# taz.de -- Polizeigewalt in Bayern: Eine Familie gegen die Staatsmacht | |
> Eine Familie wird von Polizisten verprügelt. Doch nun steht sie vor | |
> Gericht. Das Verfahren gegen die Beamten dagegen stellte die | |
> Staatsanwaltschaft ein. | |
Bild: Das Ehepaar E. bespricht sich mit seinem Anwalt. | |
MÜNCHEN taz | Der erste Prozesstag endete unerwartet schnell. Nach einer | |
Stunde vertagt Richter Ralph Burkhard die Verhandlung. Der Verteidiger der | |
angeklagten Familie E. hatte die Einstellung des Verfahrens beantragt. Sein | |
Argument: Sowohl Polizei als auch Staatsanwaltschaft hätten durch Art und | |
Weise der Ermittlungen gegen die Grundsätze des fairen Verfahrens und der | |
Unschuldsvermutung verstoßen. Auch sonst ist der Fall ungewöhnlich - und | |
womöglich exemplarisch für das Vorgehen der Polizei in Bayern. | |
Ein ehemaliger Polizeibeamter, seine Ehefrau, die gemeinsame Tochter und | |
deren Ehemann sind angeklagt, Widerstand gegen Polizeibeamte geleistet und | |
einen Polizisten verletzt zu haben. Doch Josef und Aloisia E. (67 und 62) | |
sowie deren Tochter Sandra B. und deren Ehemann Anton (beide 36) stellen | |
den Fall ganz anders dar: | |
Im November 2010 suchten zwei Zivilbeamte in einem Mietshaus in Schechen, | |
im oberbayerischen Landkreis Rosenheim, das Josef und Aloisia E. gehört, | |
nach einem Mann. Als die Beamten den Namen des Gesuchten nicht auf dem | |
Klingelschild finden, befragten sie eine Bewohnerin des Hauses - die | |
angeklagte Tochter Sandra B. Die erklärte, der Gesuchte wohne nicht mehr in | |
dem Haus, und verlangte die Dienstausweise der beiden Männer. Die Situation | |
spitzt sich zu, Sandra B.s Mann Anton kommt dazu, schließlich ihre Eltern. | |
Über den weiteren Verlauf gibt es unterschiedliche Darstellungen. | |
Fest steht nur: Alle vier Familienmitglieder wurden von den Beamten | |
gewaltsam niedergerungen und lagen am Ende mit Handschellen gefesselt auf | |
dem Boden. Alle vier wurden anschließend im Krankenhaus behandelt. Die | |
Ärzte stellten Bauchtraumata, Verstauchungen, Prellungen und Schürfwunden | |
fest. Die Familie erstattete Strafanzeige. Die Beamten reichten zwar | |
Stellungnahmen ein, wurden aber nicht vernommen. Das Verfahren gegen sie | |
wurde vorläufig eingestellt. Im Gegenzug erstatteten die Beamten Anzeige | |
gegen die Familie. | |
## Polizei ermittelte gegen sich selbst | |
Am ersten Prozesstag vor dem Amtsgericht Rosenheim beanstandeten die | |
Verteidiger, dass die Ermittlungen gegen die beschuldigten Beamten von | |
derselben Dienststelle geführt würden, gegen die sich die Strafanzeige | |
richtet. "Die Behörde ermittelte also quasi gegen sich selbst", sagte der | |
Münchner Anwalt Hartmut Wächtler der Süddeutschen Zeitung. Für solche Fälle | |
gibt es beim Polizeipräsidium der Landeshauptstadt München eigentlich eine | |
"Fachdienststelle für Beamtendelikte". Den Antrag, die Ermittlungen dorthin | |
abzugeben, habe die Staatsanwaltschaft aber abgelehnt. | |
Menschenrechtsgruppen fordern seit langem, dass in Fällen von Polizeigewalt | |
ein unabhängiges Team ermittelt. "Innerhalb von Deutschland sind die | |
Strukturen in Bayern noch schlechter als in manchen anderen Bundesländern, | |
wo bei derartigen Fällen grundsätzlich das Landeskriminalamt ermittelt", | |
sagt Joachim Rahmann, bei Amnesty International für die Aufdeckung von | |
Polizeigewalt zuständig. | |
Im Jahr 2009 zählte AI in Bayern 385 Ermittlungsverfahren wegen | |
polizeilicher Ausübung von Gewalt, Missbrauch oder Zwang. Aktuellere Zahlen | |
gibt es nicht. Im Fall von Rosenheim beantragte der Staatsanwalt nun | |
angesichts der vielen ungeklärten Punkte einen Aufschub. Der Prozess wird | |
am 2. März fortgesetzt. | |
20 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Marlene Halser | |
## TAGS | |
Bayern | |
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