# taz.de -- Kommentar Gauck: Fiktion der Überparteilichkeit | |
> Über die Parteien wirkt nur noch die Hälfte der Bürger an der | |
> Inthronisierung Gaucks mit. Den Parteien fehlt es am wirklich breiten | |
> Mandat. | |
Da wird nach einem neuen Bundespräsidenten gesucht - und ausgerechnet | |
Parteipolitiker singen das Lied der "Überparteilichkeit". Was hat es | |
wirklich auf sich mit diesem Begriff, der die Nominierung Joachim Gaucks | |
überstrahlte? | |
Gar nichts. Das ging schon beim Ausschluss von zwei Parteien los, die auch | |
in der Bundesversammlung vertreten sind. Es spielt keine Rolle, ob die | |
Piraten lieber über einen Kabarettisten diskutieren und man die Kooperation | |
mit der Linken schon immer gescheut hat. Nein - wer andere aus der Findung | |
heraushält, sollte sich nicht einmal "überfraktionell" nennen. | |
Mehr noch: Regierung und ein Teil der Opposition haben sich gar nicht erst | |
die Mühe gemacht, die Nachfolgedebatte tatsächlich "über die Parteien" | |
hinaus zu öffnen. Das wäre schon deshalb richtig gewesen, weil die | |
Integrationskraft der repräsentativen Demokratie abnimmt. Über die Parteien | |
wirkt nur noch die Hälfte der Bürger an der "politischen Willensbildung" | |
mit - die anderen gehen nicht mehr zur Wahl oder organisieren sich selbst, | |
in Initiativen oder im Internet. Den Parteien, die Gauck inthronisieren, | |
fehlt es am wirklich breiten Mandat. | |
"Überparteilichkeit" ist zudem eine Fiktion. Zwar neigen | |
Verfassungsexperten dazu, den Präsidenten als pouvoir neutre zu verstehen, | |
als neutrale Macht, die, über allem schwebend, die "Staatskontinuität" | |
verkörpert. Doch dies entspricht weder der politischen Realität noch der | |
Idee von Wahlen: In einer lebendigen Demokratie braucht es verschiedene | |
Kandidaten, um den real existierenden Gegensätzen ein Gesicht zu geben. | |
Darauf hat die schwarz-rot-grün-gelbe Nominierungsrunde verzichtet. Für | |
diese angebliche "Überparteilichkeit" hatte sie Gründe - parteiliche. | |
21 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Tom Strohschneider | |
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