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# taz.de -- Wulff nach dem Rücktritt: Nicht mehr immun
> Mit dem Rücktritt Wulffs endet auch sein Schutz vor Strafverfolgung. Der
> Weg für die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ist frei.
Bild: Da geht er, der Bürger Christian Wulff.
BERLIN/FREIBURG taz | Vier Staatsanwälte in Hannover, zwei Frauen und zwei
Männer, haben den letzten Anlass zum Rücktritt von Bundespräsident
Christian Wulff (CDU) gegeben. Am Donnerstagabend beantragten sie beim
Bundestag die Aufhebung von Wulffs Immunität, damit sie gegen ihn wegen
Vorteilsannahme ermitteln können. Gute zwölf Stunden später trat Wulff
zurück.
Die Aufhebung ist jetzt nicht mehr nötig. Ohne Amt hat Wulff auch keine
Immunität mehr, denn diese schützt den Amtsinhaber vor willkürlicher
Strafverfolgung. Ob man mit dieser Reaktionskette gerechnet habe, will der
Sprecher der Staatsanwaltschaft Hannover, Jürgen Lendeckel, nicht sagen:
Den Rücktritt kommentiere man nicht.
Wochenlang standen die Ermittler der zuständigen Korruptionsabteilung unter
Druck, weil sie mit einem Verfahren zögerten. Kritik kam von Politikern wie
Staatsrechtlern, Bürger sandten wütende E-Mails und erstatteten über 100
Strafanzeigen.
Den Ermittlern geht es jetzt darum, ob Wulff als niedersächsischer
Ministerpräsident von dem Filmproduzenten David Groenewold "Vorteile" als
Gegenleistungen für eine Landesbürgschaft an eine Groenewold-Firma
angenommen hat. Sie müssen beweisen, dass Groenewold Wulff etwas geschenkt
und nicht nur ausgelegt hat, sowie eine Verbindung zwischen Geschenk und
Bürgschaft nachweisen.
Vorteilsannahme ist wie Bestechlichkeit ein Korruptionsdelikt. In beiden
Fällen geht es um persönliche Vorteile, die ein Amtsträger für
Amtshandlungen erhält. Bei Bestechlichkeit ist die Amtshandlung
rechtswidrig. Bei Vorteilsannahme ist die Amtshandlung zwar korrekt, aber
auch dafür darf man sich nicht belohnen lassen. Bis zu drei Jahre Haft
drohen bei einer Verurteilung.
## Ein "dienstlich-privates" Verhältnis
Für die Aufnahme eines Ermittlungsverfahrens genügt ein Anfangsverdacht.
Das heißt, es muss tatsächliche Anhaltspunkte geben, dass eine Straftat
vorliegt. Nach dem Legalitätsprinzip muss dann aber auch ermittelt werden.
Im Fall Wulff waren vor allem Medienberichte über das "dienstlich-private
Verhältnis" zu Groenewold der Auslöser, wie Lendeckel es nennt.
Anklage wird die Staatsanwaltschaft erst erheben, wenn sie eine
Verurteilung für wahrscheinlich hält. Wenn nicht, stellt sie das Verfahren
ein - das ist meist der Fall. Und bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung
gilt Wulff ohnehin als unschuldig.
Der Oberstaatsanwalt, der die Ermittlungen jetzt führt, will sich weder
äußern noch namentlich genannt werden. Mit Warnungen vor einem
"Vertrauensverlust in die Lauterbarkeit der Entscheidungsträger" durch
Korruption hat sich der 41-Jährige schon 2006 auf einer Tagung zu Wort
gemeldet.
Korruptionstäter beschrieb er als meist gut situierte Männer, Aufsteiger
ohne Unrechtsbewusstsein. Und als Motive nannte er abnehmende
Identifikation mit dem Dienstherrn, den Kitzel der Macht sowie Gier.
17 Feb 2012
## AUTOREN
T. Havlicek
C. Rath
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