gekidnapt und dabei | |
gezwungen wird, ihre Eltern zu erschießen. Sie wird im Guerillakampf | |
ausgebildet, sie bekommt ein Gewehr in die Hand gedrückt, und nachdem sie | |
ein Scharmützel mit den Regierungstruppen überlebt hat, werden ihr magische | |
Fähigkeiten zugesprochen - sie wird zur War Witch und damit zu einer Art | |
Maskottchen des Rebellenanführers. Magisches Denken und Profitstreben gehen | |
Hand in Hand. | |
Die Toten stehen in diesem Film, weißgeschminkt, als Geister wieder auf. | |
Die Menschen glauben wirklich an guten und bösen Zauber. Zugleich benennt | |
der Film den profanen Hintergrund dieses Guerillakrieges: Es geht um | |
Coltan, einen Rohstoff, der für Mobiltelefone und Laptops gebraucht wird. | |
Schwer bewacht von Rebellen sieht man Frauen und Kinder dieses Erz aus dem | |
Geröll waschen. | |
## Afrika als surrealer Ort | |
Rachel Mwanza spielt unglaublich gut. Sie steht hier zum ersten Mal vor der | |
Kamera. Kim Ngyen hat mit vielen Laiendarstellern vor Ort gedreht - sie | |
verleihen den Szenen nicht nur einen authentischen Anstrich, sondern eine | |
geradezu flirrende Intensität, die Kim Ngyen wiederum keineswegs | |
folkloristisch ausbeutet. Stellenweise wie ein surrealer Ort sieht sein | |
Afrika aus. Der Rebellenchef wohnt in einem verrostenden modernen Turm, den | |
westliche Ingineure da mal hinterlassen haben. Manchmal hat das Setting | |
Anklänge an Endzeitdramen wie "Mad Max". Dann aber wieder Hütten, Bote, | |
bunte Tücher. | |
Kim Nguyen zeigt das Zusammengebastelte dieser Ortschaften, | |
zusammengebastelt aus traditionellen Elementen, Plastikplanen und Schrott. | |
In der Mitte ist der Film dann auch eine anrührende Liebesgeschichte rund | |
um einen weißen Hahn, den der Freund der 14-Jährigen finden muss, bevor er | |
sie heiraten kann. Aber dann holt der Krieg diese junge Frau, die viel zu | |
früh erwachsen werden muss, wieder ein. | |
17 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Dirk Knipphals | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Angelina Jolie zeigt ihren Film in Sarajevo: Verdrängte Erinnerungen | |
Sarajevo feiert Angelina Jolies Berlinale-Film "In the Land of Blood and | |
Honey" über den Jugoslawienkrieg - nachdem Opfer von Vergewaltigungen | |
zunächst skeptisch waren. | |
Filmproduzenten setzen auf Crowdfunding: Große Hoffnungen | |
Filme wie Iron Sky, Keep the lights on oder Electrick Children auf der | |
Berlinale zeigen, dass Crowd Funding im Filmgeschäft funktionieren kann. | |
Aber nicht immer. | |
Arabische Filme auf der Berlinale: Das leichte Beben der Erde | |
Neben Dokumentarfilmen zur Revolution gibt es auf der Berlinale auch | |
arabische Spielfilme. "Death for Sale" und "My Brother the Devil" erzählen | |
Außenseitergeschichten. | |
Berlinale Special: Angelina Jolies Regiedebut: Bosnien wirkt wie ausgewaschen | |
Zunächst erstaunlich stilsicher, dann ein Werbefilm für militärische | |
Interventionen: der Jugoslawienkriegsfilm "In the Land of Blood and Honey" | |
von Angelina Jolie. | |
Filmemacher Banush über deutschen Film: "Keiner hilft dir, wir tun es selbst" | |
Ein gutes Leben im Sinne des Kinos? Pah! Patrick Banush erklärt, warum es | |
in Deutschland nur Staatsfilme gibtund was anders werden muss. |